Vergleiche zwischen Sportarten kommen Jahr für Jahr neu in Mode. Handball ist so viel bodenständiger als Fußball, heißt es immer wieder zum Jahresbeginn, wenn Deutschland wegen einer Welt- oder Europameisterschaft im Handball in Euphorie verfällt. Rugby ist so viel härter als American Football, weil die Spieler dort ganz ohne Panzerung auskommen – ein weiterer Klassiker der Sportvergleiche. Während dieser Ansatz umstritten ist und meist mehr Streit als sachliche Debatte bewirkt, gibt es eine andere Herangehensweise, die produktiver erscheint:
Was können Sportarten voneinander lernen?
2012 fragten sich Pete Carroll und sein damaliger Assistent Rocky Seto genau das, als sie sich mit Rugby beschäftigten. Was kann American Football von der anderen Sportart mit dem eiförmigen Ball lernen?
Carroll und Seto luden einen Gasttrainer aus England ins Virginia Mason Athletic Center ein und zeigten ihm, wie bei den Seattle Seahawks Tackling gelehrt wird: Die nahe Hüfte verfolgen, die Waden anvisieren, mit der nahen Schulter attackieren. Der Gast entdeckte Gemeinsamkeiten mit dem Rugby – und gab dem Ansatz seinen Namen: „Rugby-Style Tackling.“
Seto glaubt, dass so früher schon American Football gespielt wurde, als die Sportler noch Lederhelme ohne Gesichtsgitter trugen. Er spricht wohl von der Zeit, als der Helm noch nicht als Waffe eingesetzt wurde.
Es ist im Grunde das, was die Spieler im Rugby zwangsläufig bis heute versuchen. Den Kopf aus dem Spiel zu nehmen, weil er dort eben ungeschützt ist. Die massiven Schultern gezielt einzusetzen (Bobby Wagner findet’s klasse, sein Nacken auch), um mit hoher Zuverlässigkeit Gegner zu Boden zu bringen.
Was für die Seahawks als Suche nach der effizientesten Tackling-Methode begann, endete mit der Erkenntnis, dass durch den gefundenen Ansatz das gesamte Spiel sicherer gemacht wird.
So entstand 2014 erstmals ein Lehrvideo, in dem Pete Carroll als Stimme aus dem Off interessierten Trainern und Spielern erklärt, wie die Seahawks Tackling lehren. Gewiss keine gewöhnliche Aktion, denn welcher Trainer plaudert schon gerne die Geheimnisse seines Erfolges aus. Doch für Carroll und Seto Stand bei der Entscheidung, ihre Methodik öffentlich zu machen, die Sicherheit des Spiels und die langfristige Gesundheit der Spieler im Vordergrund.