Recap: Postseason 2018 (Wild-Card Round) – Seahawks @ Cowboys

Die Saison der Seattle Seahawks endet in Arlington, Texas. Dort bauten die Dallas Cowboys im AT&T Stadium eine Mauer, gegen die Pete Carroll und Brian Schottenheimer mit ihrer stur auf aufs Laufspiel fixierten Philosophie keine Lösung finden wollten. Somit ist die Postseason der Seahawks erstmals in der Ära des aktuellen Cheftrainers nach dem ersten Playoff-Spiel vorbei. Seattle unterliegt Dallas mit 22:24 – und am Ende bleibt die Frage, ob 2018 ein Erfolg war oder eine Enttäuschung.

Positiv:

QB Russell Wilson: Am Quarterback lag es wieder einmal nicht. Im Gegenteil: Wilson war mit seinen beschränkten Möglichkeiten nahezu perfekt (18/27, 233 Yards, 1 Touchdown), gab seinen Passempfängern mit hervorragend platzierten Bällen die Chance auf den Catch und erzielte per Lauf den ersten (und fast gar einzigen) Touchdown seines Teams. Deshalb stellt sich im ersten Moment die Frage, warum die Trainer ihm an seinem guten Tag nicht früher das Spiel in die Hand gaben, und im zweiten Moment die Frage, ob das eine verschenkte Postseason war, in der Seattle mit einem Russell Wilson in Bestform noch weiter hätte kommen können.

WR Tyler Lockett: Für den Wide Receiver und seine gute Chemie mit Russell Wilson müsste man den Höchstwert des Passer Ratings erhöhen, denn seit Wochen steht da die 158,3. Lockett fängt, was aus der Luft Richtung Boden fällt, egal wie sehr er dabei bedrängt wird. Den Catch des Tages hatte diesmal aber dennoch sein genialer Teamkollege Doug Baldwin.

DE Frank Clark: Ein weiterer Sack, ein weiterer Tackle For Loss, drei Hits gegen den Quarterback und dazu Ezekiel Elliott mit einer Hand zu Boden gerungen. Clark tat alles in seiner Macht stehende, um sein Team im Spiel zu halten und stand damit stellvertretend für eine Defensive, die lange gut mithielt, am Ende aber wegen Strafen, individuellen Fehlern und starken Einzelaktionen des Gegners auseinanderbrach.

Neutral:

Special Teams: Nach verdammt schwacher Performance gegen die Arizona Cardinals zeigten sich die Special Teams diesmal zunächst deutlich verbessert, ehe später Cowboys-Returner Tavon Austin diesen Eindruck mit einem Lauf über zwei Drittel des Feldes zerstörte. Punter Michael Dickson kam häufig zum Einsatz, weil in der Offensive wenig lief. Als er im dritten Quarter dann einen Ball mit Hilfe von Gunner Neiko Thorpe an der gegnerischen Zwei festnagelte, zogen erst Defense und dann Offense mit guten Aktionen nach. Die Cowboys gaben den Ball nach drei Versuchen direkt wieder ab, Russell Wilson jagte einen Pass über 40 Yards zu Tyler Lockett und düste anschließend selbst in die Endzone.
Es war insgesamt kein einfacher Tag für die Special Teams. Kicker Sebastian Janikowski zog sich kurz vor der Pause bei einem Versuch über 58 Yards eine Zerrung zu und konnte nicht weiterspielen. Dropkicks von Michael Dickson gab’s dennoch nicht zu sehen. Seattle verwandelte zwei Two-Point Conversions, kickte aber außer bei den Kickoffs nur noch einmal kurz vor Schluss. Der Onside Kick von Dickson hatte den Namen nicht verdient (woher sollte er es auch können) und einen Plan B gab es wohl nicht. Die Cowboys konnten in Ruhe abknien und die Uhr auslaufen lassen.

Negativ:

Play Calling: First Down – Lauf. Second Down – Lauf. Third Down – Pass. Der Klassiker bei den Seahawks. Aber diesmal nicht immer. Im zweiten Drive beispielsweise streute Offensive Coordinator Brian Schottenheimer einen Screen ein. Änderte aber nichts, ging nämlich genauso gründlich schief mit minus acht Yards. „Establishing the Run“ ist das, was die Seahawks da Spiel für Spiel machen wollen. Manchmal lässt sich das ganz hervorragend ertragen, weil Chris Carson und die anderen Läufer die vorhandenen Lücken finden und ihre Offensive so zur laufstärksten in der Liga machten. Diesmal aber war es verdammt anstrengend mit anzusehen, weil die Laufverteidigung der Cowboys hervorragend eingestellt war und Seattle Spielzug für Spielzug gegen eine Wand lief, anstatt einfach mal darüber hinweg zu werfen. Das Resultat waren 24 Carries für nur 73 Yards, das macht im Schnitt nur 3 Yards pro Lauf.
Sobald Seattles Laufangriff nicht mehr funktioniert, funktioniert kaum mehr etwas vernünftig. Das hat sich Head Coach Pete Carroll eingebrockt, indem er ganz bewusst Brian Schottenheimer holte, um zurück zu erfolgreichem Laufspiel zu finden. Es hat sogar teilweise geklappt, wenn man den Erfolg am Playoff-Einzug misst. Mehr aber war offenbar mit diesem Konzept nicht drin.

Strafen: Ein weiteres Beispiel für die Offensiv-Misere gefällig? Linebacker K.J. Wright fing im vierten Quarter (seines möglicherweise letzten Spiels als Seahawk) famos einen Pass in die Endzone ab und gab Seattle eine neue Chance auf Punkte. Die Seahawks machten daraus zwei Strafen, Second & 22 und darauf folgend zwei Screen-Pässe, die kaum Yards einbrachten. Fast so, als wären diese Screen-Pässe im bisherigen Spielverlauf ein probates Mittel gewesen.

CB Shaquill Griffin: Hätte vor der Saison jemand erzählt, dass ein gegnerisches Team eher Shaquill Griffin als dessen Teamkollegen und Rookie Tre Flowers attackieren würde, wäre er oder sie dafür belächelt worden. Aber am frühen Sonntagmorgen war genau das der Fall. Cowboys-Quarterback Dak Prescott vermied Pässe in Richtung Flowers so gut es ging und testete stattdessen immer wieder Griffin erfolgreich. Der Cornerback war in seinem zweiten Jahr gemessen an den Erwartungen eine Enttäuschung. Umgekehrt war der einstige College-Safety Flowers die Überraschung schlechthin in der Secondary.

Fazit:

Die Wild-Card Round war ein Bonus für die Seattle Seahawks und sie hätten daraus durchaus noch mehr machen können, wenn sie flexibler gewesen wären und vorbereitet auf das, was sie bei den Dallas Cowboys erwartete. Aber – und das ist trotz Niederlage unbestritten: Die Saison 2018 war eine erfolgreiche. Weil kaum jemand mit dem Playoff-Einzug des Teams gerechnet hatte. Weil kaum jemand der jungen Defense etwas zugetraut hatte. Weil kaum jemand Pete Carrolls angekündigte Rückkehr zu mehr Laufspiel für ein Erfolgsmodell hielt.

Langfristig und für den ganz großen Erfolg dürften die aktuelle Konstellation im Trainerstab und die taktische Ausrichtung nicht geeignet sein, das zeigte sich in der Wild-Card Round. Doch dass im Pacific Northwest nach einem Jahr ohne Postseason bereits eine neue Generation heranwächst, die das Potenzial hat, eines Tages in nicht allzu ferner Zukunft wieder ganz oben mitzumischen, das wurde in dieser Spielzeit stellenweise deutlich. Die Vorbereitung auf die Saison 2019, sie beginnt morgen.