Preview: Regular Season 2021 (Week 6) – Seahawks @ Steelers

Preview Week 6, 2021 Pittsburgh Steelers

7 plus 7 gleich 14, oder anders ausgedrückt: Geno Smith gegen Ben Roethlisberger – Trikotnummer 7 gegen Trikotnummer 7. Nach dem schmerzhaften Aus von Russell Wilson wird nämlich genau das, das Quarterback-Duell am Sonntag sein, wenn die Seahawks in Pittsburgh auf die Steelers treffen. Für beide Teams ist dabei die Ausgangslage dabei ähnlich, während die Kader-technischen Voraussetzungen vollkommen unterschiedlich sind. Denn sowohl Seattle, als auch die Stahlmänner aus Pennsylvania stehen nach fünf Spielen in der NFL-Saison 2021 bei einer Bilanz von zwei Siegen bei drei Niederlagen. Für beide Seiten muss also ein Sieg her. Nur wird im Playoff-Rennen der Anschluss in der eigenen Division nicht zu verloren bzw. wieder hergestellt.

Im Lager der Seahawks hat man es mit einer bislang unbekannten Situation zu tun. Nämlich der, dass der eigene Franchise-Player erstmals in seiner Karriere überhaupt nicht zum Kickoff eines Spiels zur Verfügung steht. Paart man das mit einer Defense, die das zweite Jahr in Folge in der ersten Saisonhälfte auf dem Weg ist, statistisch gesehen die schlechteste Verteidigung der NFL-Geschichte zu werden, dann hat man in Seattle ein Problem. Gerade im Angesicht des Talents, das auf der defensiven Seite des Balles Woche für Woche im VMAC trainiert, ist das aber eigentlich absurd. Dementsprechend bleibt zu hoffen, dass das sowohl Spieler und Trainer in Seattle auch in den nächsten Tagen erkennen. So könnten sie ihr Potenzial dann in Pittsburgh vielleicht einmal auf den Rasen bringen.

Wie das genau da geht, kann ihnen wiederum die Defense der Steelers zeigen. Die ist nämlich in Form von Pass Rusher TJ Watt, Safety Minkah Fitzpatrick und Linebacker Devin Bush in der Spitze ebenfalls mit jeder Menge Talent gesegnet. Angesichts dieser Positionen fällt es uns an dieser Stelle schwer, ein Team zu nennen, das hier nominell ähnlich gut aufgestellt sein sollte… In jeden Fall bringen die Steelers defensiv die Stollen immer tief in den Rasen. Und setzen mit entsprechend viel Traktion gegnerische Offenses konstant unter hohen Druck. Wäre da nicht der Uhrenturm-hohe Big Ben, der mittlerweile ähnlich alt scheint wie sein Namensvetter in London, auf Quarterback, könnte eine sonst potente Offense Pittsburgh auf einen Schlag zum Contender machen.

Das Spiel:

  • Kickoff: Montag, 2:20 Uhr
  • Austragungsort: Heinz Field (Freiluft, Naturrasen)
  • Wettervorhersage: 17 Grad Celsius, Bewölkt
  • Schiedsrichter: Shawn Smith
  • Empfang: NFL GamePass, DAZN
  • Wettprognose: Seahawks +4,5
  • Hashtag: #SEAvsPIT

Der Injury Report:

Ja, wir entledigen uns dem Thema ganz schnell: QB Russell Wilson (Finger) wird nicht in Pittsburgh mitspielen. Und nicht nur er: Neben OT Cedric Obuehi (Bizeps/Brustmuskel) wird auch RB Chris Carson (Nacken)! Dagegen sind LB Bobby Wagner (Knie), DE Darrell Taylor und WR DK Metcalf (Fuß), die alle unter der Woche nicht das volle Trainingspensum absolvierten, einsatzbereit.

Bei den Steelers hielt sich die Länge die Ausfallliste ebenfalls in Grenzen. WR JuJu Smith-Schuster (Schulter) und DT Carlos Davis (Knie) fallen teilweise die ganze restliche Saison verletzt aus. QB Ben Ben Roethlisberger (Brustmuskel/Hüfte), WR Chase Claypool (Oberschenkel) und DT Cameron Hayward (Nacken), die unter der Woche ebenfalls Pausen im Training bekamen, sind auf der Seite von Pittsburgh dagegen „fit“ für Sonntag.

Die Matchups:

Seahawks-Offensive Line vs. Steelers-Pass Rush: Am Ende war es der Druck eines elitären Verteidigers auf die Bodyguard von QB Russell Wilson, der den Seahawks-Quarterback auf den OP-Tisch schickte. Und wer könnte diese Rolle besser verkörpern als DT Aaron Donald. Er war es, der durch die O-Line gewalzt kam und Russell in der Wurfbewegung an der Hand traf. Die Folge: Eine Verletzung namens „Hammerfinger“ und vier bis sechs Wochen Pause. Wilsons Rolle übernimmt also vorerst Backup-QB Geno Smith. Der muss sich zu 100 Prozent auf den Schutz durch OT Duane Brown, G Gabe Jackson und Co. verlassen. Denn seine Vergangenheit in der NFL hat eines gezeigt: Smith neigt am ehesten zu schweren Fehlern, wenn er unter Pass Rush-Druck steht.

Und nur wenige verkörpern das auch in dieser Saison besser, als der amtierende Defensive Player of the Year, Steeler-OLB TJ Watt. In dieser Saison hat der Bruder von JJ bereits wieder fünf Sacks, zehn Quarterback-Hits und zwei forcierte Fumbles gesammelt. Kombiniert mit DT Cameron Heyward und S Terrell Edmunds (jeweils drei Tackle for Loss). Und addiert noch LB Devin Bush (zwei Sacks) dazu, dann ist das eine Gruppe, die der O-Line aus Seattle wieder ordentlich einheizen wird.

Seahawks-Wide Receivers vs. Steelers-Secondary: Während die Front Seven der Steelers eine, der besten der Liga ist, kann das über die Secondary aus Pittsburgh nicht behauptet werden. Kaum zu glauben: Wenn es nach Pro Football Focus (PFF) geht, dann ist die Passverteidigung aus Pennsylvania 2021 mit einer Note von 44,6 (aus 100 Punkten) noch schlechter als die aus Seattle (48,2)! Insgesamt haben die Cornerbacks und Safetys aus der Steel-City in dieser Saison 1.303 Yards durch die Luft zugelassen. Ein gefundenes Fressen also für ein explosives Duo aufseiten der Seahawks?

Zumindest, wenn es nach WR DK Metcalf geht. Der hat in Pittsburgh nämlich sehr gute Erfahrungen gemacht. Schließlich fing er hier seinen ersten NFL-Touchdown (siehe unten). Und dass er es in seiner dritten Saison in der Liga jetzt scheinbar auch mit den besten Passverteidigern aufnehmen kann, hat er gegen die Rams gezeigt. Gegen LAs-CB Jalen Ramsey zeigte er letzte Woche Prime Time-Form. Das Ergebnis: Fünf von fünf Bällen für 98 Yards und zwei Touchdowns gefangen. Dazu steht Metcalf, der weiter Probleme mit Drops hat, trotzdem mit 15,3 Yards pro Catch unter den Top-6 Receivern der NFL, die 2021 mehr als 20 Catches haben. Einer dieses Septetts, der hier noch besser ist: Seine bessere WR-Hälfte Tyler Lockett (15,6 Yards pro Catch). Wehe also, wen die beiden auf die Secondary der Steelers losgelassen werden.

Seahawks-Running Backs vs. Steelers-Defensive Line: Von der Schwäche der Verteidigung der Steelers, hin zu ihrer größten Stärke: die Laufverteidigung. Nach fünf Saisonspielen bewertet PFF die Defense aus Pittsburgh hier mit einer Note von 82,7. Die drittbeste Gesamtnote der Liga in diesem Bereich! Zweimal ließen Cam Heyward und Co. in dieser Saison bereits weniger als 100 Rushing Yards in einem Spiel zu. Insgesamt lassen sie pro Spiel im Schnitt nur 100,4 Yards zu. Ein Wert, der sie ligaweit in die Top-10 bringt. Und den einzigen Rushing-TD den die Unit zuließ? Der kam von Packers-QB Aaron Rodgers.

Entsprechend dick ist also das Brett, dass das Team von Pete Carroll unter dem sonntäglichen Flutlicht bohren muss. Erstens ist Seahawks-RB Chris Carson angeschlagen (und fiel am Freitag dann schließlich ganz aus). Zweitens hat RB Alex Collins zwar gegen die 49ers gezeigt, dass er mit seinem Laufstil eine neue Farbe ins Laufspiel aus dem Pacific Northwest bringen kann. Gegen die Rams verblasste die aber direkt wieder etwas. Und drittens ist Option Nr. 3 hinter Carson und Collins weiter RB DeeJay Dallas. Unter diesen Vorraussetzungen und mit den berühmten, aber uneffektiven Power Runs durch die Mitte, dürften die Seahawks in Pittsburgh nicht weit kommen. Zeit also für Offensive Corrdinator Shane Waldron sich kerative Laufspielzüge auszudenken und diese auch gegen Pete Carrols Meinung durchzusetzen.

Der X-Faktor: Geno Smith

Das ist jetzt Genos Team, zumindest für die nächsten vier Wochen. Nach der bitteren Fingerverletzung von Russell Wilson kommt Smith gegen die Steelers zum Einsatz. Sein erster Start in der Regular Season für die Seahawks. Dabei muss der Coin Flip-Gott vor allem eines beweisen. Und zwar das er nicht nur zwei Seiten einer Münze auseinander halten und vorhersagen kann, auf welcher sie denn schlussendlich landet. Er muss auf dem Rasen des Heinz Field zur Prime Time auch beweisen, ob er Seattle zu einer Zeit anführen kann, in der das Team leistungstechnisch und mental wahrscheinlich in einem der tiefsten Löcher der Pete Carroll-Ära sitzt.

Problematisch dabei: Das letzte Mal, dass Geno Smith ein NFL-Spiel als Starter bestritten hat, war am 3. Dezember 2017. Damals spielte er mit den New York Giants auswärts gegen die Oakland Raiders. Und obwohl Smith weitgehend fehlerlos und ohne Interception blieb, verlor er die Partie 17:24. Für die 12s bleibt da nur zu hoffen, dass der Intermins-Spielmacher der Seahawks den Starter-Rost bis zum Wochenende abgelegt hat und so souverän abliefert wie gegen die LA Rams, als er plötzlich ins kalte Wasser geworfen wurde.

  • Spieler des Spiels: Poona Ford. Ausgerechnet gegen die starke Offensive Line der LA Rams legte der Defensive Tackle eines der statistisch besten Spiel seiner Karriere (PFF-Note: 90,1) hin. Ein Trend, den er gegen die Steelers mit zwei Sacks fortsetzt. Und zum krönenenden Abschluss trägt Ford dann auch noch einen gesicherten Fumble zum Touchdown in die Endzone.
  • Statistik des Spiels: In bislang 37 Regular Season-Spielen in der NFL hat DK Metcalf vor dem Spiel gegen die Steelers 22 Touchdowns gefangen. Das erste Mal, als der Mann mit dem Schnuller-Mundschutz in der Endzone jubeln durfte? War in Week 1 der Saison 2019. Der Ort des Geschehens: Genau! Heinz Field in Pittsburgh, Pennsylvania.
  • Anekdote des Spiels: Oh, diese Ironie des Schicksals! Beim oben genannten Spiel der Giants gegen die Raiders kam Geno Smith aus nur einem Grund zum Einsatz: Weil Eli Manning sich am Spieltag davor, nach 210 ununterbrochenen Starts,  verletzt hatte. Russell Wilsons Ironman-Serie hielt dagegen nur 164 Spiele. Und übrigens: Aufseiten von Oakland stand Smith vor vier Jahren ein gewisser Running Back namens Marshawn Lynch gegenüber. Und ein Defensive Coordinator namens Ken Norton Jr.!

Der Hype-Faktor: Found a Penny, pick it up…

Was versprach sich das Front Office der Seattle Seahawks, als man im NFL-Draft 2018 in der ersten Runde RB Rashaad Penny draftete? Die Pittsburghs Steelers haben es beim bislang einzigen Auftritt des Running Backs 2019 im Heinz Field erfahren dürfen. Blöd nur, dass Penny am Sonntag nicht mit dabei ist…

Das Fazit:

Willkommen bei den Underdogs! Es ist ein Satz, an den sich die Fans der Seattle Seahawks wohl oder über gewöhnen müssen. Zumindest in den nächsten vier bis sechs Wochen. Denn obwohl wir noch nicht wissen, wozu das Team von Pete Carroll in der Lage ist, wenn es ohne seinen Star-Spielmacher als Starter spielen muss, ist eines dennoch klar. Mit Russell Wilson ist jedes Team besser. Trotzdem ist die Verletzung des QB auch eine Chance. Und zwar für den Rest des Teams. Sie können jetzt beweisen, dass sie diesmal ihren verhinderten Anführer auf die imaginären Schultern nehmen und ihn mit ihrem Talent zu Sieg tragen können.

Das Finger-Drama um Wilson und die Aussicht schon im ersten Saisondrittel die Spielzeit aussichtslos aus der Hand zu geben, könnte daher neue Kräfte in einer sonst in großen Teilen bislang saftlosen Mannschaft freisetzen. Diese Motivation, gepaart dem ohne Frage vorhandenen Talent, Geno Smith und einem Steelers-Team, das mental ähnlich angeschlagen ist wie die Seahawks, wird am Sonntag in Pittsburgh für einen knappen, hart umkämpften Sieg reichen.

Prognose: Die Seattle Seahawks gewinnen 20:17.