Falcons at Seahawks. War es dieses Spiel, dass die 12s ihren 49ers-Kater aus Week 2 vergessen lassen würde? Zuweilen ließ sich diese Frage durchaus mit „Ja“ beantworten. Grund dafür war die Tatsache, dass Seattle gerade in der Offense guten Ansätze zeigte. Gegen eine Defense aus Atlanta war das Playcalling teilweise sehr erfrischend, mit schnellen Snaps, guten Läufen und auch tieferen Pässen als in den letzten Wochen. Doch in den entscheidenden Momenten lieferten Geno Smith und Co. schlicht die wichtigen Plays nicht ab. Statt Touchdowns gab es meistens nur Field Goals und die reichten am Ende nicht.

Warum? Weil die Defense der Seahawks nach wie vor eklatante Schwächen aufweist, gerade in der Passverteidigung. Kombiniert mit bitteren Strafen und erneuten Löchern in der Run-Defense, ausgerechnet in der zweiten Halbzeit, gelang es der Truppe von Pete Carroll nicht, die Falcons im Lumen Field in Schach zu halten. Der Beweis dafür liefert das folgende Protokoll des „Battle of the Birds“ in Week 3 der NFL-Saison 2022:

Der Spielverlauf:

Die Hauptdarsteller:

Seahawks-Quarterback Geno Smith: Nach der „Horror Show“ in Santa Clara machte Pete Carroll schnell klar, dass das Team in der Offense Geno Smith mehr Chancen geben wollte. Gegen die Falcons war dieser Ansatz klar zu erkennen. So war der Quarterback klar der spielerische Entscheider auf dem Feld, was sich auch in seinen Statistiken wiederspiegelte. Von 44 Passversuchen brachte Smith 32 an den Mann für 325 Yards und zwei Touchdowns. Seine Interception kurz vor dem Spielende geht zwar klar auf seine Kappe. Dass Seattles Spielmacher bei 4th Down den Ball aber das Feld herunter forcieren musste, war größtenteils jedoch den Unzulänglichkeiten im Spiel seiner Teamkollegen geschuldet.

Falcons-Runing Back Cordarrelle Patterson: Der Faktor Laufspiel trug auf den Seiten der Gäste den Namen Cordarrelle Patterson. Im letzten Jahr spielte sich der ehemalige Wide Receiver mit spektakulären Auftritten in die Herzen der Falcons-Fans. Als Dual Threat stellt Patterson auch 2022 Atlantas stärkste Offensiv-Waffe dar und das mussten die Seahawks schmerzhaft erfahren. Am Ende erlief er einen Karrierebestwert von 141 Yards und einen Touchdown gegen eine Seahawks-Defense, die im Laufspiel zunächst einen guten Job zu machen schien, bevor sie in der zweiten Halbzeit auseinander fiel.

Seahawks-Secondary: Artie Burns, Sidney Jones, Justin Coleman – alle fielen gegen die Falcons verletzt aus. Auf den Cornerback-Positionen ließ das Mike Jackson und Rookie Tariq Woolen als Starter. Beide ließen immer wieder lange Pässe zu, was gerade bei 3rd Down extrem weh tat. Besonders Jackson, der gegen die Denver Broncos noch mit zwei Fumble Recoveries geglänzt hatte, sah gegen Mariota, Pitts und London – sagen wir wie es ist – aus wie ein Backup. Diese großen Raumgewinne nervten auch Pete Carroll Mitte des zweiten Viertels so sehr, dass er der gesamten Defense an der Sideline einen verbalen „Einlauf“ verpasste. Viel besser wurde es aber auch in der zweiten Halbzeit nicht, als sogar Defensiv-Captain und Veteran Quandre Diggs beim 3rd&7 einen leichten Touchdown-Pass zuließ.

Die Nebendarsteller:

Ehrenvolle Erwähnung: Seahawks-WR DK Metcalf bewies einmal mehr, warum die Seahawks ihn kurz vor dem Start der Regular Season mit einem neuen Vertrag fürstlich entlohnten. DK ist und bleibt Seattles beste Offensiv-Waffe, die gegen die Falcons Pässe für 64 Yards und einen spektakulären Touchdown fing. Seahawks-Kicker Jason Myers bestätig seinen Trend, dass er nach einer schwierigen Saison wie 2021 im nächsten Jahr wieder eine erfolgreiche Saison aufs Feld bringt. Mit drei von drei Field Goals und zwei von zwei Extra-Punkten blieb er auch gegen Atlanta makellos. Das Seahawks-Tight End-Corps muss im Passpiel der Seahawks 2022 ein Faktor sein und gegen die Falcons spielte Smith Will Dissly, Colby Parkinson und Noah Fant neunmal für neun Catches, 105 Yards und einen Touchdown an.

Stets bemüht: Seahawks-Running Back Rashaad Penny zeigte am Sonntag einmal mehr, warum er bei den Seahawks in dieser Spielzeit die Nr. 1 auf dieser Position ist. Mit harten Läufen brachte er 66 Rush Yards aufs Board, schaffte es hier aber leider zu selten ins zweite Level der Defense. Der Seahawks-Pass Rusher, der in Week 3 am auffälligsten war, spielt eigentlich Cornerback und heißt Coby Bryant. Bei einem Nickel-Blitz lieferte er, wenn auch mit dem Kopf voran, einen krachenden Sack gegen Marcus Mariota und fiel in Coverage auch nicht negativ auf.

Meh: Die Seahawks-Offensive Line ließ zwar nur zwei Sacks zu, machte der eigenen Offense in Person des wiedergenesenen Damien Lewis aber auch das Leben mit zwei brutalen Holding-Strafen zu den ungünsigsten Zeitpunkten in der Redzone unnötig schwer. Seahawks-Wide Receiver Dee Eskridge als Bust einzustufen ist zwar hart, doch nach dem Spiel gegen die Falcons müssen die Seahawks dieser Realität ganz klar ins Auge sehen. Hinter Marquise Goodwin und Penny Hart ist der Zweitrunden-Pick aus 2021 nur noch Wide Receiver Nr. 5 für Seattle, der gegen Atlanta kein einziges Target sah.

Die Highlights:

DK Metcalf, der DK Metcalf-Sachen macht …

Dieser Rookie-Moment, wenn du deine erste Interception in der NFL fängst! Good on ya, Tariq Woolen!

Die Falcons wollten das Spiel spät noch einmal spannend machen, doch die Seahawks nahmen dieses Fumble-Geschenk nicht an.

Die Randnotizen:

Die Verletzten:

RB Travis Homer wurde vom Coaching Staff bereits im zweiten Viertel wegen einer Rippenverletzung aus dem Spiel genommen und kehrte auch nicht mehr auf das Spielfeld zurück.

WR Tyler Lockett krachte kurz vor der Halbzeit nach einem Catch und einem sauberen Tackling eines Falcons-Defenders hart auf den Kunstrasen. Es folgte eine Untersuchung im blauen Medical-Zelt an der Seitenlinie, bevor er nach einem Check Up-Besuch von DK Metcalf nur wenige Plays später wieder auf dem Kunstrasen stand.

LB Jordyn Brooks musste nach der letzten Interception im Drive als die Falcons das Spiel abknieten zunächst auf dem Feld behandelt und dann zur Seitenlinie geführt werden. Er soll laut Carroll aber unversehrt sein, wie der Head Coach in der Pressekonferenz nach dem Spiel mitteilte.

Das Zitat:

„Stop making stuff up and stick to the game plan! We’re practicing plays for a reason.“ – Seahawks-Head Coach Pete Carroll, der bereits Mitte des zweiten Quarters die Schwächen seiner Defense monierte.

Der Tweet:

Ja, es war das erste „Battle of the Birds“ in dieser Saison am Puget Sound und wer könnte da besser geeignet sein, um die 12s-Flagge zu hissen? Genau: Seattles Basketball-GOAT: Sue Bird.

Das Fazit:

Jetzt ist es Fakt: Im Jahr Eins nach Russell Wilson müssen die Seattle Seahawks der bitteren Realität ins Auge sehen, dass sie aktuell eines der schlechtesten Teams in der NFL sind. Wer im Kellerduell mit den Atlanta Falcons in der Defensive so hergespielt wird, der „konkurriert“ im Draft 2023 ganz klar um einen Top 5-Pick und auf keinen Fall um mehr.

Für die 12s bedeutet das in den verbleibenden 14 Saisonspielen, sich über Highlight-Plays der ohne Frage vorhandenen Stars wie DK Metcalf oder starke Einzelleistungen von vielversprechenden Rookies à la Tariq Woolen oder Ken Walker zu erfreuen. Und das an der ein oder anderen Stelle auch einmal ein unerwarteter Sieg für die Seahawks herausspringt, ist auch nicht ausgeschlossen. Doch die Vorstellung das mit diesem Team, nach diesem Auftritt gegen schwache Falcons, alles andere als die Suche nach einem neuen Franchise-QB früh im Draft drin ist, bleibt vollkommen Utopie.

Ausblick: In Week 4 gastieren die Seahawks am 2. Oktober 2022 um 19 Uhr bei den Detroit Lions.