Head Coach Mike Macdonald – Analyse

Pressekonferenz: Head Coach Mike Macdonald im Fokus

Foto: Seattle Seahawks

Im ersten Teil unserer Vorstellung ging es vor allem um die Vorstellung des neuen Head Coach der Seahawks, Mike Macdonald. Seinen Werdegang und was ihn als Person ausmacht, sowie was andere über ihn sagen. Nun wollen wir anhand einiger Beispiele beschreiben, warum die Ravens Defense der vergangenen Saison in vielen Kategorien die Nummer 1 der NFL war. Da Macdonald bei den Seahawks nicht länger nur Defense Coordinator ist, sondern Head Coach des Teams, wird es interessant sein, inwiefern er seinen Einfluss aufs Feld bringt und wie viel er von seinem alten Job adaptieren wird.

Rückblick zur Ravens Defense der vergangenen Saison

Die Defensive der Ravens war am Ende nicht Schuld daran, dass die Ravens im AFC Conference Championship Game gegen die Kansas City Chiefs den Kürzeren zogen. Die Defense war am Ende der Saison immer noch historisch gut. Hier ein paar Zahlen im NFL-Vergleich:

  • 16,5 zugelassene Punkte pro Spiel (Ligaspitze)
  • 1,5 zugelassene Touchdowns pro Spiel (Ligaspitze)
  • 1,6 Turnover pro Spiel (Top 5)
  • 297,6 Yards zugelassen pro Spiel (Top 5)
  • 36,79% 3rd Down Conversions (Top 10)
  • 16 unterschiedliche Spieler mit mindestens einem Sack
  • 8 Spieler mit mindestens einer Interception
  • 62 Sacks
  • Nr. 1 per DVOA / Nr. 2 per EPA/Play / Nr. 3 per PFF

Anhand der reinen Statistiken lässt sich mehr als Erahnen wie gut die Ravens Defense in der vergangenen Saison war. Dies lag nicht nur rein an den Starspielern wie Safety Kyle Hamilton, Pass Rusher Justin Madubuike oder den Linebackern Patrick Queen und Roquan Smith sondern auch sehr stark an dem Scheme, also dem Spielstil von Mike Macdonald, den er spielen ließ. Mit Blick auf die Verteilung der Sacks lässt sich nur erahnen, wie abwechslungsreich der Coach die Spielzüge ansagte und wie jeder Spieler in seinem Scheme aufblühte. Ein weiterer Blick auf den Defensive Player of the Year, bei dem kein Ravens Spieler zur Wahl steht, zeigt die Flexibilität des gesamten Rosters und wie Macdonald seine Spieler abwechselnd einsetzt, auch wenn Kyle Hamilton das Schweizer Taschenmesser der vergangenen Saison war. Bei den Fans aus Seattle dürfte das für positive Nachrichten sorgen, da die vergangenen Jahre doch sehr für Ratlosigkeit in der Defense standen, in der nur vereinzelt Spieler aufblitzen konnten und nicht wirklich vom Scheme der Koordinatoren profitieren konnten.

Das Seahawks Defensivpersonal im Vergleich

Das Baltimore Ravens Defensivpersonal der vergangenen Saison lässt jedem Defensivanalysten das Herz aufgehen. Während in der Defensive Line Justin Madubuike, Michael Pierce und Broderick Washington Druck auf den gegnerischen Quarterback ausübten, war der tiefe Linebacker Room der Ravens das Herzstück der Defensive. Während Jadeveon Clowney, Kyle van Noy sowie Odafe Oweh als Outside Linebacker Hybridrollen im System von Macdonald einnahmen, sorgten die Inside Linebacker Patrick Queen und Roquan Smith sowie Rookie Trenton Simpson, der in unserer Rookie Watch vor der Saison analysiert wurde, für die Absicherung über die Mitte des Feldes. In der Secondary geht es weiter mit prominenten Namen wie den Cornerbacks Brandon Stephens, Marlon Humphrey und Ronald Darby. Doch trotz all dieser bekannten Namen stach ein Spieler besonders heraus: Kyle Hamilton, in seiner erst zweiten Saison, bestach durch seine Spielart und der Fähigkeit, jede Rolle in der Defense von Macdonald einzunehmen. Abgesichert wurde er dabei von Safety Geno Stone und Veteran Marcus Williams.

Nun aber der Blick auf die Seahawks Defensive: Bei den Seahawks fällt natürlich als allererstes der komplett leere Linebacker Room auf, nachdem die Verträge der Linebacker Bobby Wagner, Jordyn Brooks und Devin Bush auslaufen. Gepaart mit den auslaufenden Verträgen von den Pass Rushern Leonard Williams, Mario Edwards und Darrell Taylor stehen im Vergleich zu dem Spielermaterial der Ravens große Baustellen an, die Macdonald, falls er den gleichen Spielstil spielen lassen möchte, erst einmal in der Free Agency und im Draft stopfen muss. Die Defensive Needs der Seahawks sind dabei ganz klar Linebacker, Defensive Line und die Safety-Position. Einzig der Blick auf die Secondary rund um Rookie Devon Witherspoon macht dabei Hoffnung, da diese aus jungen talentierten sowie erfahrenen Spielern besteht, um Einflüsse auf den defensiven Spielstil zu haben. Allerdings ist auch die Passverteidigung vom Pass Rush abhängig, um die Routen nicht über das ganze Feld verteidigen zu müssen. Dabei wird die Hoffnung auf Boye Mafe und Dre’Mont Jones liegen, für Entlastung zu sorgen. Der allgemeine Blick auf mögliche Free Agents und dem Draft gibt allerdings Hoffnung, dass diese Baustellen geschlossen werden können, falls es Roster Cuts oder Umstrukturierungen von Verträgen geben wird. Hier steht besonders Jamal Adams im Fokus.

Defensive Scheme von Mike Macdonald

Mike Macdonald bringt die nötige Mischung mit, um in der Head Coach Hochburg NFC West zu bestehen. Mit McVay (Rams) und Shanahan (49ers) arbeiten ebenfalls Coaching-Genies als Head Coaches in der Division und schaffen es mit kreativen Plays auf beiden Seiten des Balls, die Teams besser da stehen zu lassen, als sie in Wirklichkeit sind. Diese Kreativität zeigt auch Mike Macdonald, auch wenn dieser sie bisher nur defensiv zeigen konnte. Macdonald ließ bisher genau wie Seattle eine 3-4 Base Defense aufs Feld. Falls es in Nickel-Formationen aufs Feld ging, zeigten die Ravens eine gesunde Mischung aus der normalen Nickel-Defense und der Big Nickel-Defense mit drei Safeties auf dem Feld. Bei den Big Nickel-Formationen stand dabei Safety Kyle Hamilton im Slot, sodass Safety Geno Stone mit Marcus Williams die Tiefe verteidigten. Die Base Defense wurde dabei hauptsächlich bei First Downs genutzt, um vermeintliche Läufe zu stoppen, während die Nickel-Formationen gegen 11 bzw. 12 Man Personal genutzt wurden, um Passing Downs zu verteidigen.

Linemen

Die Finten, Spieler vor dem Snap über das Feld zu bewegen und vermeintliche Spielzüge anzutäuschen, fanden bei Macdonald ebenfalls nur auf der defensiven Seite des Balls statt. Coach Macdonald verlangte von seinen Linemen in der Regel, dass sie einen Blocker lange genug beschäftigen, um die Pass Protection einer Line zu beeinflussen und sich dann schnell in eine kurze Hook-Zone fallen lassen, während ein anderer Verteidiger die Chance bekommt, ungeblockt den Quarterback zu sacken.

Outside Linebacker

Die Outside Linebacker sind ähnlich wie die Linemen sehr wichtig, um vor dem Snap Blitze oder Passverteidigungen anzutäuschen. Bei langen Passing Downs stellt Macdonald einen Outside Linebacker gegenüber Guard oder Center auf, um günstige Matchups im Inneren zu finden und einem Tackle die Aufgabe zu überlassen, sich mit einem Defensive Lineman auseinanderzusetzen. Hierbei fällt jedoch auch oft auf, dass vor dem Snap eine Seite vermeintlich überladen wird und der Outside Linebacker dann aber in Coverage geht und den Blitz nur antäuscht.

Inside Linebacker

Die Inside Linebacker-Position ist das wichtigste Puzzlestück des Schemes. Diese sind dafür bestimmt, das meiste Chaos im Kopf des Quarterbacks entstehen zu lassen. Im altbekannten 2-4-5 Nickel Double A Gap, stellen sich beide Linebacker direkt an der Line of Scrimmage auf um einen Blitz anzudeuten und dann entweder auch durchzuführen oder wie im Video unten in Coverage fallen zu lassen.

Slot-Verteidiger

Der Slot-Verteidiger spielt im defensiven System von Macdonald ebenfalls eine übergeordnete Rolle. Dieser verteidigt normalerweise den Slot Receiver und stellt sich damit in die Mitte der Verteidigung. Von dieser Position aus, kann er dann entweder den Lauf verteidigen, sich in die Passverteidigung fallen lassen oder den Quarterback blitzen. Wie oben im zweiten Video ersichtlich bekam diese Rolle Kyle Hamilton im Big Nickel Package mit drei Safeties und deutet einen Blitz an, nur um dann den Receiver in der Mitte des Feldes zu verteidigen.

Cornerbacks

Die Cornerbacks profitieren natürlich vom aggressiven Playcalling und treten selbst kaum mit angedeuteten Looks auf, da diese sich ganz normal gegenüber den Receivern aufstellen. Im folgenden Video musste Quarterback Brock Purdy jedoch mit einem doppelten Cornerback Blitz am eigenen Leib erfahren wie kreativ auch die Outside Cornerbacks eingesetzt werden können.

Safeties

Die Safeties geben im Football normalerweise Hinweise, ob es sich um eine Cover 0,1,2,3,4 oder Man-to-Man-Verteidigung handeln kann. Auch hier nutzten die Ravens in der Vergangenheit Looks, die einfach aussahen, jedoch nach dem Snap in andere Formationen übergingen. Der Quarterback musste so nachdenken und brauchte zu lange, um den Ball loszuwerden.

Fazit

Das Fazit lässt sich natürlich kurz nach der Besetzung des Head Coach-Posten noch nicht wirklich ziehen. Gerade mit der Neubesetzung des Defensive Coordinators und der Frage nach dem Einfluss von Mike Macdonald auf die Defensive und den Spielstil, wird es sicherlich nicht 1 zu 1 die gleiche Defense wie bei den Ravens geben. Hierzu benötigen die Seahawks aber auch Spieler auf den Linebacker und D-Line Positionen um überhaupt einen defensiven Spielstil zu etablieren. Mit erst 36 Jahren wird Mike Macdonald seine kreative Ader ausleben müssen, um im Haifischbecken der NFC West überleben zu können. Der Spielstil und die analytischen Fähigkeiten sind groß und bescheinigen dem neuen Coach der Seahawks definitiv die Fähigkeiten, um bei den Seahawks eine neue Ära zu prägen. Alle Blicke sind also auf die Free Agency und dem Draft gerichtet um zu erfahren, wie es weiter geht.