Oklahoma Drill: Bye bye Bobby?

Oklahoma Drill Bobby Wagner

Zeit für einen Oklahoma Drill und einen Trade von Bobby Wagner. Für viele 12s wäre das ein Alptraum – oder doch nicht? Schließlich ist die NFL ein gefühlskaltes, kühl kalkulierendes Geschäft. Dabei sind die 32 Teams fast durchgängig mit Entscheidungen konfrontiert. Im Zentrum des Roster-Managements steht für das Front Office immer die eine Frage: Wie kann ich mein Team auf kurz oder lang besser machen, um den Super Bowl zu gewinnen? Teams wie die New England Patriots beherrschten die Kunst des Roster-Managements in den vergangenen zwei Jahrzehnten in Perfektion. Wenngleich das Team aus Foxborough immer wieder auch unpopuläre Entscheidungen traf. Zumeist waren es doch die richtigen. Die Philosophie dahinter läuft oberflächlich nach dem Motto ab: Lieber ein Jahr früher, als sich ein Jahr zu spät von wichtigen Säulen und verdienten Spielern trennen.

In Person von Bobby Wagner stehen die Seahawks in der Offseason 2021 ebenfalls vor einer richtungsweisenden Entscheidung. Die große Frage: Weiter an dem Linebacker als wichtige Säule der Defensive festhalten oder möglicherweise den Wert, den Wagner momentan noch hat, nutzen und ihn für Picks an ein anderes Team verschachern?

In der internen WhatsApp-Gruppe der GSH-Redaktion wurde genau darüber kontrovers diskutiert. Zeit also für eine neue Ausgabe des berühmt-berüchtigten „Oklahoma Drill“! Dieses Mal geben sich Henri und Jonas die Ehre und tragen einen argumentativen Clash um die Zukunft des zukünftigen Hall of Famers aus.

Trade oder nicht Trade, das ist hier die Frage

Henri: Hauptgrund für die Trennung von einem Spieler ist meist ein unliebsamer Vertrag. Aus meiner Sicht ist jener von Bobby Wagner einer der teamunfreundlichsten Verträge in der gesamten NFL. Nicht nur aufgrund des höchsten Durchschnittsgehalts aller Inside Linebacker von 18 Millionen US-Dollar pro Jahr. Was meist nicht allzu aussagekräftig ist. Wagner hat überdies in seinem Vertrag Gehalts-technisch extrem hohe Garantien zugestanden bekommen. Und ich glaube nicht, dass er dies mit seinen Leistungen rechtfertigen kann bzw. wird. Für ihn persönlich freut es mich, dass er imstande war diesen Vertrag zu verhandeln, aber unter dem Strich haben die Seahawks sich über den Tisch ziehen lassen.

Fast alle anderen hoch bezahlten Inside Linebacker liegen im durchschnittlichen Jahresgehalt mindestens 4 Millionen US-Dollar unter dem von Wagner, dessen Vertrag eine absolute Ausnahme auf seiner Position ist. Und das, obwohl er im Alter von 29 der älteste Spieler unter den am besten verdienenden Linebackern ist. Ich mach es kurz: Sein Vertrag ist ein absoluter Klotz am Bein. Bei einem Trade von Bobby Wagner würden die Seahawks in diesem Jahr knapp 5 Millionen US-Dollar und im Folgejahr knapp 17 Millionen US-Dollar sparen. Es wäre meiner Meinung nach mittel- und langfristig gedacht nicht nur aus Cap-technischen Gründen der richtige Move.

Jonas: Der Vertrag ist ein Klotz am Bein, ja. Gerade wenn man bedenkt, welch günstigen Zweijahresvertrag für das Team Lavonte David gerade in Tampa Bay unterschrieben hat. Ich glaube jedoch, dass sich Seattle mehr und vor allem höhere Draftpicks in dieser Offseason woanders herholen könnte. Dies wäre ja zumindest in diesem Jahr der Hauptgrund für einen Trade. Denn seine Produktion auf dem Feld fällt nicht ab und Problemen mit den Coaches hat er auch keine. Das wären für mich die zwei weiteren Gründe, um Bobby loszuwerden.

Aber zurück zu einem Trade von Bobby Wagner: Mir käme da stattdessen im aktuellen Roster der Seahawks direkt Tyler Lockett in den Sinn. Er ist im Gegensatz zu Bobby Wagner erstens viel verletzungsanfälliger und zweitens ist auch sein Vertrag alles andere als teamfreundlich. Wenn John Schneider ihn jetzt traden würde, dann schlägt er zwar mit 2,25 Millionen US-Dollar Dead Money für die Seahawks zu Buche, macht dabei aber auch 11,5 Millionen US-Dollar Cap Space frei. Dazu ist es angesichts der extrem tiefen Wide Receiver-Klasse in diesem Draft-Jahrgang theoretisch deutlich einfacher einen adäquaten, positionsgetreuen und günstigeren Ersatz für Lockett zu finden, als für Wagner. Ganz zu schweigen von dem höheren Draftkapital, das ein Team auf der Suche nach einem Wide Receiver bereit ist abzugeben.

Wie wertvoll ist Bobby Wagner für die Seahawks?

Henri: Und da sind wir aber schon beim nächsten Argument, dass für einen Trade von Bobby Wagner spricht: Positional Value. Das eines Wide Receivers ist nicht nur im Schnitt, sondern auch bei den Stars viel höher als die eines Linebackers. Daher würde es viel eher Sinn ergeben, an Lockett, der darüber hinaus etwas jünger als Wagner ist, festzuhalten und Wagner zu traden. Off-Ball-Linebacker haben in der modernen NFL, und das bestätigen Metriken wie PFF WAR ebenfalls, keinen hohen Wert. Wichtiger sind in einer Defense stattdessen Passverteidiger in der Secondary. Und auch dominante Pass Rusher sind den besten Off-Ball-Linebackern in ihrem Wert für eine Defensive tendenziell immer vorzuziehen. Aus diesem Grund ist es aus meiner Sicht keine sehr sinnvolle Allokation von Ressourcen, viel Geld in Off-Ball-Linebacker und in diesem Fall Wagner zu stecken.

Jonas: Ok, aber Positional Value wird meiner Meinung nach auch etwas überschätzt. Gerade in diesem Bereich stützt sich alles auf Stats, also quantitative Befunde. Was dabei aber nicht eingerechnet wird und zwangsläufig unter den Tisch fällt, ist der Faktor Erfahrung. Das wird mir bei solchen Diskussionen viel zu sehr unterschätzt. Wie man sich im Locker Room gibt, wie man sich auf Spiele vorbereitet und wie junge Spieler auf dem Platz angeleitet werden, wenn mal kein Coach in der Nähe ist. All der Kram, den Du nicht auf den Statsheets findest und den Du als Outsider deshalb auch einfach nicht mitbekommst.

In diesen Bereichen halte ich Bobby in Seattle für unersetzlich und dazu liefert er auch noch leistungstechnisch weiter auf dem Feld ab. Besonders da. Ich weiß, dass Du kein Freund von Total Stats bist, aber 2020 war die neunte Saison in Folge, in der Bobby Wagner mindestens 100 Tacklings abgeliefert hat. Das hat vor ihm in der NFL-Geschichte nur Brian Urlacher geschafft!

Ist Bobby Wagner in Seattles Defense ersetzbar?

Henri: Fair enough, aber was am Ende zählt ist ja der Output. Und da wirkt sich etwa ein gutes Play eines Defensive Backs viel mehr auf das Abschneiden deiner Defense aus, als etwa gutes Linebacker Play. Das zeigt doch gerade brandaktuell die abgelaufene Saison. Erst als die Defensive Backs hier bei den Seahawks nach dem Auswärtsspiel bei den Rams angefangen haben besser zu spielen, hat sich die gesamte Defense auch merklich gesteigert. Ich glaube das man beispielsweise Wagners Kommunikationsskills in der Defense relativ gut ersetzen könnte.

Jonas: Letzteres würde ich massiv bestreiten. Wer könnte es denn machen? Mir fällt da konkret niemand ein, der so eine tragende Rolle in der Kommunikation auf dem Feld einnimmt, wie Wagner. Schau Dir doch alleine einmal die Ansprachen unter den Spielern an der Seitenlinie an, wenn es einmal nicht gut läuft in der Defense. Da ergreift immer Nummer 54 das Wort. Er ist für mich das Korrektiv und der Kompass im Spiel. An dem orientieren sich selbst Teamkollegen wie Jamal Adams oder Quandre Diggs.

Henri: Trotzdem. Selbst wenn man der Meinung ist, dass man Wagner tendenziell behalten sollte, gibt es ein weiteres Argument für einen Trade. Die Seahawks müssen einen Weg finden, zurück in den Draft zu kommen, weil das aktuelle Draftkapital so niedrig ist. Wagners Trade-Wert wird mit den Jahren immer weiter sinken. Jetzt könnte man noch am meisten aus seinem Wert als Spieler herausbekommen. Meiner Ansicht nach ein Move, den Bill Belichick so jetzt durchziehen würde.

Jonas: Auf Belichick bezogen, stimme ich Dir da zu 100 Prozent zu. Aber in Seattle treffen eben John Schneider und Pete Carroll die Entscheidungen und ich denke nicht, dass den beiden ein Trade in den Sinn kommt. Würde mich zumindest sehr wundern. Und auch in Sachen Draftkapital von Wagner stimme ich Dir zu. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass es für seinen aktuellen sportlichen Wert jetzt schon zu spät ist einen passenden Gegenwert zu bekommen. Deshalb bin ich wie erwähnt auch eher für einen Trade von Lockett.

Hier bekommt man von einem Team, dass einen zuverlässigen Veteranen auf Wide Receiver sucht ziemlich sicher einen Zweitrunden-Pick oder einen frühen Drittrunden-Pick. Letzteren sehe ich für Wagner schon fast gar nicht mehr. Da schreckt andere Teams eben auch der teure Vertrag ab. Da halte ich statt einem Trade dann lieber Bobby Wagner wegen seines sportlichen Wertes und beiße finanziell noch zwei Jahre in den sauren Apfel.

Was denkt Ihr über die Situation rund um Seahawks-Fanliebling Bobby Wagner? Würdet Ihr ihn gerne behalten? Ihn traden? Oder habt Ihr andere Ideen? Diskutiert auf Social Media mit uns!