Recap: Regular Season 2020 (Week 8) – 49ers @ Seahawks

Recap Week 8, 2020 San Francisco 49ers

Ein schläfriger Start, ein schläfriges Ende, dazwischen viel Spektakel. Und die Erkenntnis: Klare Siege sind noch möglich. Sie tun gut, besonders gegen Divisionsrivalen. Und sie schonen das Herz – zumindest phasenweise. Die Seattle Seahawks haben die San Francisco 49ers am Sonntagabend im CenturyLink Field mit 37:27 besiegt – und dabei besonders auf einer Seite des Balles überrascht. Ohne sechs etatmäßige Starter kehrten sie nicht nur in der Offensive zur 2020 gewohnten Effizienz zurück, sondern machten auch in der Defensive ihr bestes Saisonspiel.

Neben Russell Wilson, Bobby Wagner und DK Metcalf gaben im NFC-West-Duell zwei DJs die Musik an: Nickel-Cornerback D.J. Reed, der gegen sein Ex-Team für die Seahawks groß aufspielte, und Running Back DeeJay Dallas, der als Rookie in seiner ersten Partie von Beginn an zwei Touchdowns erzielte.

Der Spielverlauf:

  • 1. Quarter: Punt Seahawks. Punt 49ers. Okay, Neustart. Von der eigenen Endzone arbeitet sich das Heimteam bis an die… eigene 10. Zwei False Starts, zwei Läufe bei 2nd & Long und 3rd & Long, dann der erneute Punt… bis etwa an die Mittellinie. Noch sind die Seahawks nicht wach. Jimmy Garoppolo aber auch nicht. Er wirft ausgerechnet seinem Ex-Teamkollegen D.J. Reed den Ball in die Hände. Im anschließende Drive findet Russell Wilson DK Metcalf, der das halbe Spielfeld in Windeseile überquert und erst in der Endzone auf die Bremse tritt. Jason Myers verfehlt erstmals in dieser Saison einen Kick – 6:0 Seahawks.
  • 2. Quarter: Dann bringt JaMycal Hasty die 49ers trotz heftiger Gegenwehr von Bobby Wagner aufs Scoreboard. 6:7. Die Antwort der Seahawks ist ein Drive über 81 Yards mit einem Hauptdarsteller: DK Metcalf. Der Receiver fängt seinen zweiten Touchdown und hat schon vor der Halbzeit die 100 Yards geknackt. Seattle führt nach erfolgreichem PAT mit 13:7. Mit diesem Spielstand geht’s in die Pause, weil die 49ers zu hasenfüßig agieren und die Seahawks (in Person von Pete Carroll, der Timeouts diesmal zögerlich nimmt) scheinbar keine Eile mehr haben, weitere Punkte zu erzielen.
  • 3. Quarter: Der zweite Sack des Tages von Bobby Wagner stoppt San Francisco. Die Seahawks verwandeln ihren ersten Drive in den ersten Touchdown von Rookie DeeJay Dallas zum 20:7. Dann attackiert Cody Barton Dante Pettis beim Kickoff-Return so, dass er den Ball verliert. Nick Bellore schnappt ihn sich – und die Seahawks marschieren wieder. Am Ende findet Wilson David Moore „for the score“ zum 27:7.
  • 4. Quarter: Weil dann in Person von Emmanuel Moseley erstmals ein Niner ein Mittel gegen Metcalf findet, darf Jason Myers ran. Er kickt das Field Goal aus 48 Yards lässig durch die Stangen. Die 49ers wechseln anschließend Garoppolo mit Verletzung am Sprunggelenk aus. Sein Backup Nick Mullens führt San Francisco – man möchte fast schon von Garbage Time sprechen – vor die Endzone, wo Jerick McKinnon aus vier Yards zum 30:14 vollendet. Die Seahawks müssen dann punten und spielen in der Defensive deutlich weicher. San Francisco kommt durch einen Touchdown-Pass auf Ross Dwelley bis auf zehn Punkte ran. Die Two-Point Conversion auf McKinnon misslingt (30:20). Die Seahawks machen nach einem fehlgeschlagenen Onside Kick der Niners das einzig Richtige, melken die Uhr und finden in Person von Dallas erneut die Endzone (diesmal per Lauf) zum 37:20. Nach einem zweiten Touchdown-Pass von Mullens – diesmal auf Brandon Aiyuk – misslingt erneut der Onside Kick. Die Seahawks knien zum 37:27-Sieg ab.

Die Hauptdarsteller:

WR DK Metcalf: Auf eine erste Halbzeit der Extraklasse folgte eine zweite Halbzeit der, öööhm, Extraklasse. Hut ab vor DK Metcalf – oder sollen wir sagen: Drei Hütchen ab. Zwinker, zwinker. Wer es mit einem Tackle gegen ihn versuchte, prallte meist an einer Mauer ab. Wer es mit enger Manndeckung versuchte, lief meist hinterher. Und wer sich ihm zu sehr näherte, wurde regelkonform weggeschubst. Die Stats: zwölf Receptions für 161 Yards (neuer individueller Rekord) und zwei Touchdowns. Und: Metcalf schafft es, seine Gegenspieler zur Verzweiflung zu bringen. Mit physischer Spielweise, mit bissiger Einstellung, mitunter auch mit kleinen Provokationen.

QB Russell Wilson: Nach einem schwachen Spiel des Quarterbacks folgt in der Regel… genau, das Bounce-Back Game. Oder sagen wir es mit den Worten von DK Metcalf: „Russ for MVP train is back on the tracks.“ Unbeeindruckt von drei Interceptions in der Vorwoche feuerte Russell Wilson gegen die 49ers fehlerfrei aus allen Rohren, bewegte sich wunderbar in der Pocket und bediente insgesamt sieben Kollegen. Seine Zahlen: 27/37, 261 Yards und vier Touchdowns. Da fiel kaum auf, dass Seattles Laufspiel ohne Chris Carson und Carlos Hyde nicht wirklich vorhanden war.

LB Bobby Wagner: Dass der Linebacker nach Wochen schlechter Defensive keinen Bock mehr auf diesen Mist hatte, war ihm anzusehen. Und so nahm Wagner die Sache einfach selbst in die Hand am Sonntagabend. Die Defensive schickte im Gegensatz zur Vorwoche (was für einen Unterschied die Mobilität des Quarterbacks doch machen kann) den Blitz – all night long. Wagner profitierte davon ungemein – er sorgte endlich wieder für Sacks (2) bei den Seahawks. Dazu kommen bei ihm die traditionellen Tackles im zweistelligen Bereich (11) und ein Satz Tackles for Loss (3).

Die Nebendarsteller:

Ehrenvolle Erwähnung: CB D.J. Reed fürs starke Revanche-Spiel gegen sein Ex-Team. Mit einer Interception im ersten Quarter stimulierte er seine Defensiv-Kollegen zu guten Leistungen. Mit Pressure über den Nickel-Blitz gab er die Vorlagen für mehrere Sacks. Die Special Teams für überzeugende Auftritte Woche für Woche für Woche. Und damit ist übrigens nicht nur P Michael Dickson gemeint. Wichtig und nicht selbstverständlich: Die Seahawks sicherten sich beide Onside Kicks der 49ers. DE Stephen Sullivan für die krasse Vielseitigkeit. Am College in seiner letzten Saison vom Wide Receiver zum Tight End. In der NFL nun innerhalb von wenigen Wochen vom Tight End zum Defensive End, als die Personaldecke dünn wurde. Und als solcher direkt im Debüt und direkt im ersten Spielzug auf dem Feld zum Tackle for Loss. Wie im Traum.

Stets bemüht: CB Tre Flowers hatte es echt nicht einfach in den vergangenen Wochen. Der vielfach Kritisierte machte in der ersten Halbzeit als Vertreter von Shaquill Griffin zwei starke Plays – ein forcierter Fumble und eine Passverteidigung blieben zwar fürs Team am Ende wirkungslos, dürften dem Spieler aber dringend benötigtes Selbstvertrauen gegeben haben. RB DeeJay Dallas tat sein Bestes, die verletzten Kollegen ordentlich zu vertreten. Das gelang ihm nicht immer (verpennte Ballübergabe), aber oft, wenn es zählte (Touchdown-Fang und Touchdown-Lauf).

Meh: Die Defensive zu Beginn und zum Schluss war – Bobby Wagner würde wohl sagen – Mist. Zu wenig Geschwindigkeit, zu weiche Deckung, zu wenig Druck auf den Quarterback. Nur so kamen die 49ers im vierten Quarter mit 20 Punkten fast noch einmal zurück ins Spiel. Die Seahawks gaben San Francisco immer wieder das Gefühl, doch noch eine Chance auf die Wende zu haben. Und trotzdem kommt man nicht drumrum, hier auch ein kleines Lob loszuwerden, denn die Verletztenliste auf Seiten der Verteidigung ist lang.

Die Highlights:

DK Metcalf sein bedeutet: einfach mal kurz mit 105 Kilogramm auf dem Skelett das halbe Spielfeld in Höchstgeschwindigkeit überqueren und dabei nicht aus der Kurve zu fliegen.

Sacks waren selten gesehen bei den Seahawks in den vergangenen Wochen. Wir haben die vom Aussterben bedrohte Art deshalb hier festgehalten – und gehört, dass sich ihr Bestand dank eines guten Spiels am Sonntag bereits erholt.

Ob Rihanna oder Culcha Candela – wir haben uns die Wortspiele schon zurechtgelegt für den Fall, dass DeeJay Dallas in Zukunft öfter die Endzone besucht. Lost Frequencies, David Guetta und Felix Jaehn sind abgemeldet.

Die Randnotizen:

  • Nochmals zu CB D.J. Reed: San Franciscos Verantwortliche entließen ihn Anfang August, weil sie davon ausgingen, dass er die gesamte Saison mit einem gerissenen Brustmuskel verpassen würde. Die Seahawks schlugen zu, gaben ihm Zeit, er wurde fit und ging seinem Ex-Team dann ordentlich auf die Nerven. Einer der stärkeren Moves von General Manager John Schneider.
  • Die Seahawks ließen in den ersten drei Vierteln nur 117 Yards Raumgewinn und etwa 3,4 Yards pro Spielzug zu. San Franciscos Drives: Punt, Interception, Touchdown, Punt, Halbzeitpause, Punt, Fumble, Punt. Im ersten Touchdown-Drive half den 49ers außerdem eine umstrittene Strafe (Roughing the Passer) gegen Defensive End Alton Robinson. Definitiv ein Schritt in die richtige Richtung – unabhängig vom Niveau des Gegners.
  • Seit es die eingleisige NFL gibt, ist DK Metcalf erst der dritte Spieler im Alter von 22 oder jünger, der sieben Touchdowns in den ersten sieben Saisonspielen gefangen hat. Es hätten sogar acht sein können.
  • Trotz drei kassierten Touchdowns im vierten Viertel war das der entspannteste Sieg der Seahawks in dieser Saison. Irgendwie auch wieder verrückt, auf eine andere Art. Normal geht nicht mit diesem Team.
  • Vier Besuche in der Redzone, vier Touchdowns. Die Bilanz der Seahawks zwischen der gegnerischen 20 und der gegnerischen Endzone ist famos. In dieser Saison machte Seattle aus 25 Redzone-Aufenthalten 22 Touchdowns.
  • QB Russell Wilson hat wieder einen Rekord gebrochen. Kein Quarterback hat in seinen ersten neun Spielzeiten mehr Spiele gewonnen (92,5). Und wir sind gerade mal zur Hälfte durch mit der Regular Season.

Die Verletzten:

Sechs von sieben Spielern auf der Inaktiven-Liste der Seahawks waren Starter. Ohne Left Guard Mike Iupati, Cornerback Shaquill Griffin, Strong Safety Jamal Adams, Running Back Chris Carson, Defensive End Benson Mayowa und Nickel-Cornerback Ugo Amadi (sowie Backup-Running Back Carlos Hyde) ging Seattle in die Partie.

Wide Receiver David Moore verließ das Spielfeld früh nach einem Hit gegen die Rippen, kehrte aber schnell zurück und machte als Returner, Receiver und Läufer weiter. D-Liner Damontre Moore musste kurz vor Ende der Partie mit einer Beinverletzung runter, konnte aber auftreten und aus eigener Kraft vom Kunstrasen humpeln.

Der Fairness halber sollte man erwähnen, dass auch die 49ers stark ersatzgeschwächt ins Spiel gingen und spät in der Partie auch Quarterback Jimmy Garoppolo, Running Back Tevin Coleman und Tight End George Kittle verletzungsbedingt auswechselten.

Und zum Schluss noch eine gute Nachricht: Head Coach Pete Carroll sagte bei der Pressekonferenz nach dem Spiel, dass Jamal Adams kommenden Sonntag definitiv zurück im Kader sein werde. Nur die Krankheit habe ihn in Week 8 vom Training und Einsatz abgehalten. Und dann stößt ja auch noch Defensive End Carlos Dunlap zum Team.

Das Zitat:

„DK Metcalf aka Baby Bron.“ -NBA-Star Lebron James auf Instagram über den sensationell aufspielenden Seahawks-Receiver

Der Tweet:

Vergangene Woche düpierte Wide Receiver Tyler Lockett die Arizona Cardinals mit 15 Fängen für 200 Yards. Diese Woche war DK Metcalf an der Reihe. Beide gleichzeitig ausschalten: nahezu unmöglich.

Das Fazit:

Dass Russell Wilson sich von einem schwächeren Spiel zurückmelden würde, war zu erwarten. Aber wer hätte gedacht, dass die Defensive an dem Tag ihr bestes Saisonspiel machen würde, an dem sie auf vier Starter verzichten musste? Die verletzungsgebeutelten Seattle Seahawks machten das Beste aus der von Cheftrainer Pete Carroll eingeimpften „Next Man Up“-Mentalität. Sie besiegten die verletzungsgebeutelten San Francisco 49ers, weil sie das bessere Team sind. Weil sie den besseren Quarterback haben. Und weil sie an diesem Tag auch die bessere Defensive hatten.

Jimmy Garoppolo ist möglicherweise der bislang schwächste Quarterback gewesen, dem die Seahawks in dieser Saison gegenüberstanden. Man merkt, dass ihm sein Trainer in der aktuellen Verfassung wenig zutraut. Das soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Positionsgruppe von Ken Norton Jr. mit blitzlastiger Strategie auf Garoppolo eingestellt war – besser als auf seinen Backup. Und dass die von einem Offensiv-Genie geführten Niners über drei Quarters kein Mittel fanden gegen eine giftige Defensive, die bis dato rekordverdächtig schlecht gespielt hatte.

Der Spieltag hätte nicht besser laufen können für Seattle. Sieg gegen den Divisionsrivalen. Niederlage der Los Angeles Rams. (Die Arizona Cardinals befinden sich in der Bye Week.) Niederlage der Green Bay Packers. Somit stehen die Seahawks nach acht Spieltagen mit einem Record von 6-1 an der Spitze der NFC West – und der NFC.

Ausblick: In Week 9 gastieren die Seahawks am 8. November um 19 Uhr bei den Buffalo Bills, die mit einem Record von 6-2 die AFC East anführen und am Sonntag die New England Patriots mit 24:21 besiegten.