Recap: Regular Season 2019 (Week 13) – Vikings @ Seahawks

Falls es noch nicht bekannt war – jetzt dürfte auch der letzte Fan wissen, dass es mit den Seattle Seahawks keine normalen Spiele gibt. Jüngstes Beispiel: Monday Night Football gegen die Minnesota Vikings. Beim 37:30-Heimerfolg im CenturyLink Field hatte das Team aus dem Pacific Northwest den Sieg schon zu Beginn des vierten Quarters fast sicher, ließ die Gäste dann aber wieder zurückkommen. So wurde die Partie einmal mehr zur Nervenschlacht.

Am Ende hielten die Seahawks dem letzten Aufbäumen der Vikings stand, weil Defense und Special Teams in den Schlussminuten der extrem fahrigen Offense (Wilson und Metcalf vor allem; siehe unten) den Hintern retteten.

Positiv:

Baby Yoda Russ: Der Coup des Tages kommt von Seahawks-Twitter-Legende Cable Thanos (Josh Cashman) und der Social-Media-Abteilung der Seahawks. Ersterer mischte Baby Yoda und Quarterback Russell Wilson zu einem einzigartigen Fabelwesen, das in den vergangenen Stunden im Sturm das Internet eroberte. Letztere griff das Kunstwerk auf und versprach, es bei 33.333 Retweets zum Twitter-Profilbild der Seahawks zu machen. Wer noch nicht auf den Retweet-Knopf bei Twitter gedrückt hat, sollte das schleunigst tun.
Und wer sich heute Morgen ebenfalls fragt, warum auf Twitter gerade alle Tweets von einem Account kommen – das sieht jetzt witzigerweise (oder dummerweise) so aus und sorgt für ein bisschen Chaos. Aber Chaos war noch nie süßer als heute.

Laufspiel: Ob der spritzige, an Verteidigern abprallende, schwer fassbare Rashaad Penny (15 Carries für 74 Yards, 4,9 Yards pro Lauf) oder der kraftvolle, durch Verteidiger durchrennende, fumblefreie Chris Carson (23 Carries für 102 Yards, 4,4 Yards pro Lauf)  – das Laufspiel der Seahawks funktionierte am frühen Dienstagmorgen hervorragend. Zusammen mit Quarterback Russell Wilson und Rookie Travis Homer kamen die zwei Läufer auf insgesamt 218 Yards – so viel wie noch in keinem Spiel in dieser Saison. Das gilt umgekehrt auch für die Vikings-Laufverteidigung. Man könnte meinen, Seattle hat auf der Running Back-Position aktuell ein kleines Luxusproblem. Richtig schlimm!

Strafen: Sage und schreibe eine einzige gelbe Flagge gegen die Seahawks flog durch den Abendhimmel von Seattle. Die Pass Interference gegen Cornerback Tre Flowers kostete Seattle 30 Yards und brachte Minnesota bis kurz vor die Endzone, blieb aber die einzige Strafe für das Heimteam. Die Vikings kassierten drei Strafen für ebenfalls insgesamt 30 Yards.

S Bradley McDougald: Der Strong Safety war (fast immer) überall und drückte dem Spiel durch einen aufgenommenen Fumble und extrem wichtige Tackles (insgesamt sechs Tackles) seinen Stempel auf. Im vierten Quarter bei 34:17-Führung wollte McDougald dann aber zu viel und verlor seinen Gegenspieler Laquon Treadwell aus den Augen, der somit völlig frei war und ungestört in die Endzone trotten konnte. Es war der einzige grobe Schnitzer der Secondary an diesem Abend.
Die ehrenvolle Erwähnung geht diesmal an Tre Flowers, der mit einer famosen Blitzreaktion-Interception im ersten Spielzug des vierten Quarters den Seahawks den Ball zurückholte, um die Führung auf 34:17 auszubauen.

S Quandre Diggs: Er steht hier für den netten Hit im Stile eines Earl Thomas. Es widerspricht jeder Logik, dass Diggs per Trade so günstig zu haben war. Er macht diese Defense so viel besser.

DE Rasheem Green: Der Defensive End blüht in seinem zweiten Jahr weiter auf. Im zweiten Spiel in Serie forcierte er einen Fumble. Wer sich erinnert: Auch Frank Clark zündete für die Seahawks nicht sofort in der ersten Saison. Das lässt in Bezug auf Rookie-Erstrundenpick L.J. Collier dann doch ein wenig hoffen, auch wenn er gegen die Vikings erneut inaktiv war.

HC Pete Carroll: Big Balls Pete ist zurück! Weiter unten in diesem Beitrag wird das konservative Play Calling bei Fourth Down kritisiert. Der Cheftrainer hielt konsequent an seinen Punt-Entscheidungen fest, als die Seahawks ihre 4th-&-Short-Versuche eigentlich hätten ausspielen sollen. So bereitete er quasi den Fake Punt vor, den er im vierten Quarter dann spielen ließ.
Running Back Travis Homer lief munter über 29 Yards zum neuen First Down. Der Rookie war es auch, der kurz vor Schluss beim Kickoff-Return der Vikings den Fumble eroberte und damit das Spiel so gut wie beendete. Doppelter HOMERun!

Ballgewinne: Turnovers kommen gebündelt, heißt ein amerikanisches Football-Sprichwort. Für die Seahawks brachen nach einer aus Sicht der Defensive verhaltenen ersten Halbzeit alle Dämme. Auf einen Punt der Vikings folgte ein Touchdown der Seahawks folgte ein Fumble (forciert von Green, aufgenommen von McDougald) der Vikings folgte ein Field Goal der Seahawks folgte ein Punt der Vikings folgte ein Touchdown der Seahawks folgte eine Interception (von Flowers) der Vikings folgte ein Touchdown der Seahawks. Das alles spielte sich in knapp 17 Spielminuten im CenturyLink Field ab und sorgte dafür, dass Seattle einen 10:17-Pausenrückstand in eine 34:17 Führung verwandelte.

Neutral:

Front Seven: In der zweiten Halbzeit stabilisierte sich der Pass Rush etwas. Erfreulich war dabei vor allem, dass die Edge Rusher Ezekiel Ansah und Jadeveon Clowney endlich auch gemeinsam erfolgreich waren. Zusammen mit Defensive Tackle Jarran Reed verbuchten sie sechs Quarterback-Hits (Clowney 1, Ansah 3, Reed 2; dazu McDougald 1), blieben aber wie die restlichen Pass Rusher ohne Sack.

QB Russell Wilson: Inzwischen dürfte Quarterback Lamar Jackson von den Baltimore Ravens klare Nummer eins im MVP-Rennen sein. Wilson machte ein solides, aber eben nicht überragendes Spiel (21/31, 240 Yards, 2 Touchdowns, 1 Interception). Sein Fehler in der ersten Halbzeit machte zur Pause den Unterschied. Ja, ein Quarterback sollte einen Pass, der abgefälscht wird und durch die Luft wirbelt, möglichst Richtung Boden drücken, wenn er in Reichweite ist. Aber eben nicht so, wie Wilson das im zweiten Quarter tat. Sein Schlag gegen den Ball – zugegebenermaßen in Bedrängnis – lenkte diesen direkt in die Hände der Vikings-Defense, die per Touchdown die 14:7-Führung erzielte.
Kritisieren kann man Wilson auch für eine Aktion kurz vor Ende, als er ohne Druck die Flucht aus der Pocket antrat und so seiner O-Line einen Bärendienst erwies und das Team per Sack (insgesamt zwei Sacks für 14 Yards Raumverlust) zu Third & Aussichtslos brachte.

LB Shaquem Griffin: Zunächst ist es einfach schön, dass der Linebacker als Pass Rusher nun endlich mehr ist als eine Feel-Good-Story. Shaquem Griffin kann diesem Team helfen – und er scheint seine Rolle in der Defensive gefunden zu haben. Auch in Week 13 stand er häufig wieder auf dem Feld, wenn die Gegenseite bei Third & Long in klaren Pass-Situationen auf ein neues First Down ging und sorgte für viel Unruhe.

Passspiel: Von Wide Receiver Tyler Lockett war wie in der Vorwoche kaum etwas zu sehen. Vermutlich ist er nach seiner Schienbeinverletzung aus dem San-Francisco-49ers-Spiel und der Grippeerkrankung unter der Woche noch nicht bei 100 Prozent. Dass die Seahawks nicht mehr aufs Passspiel setzten ist einerseits nachvollziehbar, weil das Laufspiel einwandfrei funktionierte, andererseits doch überraschend, weil die Secondary der Vikings sichtlich Probleme (vor allem mit der Absprache) hatte. Cornerback Xavier Rhodes ließ Seahawks-Passempfänger David Moore Ende des dritten Viertels einfach so an sich vorbei spazieren und Rashaad Penny tänzelte nach Vorbild der Seahawks-Receiver (siehe untenstehenden Tweet) nach einem Screen-Pass von Wilson Anfang des vierten Quarters fast unberührt in die gegnerische Endzone.

WR DK Metcalf: Ein Rookie darf Fehler machen, nein, er muss sie sogar machen, um zu lernen. Zumal diese ihm sowieso zu verzeihen sind, wenn er ansonsten eine hervorragende Saison spielt und diese Woche Receiver mit den meisten Yards im Team war (6 Fänge, 7 Targets, 75 Yards). Bei DK Metcalf häufen sich aber in den vergangenen Wochen ein wenig die Ballverluste und Drops – daran muss er arbeiten. Ein fast schon gewonnenes Spiel wurde aufgrund des Ballverlustes von Metcalf (und durch die Fehler anderer Spieler) nochmals spannend, weil sich die Vikings anschließend bis in die Endzone passten.

Negativ:

Tackling zu Beginn: Sechs Plays für 83 Yards und zack – die Vikings waren erstmals in der Endzone der Seahawks. Maßgeblich verantwortlich dafür waren mehrere Seahawks-Verteidiger (beispielsweise Linebacker K.J. Wright), die Tackles bei zwei langen Läufen von Minnesotas Fullback C.J. Ham und Wide Receiver Stefon Diggs verpassten. Anschließend aber stabilisierte sich die Defensive. Der vorher kritisierte Wright und Bradley McDougald forcierten mit wichtigen Tackles den Punt.

Play Calling: Es ist die alte Leier: Die Seahawks sind eines der konservativsten Teams wenn es darum geht, 4th & Short weit weg von der eigenen Endzone auszuspielen. Dreimal entschieden sie sich dagegen, aggressiv zu spielen. Gerade beim ersten Mal hätten sie sich den Punt direkt sparen können, weil die Vikings rasch übers Feld marschierten. Es fällt anderen Teams schlicht und einfach nicht schwer, bis an die Mittellinie zurückzukommen, wo sie im schlimmsten Fall bei einer missglückten Fourth-Down Conversion gestartet wären. Warum also nicht den vierten Versuch öfter mal ausspielen und in Kauf nehmen? Die Erfolgsquote spricht klar dafür, öfter aggressiv zu agieren.

Verletzungen:

Die Seahawks gingen erwartungsgemäß ohne Tight End Luke Willson und Fullback Nick Bellore, aber auch erneut ohne Defensive End L.J. Collier in die Partie. Running Back Chris Carson wurde im ersten Drive von Jacob Hollisters Knie erwischt und krachte auf den Boden. Er kehrte aber nach Untersuchungen auf eine Kopfverletzung zurück aufs Spielfeld. Defensive End Ziggy Ansah beklagte nach einem Zusammenstoß Taubheit (Stinger). Wide Receiver Tyler Lockett war von der Grippe, die unter der Woche im VMAC umgegangen war (acht Spieler waren krank), noch geschwächt.

Fazit:

Beim 34:17 zu Beginn des vierten Viertels schien das Spiel entschieden – doch nicht mit den Seattle Seahawks. Während es in der Vergangenheit oft konservative Spielzüge waren, die die Offensive beim Herunterspielen der Uhr in Bedrängnis brachten, so waren es beim nichtsdestotrotz verdienten Sieg gegen die Minnesota Vikings diesmal individuelle Fehler. Es spricht für eine gute Stimmung in der Mannschaft, dass in diesen engen Begegnungen dennoch stets das Team von Head Coach Pete Carroll als Sieger vom Feld geht. Es spricht für eine gewisse Balance im Kader, dass sowohl Offense als auch Defense schon Partien entschieden haben. Sobald beide Mannschaftsteile (und die Special Teams) gleichzeitig und dauerhaft in Bestform agieren, wie im dritten Quarter (17:0) der Fall, kommt niemand mehr drumrum, Seattle als Titelfavoriten zu bezeichnen.

Durch ihren zehnten Erfolg im zwölften Spiel – das hat wohl niemand vor der Saison so kommen sehen – haben die Seahawks nun die Tabellenführung in der NFC West übernommen und sind auf den zweiten Seed der National Football Conference gerutscht. Dieser würde am Ende der Regular Season ein First-Round Bye und zunächst den Heimvorteil mit sich bringen.

Seattle hat es für den Rest der Runde selbst in der Hand, die optimale Ausgangslage für die Postseason zu halten.