O-Line: Was bietet die Free Agency?

(Bild: imago)

Bezüglich der Offensive Line sind bei den Seattle Seahawks in den vergangenen Jahren einige Probleme aufgetreten und Fehler gemacht worden, die vor zwei Wochen an dieser Stelle aufgearbeitet wurden. Aufbauend darauf beschäftigt sich der heutige Beitrag mit Lösungsvorschlägen, damit sich Quarterback Russell Wilson und die Running Backs 2017 auf eine verbesserte O-Line verlassen können.

In den vergangenen Tagen sind ein paar spannende Optionen auf dem Markt gekommen. Die Jacksonville Jaguars und die New York Jets haben bei ihren Left Tackles die Option nicht gezogen – beide werden also Free Agents. Außerdem planen die Miami Dolphins wohl nicht mehr mit LT Branden Albert. Er wurde jedoch entgegen der Gerüchte nicht entlassen, weil das Team wahrscheinlich eine Möglichkeit erkannt hat, Albert per Trade abzutreten. Kommt es aber nicht zu einem Tausch, bleibt der Cut die realistischste Option.

Ein alter Bekannter ist ebenfalls seit wenigen Tagen auf dem Markt: Left Tackle Russell Okung. Der Ex-Seahawk schloss vor der Saison 2016 einen Vertrag bei den Denver Broncos ab, den er ohne Agenten verhandelt hatte. Das Team hat sich nun gegen eine Verlängerung entschieden, die Okung bis zu $48 Millionen über vier Jahre eingebracht hätte.

Damit kommt Schwung in den für die Seattle Seahawks interessanten Free Agent-Markt. Besonders die jungen und unerfahrenen Tackles im Pacific Northwest – George Fant, Germain Ifedi und Gary Gilliam – würden von einen erfahrenen Veteran profitieren.

LT Brandon Albert – Miami Dolphins
Albert wäre wohl eine Option für die Seahawks. Es wäre nicht überraschend, wenn er als Free Agent – sollte er denn einer werden – demnächst in Seattle vorspielen würde. Ein Trade von Albert wäre auch erst zu Beginn der Free Agency möglich.
Der Veteran gehört mit 32 Jahren zur älteren Garde, startete 2016 in zwölf Spielen und ist ein Führungsspieler. Seine Stärken liegen eher im Run Blocking als im Pass Blocking. Bei Laufspielzügen sammelten die Dolphins im Schnitt 4,84 Yards pro Carry hinter Left Tackle Albert (Platz 14 in der NFL), über die gesamte linke Seite sogar durchschnittlich 7,31 Yards (Platz 3).
Doch der Cut kommt nicht ohne Grund. Die Werte bei Lauf und Pass fielen im Vergleich zu den Vorjahren deutlich. Albert ließ 34 Pressures zu, sein schwächster Wert seit 2010. In den Playoffs machte er gegen den 39-jährigen James Harrison eine schlechte Figur. Hinzu kommt, dass er verletzungsanfällig ist und nie nicht mindestens einen Snap pro Spielzeit verpasst hat.

LT Russell Okung – Denver Broncos
In der vergangenen Offseason entschied sich Okung, nach sechs Jahren in Seattle die Free Agency zu testen. Dabei vertrat er sich selbst als Agent und unterschrieb einen „Prove it“-Deal bei den Broncos, um sich 2016 für einen hoch dotierten Vertrag zu empfehlen. Bei den Seahawks hatte er von 96 möglichen Partien 24 aufgrund von Verletzungen verpasst, in Denver absolvierte er vergangene Saison alle 16 Spiele.
Vermeintlich passt kein Spieler besser ins Konzept der Seahawks als Okung, denn er kennt das System und war in diesem mitunter erfolgreich (Pro Bowl 2012). Fraglich ist jedoch, wie gut der 30-Jährige auch in dieses System passt. Waren die Verletzungen ein Resultat der Spielweise in Seattle und seine Rolle in Denver besser auf ihn zugeschnitten?

LT Ryan Clady – New York Jets
Verletzungen durchzogen auch die NFL-Karriere von Ryan Clady. 2016 wechselte er von den Broncos (wo dann Okung war) zu den Jets, nachdem er die Saison 2015 mit einem Kreuzbandriss verpasst hatte. Er unterzeichnete in New York wie Okung einen „Prove it“-Deal, konnte aber nicht überzeugen. Das lag auch daran, dass der 30-Jährige im November mit einer Schulterverletzung auf die Injured Reserve-Liste gesetzt wurde.
Clady war während seiner Zeit in Denver einer der Top-Tackles der NFL, was er aufgrund von Verletzungen jedoch nie konstant zeigen konnte: All-Pro 2009 und 2012 und viermaliger Pro Bowler.
2008 kam Clady in die Liga, um unter Mike Shanahan in dessen Zone Blocking-System zu spielen. Der Coach wurde jedoch entlassen und unter Gary Kubiak im ähnlichen System konnte sich der Tackle aufgrund der Kreuzband-Verletzung nicht mehr beweisen.
Die größten Bedenken sind aufgrund seiner Verletzungen aus der Vergangenheit vorhanden. 37 von möglichen 64 Spielen hat er seit 2013 verpasst.

LT Kelvin Beachum – Jacksonville Jaguars
Beachum ist vielleicht der vielversprechendste Kandidat auf dem Markt. Die Jaguars haben sich dagegen entschieden, den Vertrag nach einer Saison zu verlängern. Der Tackle kam 2012 als 7th-Round Pick zu den Pittsburgh Steelers, wo er in seiner Rookie-Spielzeit fünf Spiele von Anfang an bestritt. Der 27-Jährige erkämpfte sich in der Folgesaison den Startplatz und überzeugte vor allem im Pass Blocking. Das Jahr 2015 endete für ihn aufgrund eines Kreuzbandrisses vorzeitig im Oktober und beendete auch seine Zeit in Pittsburgh.
In der Folgesaison heuerte Beachum bei den Jaguars an und absolvierte dort 15 Spiele von Beginn an, eins verpasste er mit einer Gehirnerschütterung. Seine Noten schwankten je nach Plattform. Er war zwar verantwortlich für 49 Pressures, ließ mit der O-Line insgesamt aber nur 34 Sacks zu – die wenigsten seit der Saison 2007 (31). Das war nach einer schweren Verletzung ein solides Comeback.
Mit Blick auf 2017 sind weitere Verbesserungen zu erwarten, wo auch immer Beachum am Ende landet. Deshalb ist die Entscheidung der Jaguars auch nicht ganz nachvollziehbar. Die Seahawks hatten den Free Agent übrigens bereits 2016 zum Probetraining vor Ort, dieser entschied sich dann jedoch für Jacksonville. Vielleicht klappt’s ja diesmal.

Weitere Optionen für OT

Neben den vier genannten Spieler gibt es weitere O-Liner, deren Verträge auslaufen. Sie werden am 9. März Free Agents, wenn sie sich mit ihren aktuellen Teams nicht bis dahin über eine Vertragsverlängerung einig geworden sind. Wenige Tage vor der Free Agency dürfen sie bereits mit anderen Teams sprechen, aber noch keinen Vertrag unterschreiben.

LT Andrew Whitworth – Cincinnati Bengals
Whitworth ist zwar bereits 35 Jahre alt, verfügt aber dadurch auch über genau die Erfahrung, von der die junge Offensive Line der Seahawks profitieren könnte. Zudem ist er erstaunlich fit und war über seine gesamte Karriere hinweg nie ernsthaft verletzt. Seit seiner Rookie-Saison 2006 absolvierte er 164 von 168 Spielen, zuletzt verpasste er 2013 zwei Spiele. Sein Alter könnte auch zum Vorteil werden, da er auf dem Markt wohl keinen teuren Vertrag mehr erhalten wird. Sollten die Bengals ihn nicht erneut verpflichten, ist die Wahrscheinlichkeit für einen Wechsel zu einem Titelfavoriten, mit dem er einen letzten Anlauf versuchen kann, groß.

LT Matt Kalil – Minnesota Vikings
Der 4th-Overall Pick im NFL Draft 2012 konnte den Erwartungen an seine Person selten gerecht werden. Nach einer vielversprechenden Rookie-Saison baute er kontinuierlich ab, was am Ende dazu führte, dass er – auch aufgrund von einer Verletzung (Injured Reserve) – von Jake Long ersetzt wurde.
Warum könnte er trotzdem ein Kandidat für die Seahawks sein? Head Coach Pete Carroll rekrutierte und trainierte einst sowohl Matt als auch seinen älteren Bruder Ryan für die USC Trojans.
Zudem erfüllte Kalil, bevor er in die Liga kam, die Ideale, die O-Line Coach Tom Cable und Pete Carroll für ihr System als wünschenswert vorgeben: 9-Foot Standweitsprung, 31-Inch Standhochsprung und 27 Versuche beim Bankdrücken.

RT Breno Giacomini – New York Jets
Ein weiterer ehemaliger Seahawk. Giacomini zog es nach dem Super Bowl-Titel in der Offseason 2014 an die Ostküste. In Seattle hatte er von 2011 bis 2013 zuvor 33 Spiele von Beginn an absolviert, wurde aber als schwächstes Glied in der damaligen O-Line und damit als ersetzlich betrachtet. Das war wohl eine Fehleinschätzung. Seit seinem Weggang haben die Seahawks erfolglos versucht, einen neuen Spieler auf Right Tackle zu etablieren. Justin Britt startete 2014 in 16 Partien, wurde dann aber nach innen verlegt (und ist inzwischen als Center gesetzt). In den vergangenen zwei Jahren füllte Gary Gilliam die Position aus, konnte aber nie endgültig überzeugen.
Giacomini bringt die Physis und Garstikgeit mit, die sich Seattle von einem O-Liner erhofft. 2015 absolvierte er für die Jets jedoch aufgrund immer wieder zurückkehrender Rückenprobleme nur fünf Spiele. Nach einer Operation wird er voraussichtlich zum Training Camp wieder auf den Beinen sein. Wie Okung wäre auch er eine eher kurzfristige Lösung, die den Seahawks bei der Suche nach einer langfristigen Lösung (die der NFL Draft 2016 aufgrund von fehlender Tiefe bei den O-Linern womöglich nicht hergibt) Zeit verschafft.

Preislicher Rahmen

Wenn die Teams sich hier nicht unnötig zu überhöhten Summen anstacheln, könnten alle hier genannten Optionen für einen Einjahresvertrag zwischen $4 und $6 Millionen zu haben sein. Das ist mit Blick auf die Salary Cap machbar. Einen Veteran mit großer Erfahrung basierend auf einem kurzen „Prove it“-Deal zu verpflichten, könnte bezüglich Entwicklung und Tiefe der O-Line 2017 helfen.

Sollten außerdem noch weitere Offensive Tackles in die Free Agency gehen, wirkt sich das steigende Angebot positiv auf den Preis aus, denn der sinkt dann.

Mitarbeit: Mario Kluckow