Nachgehawkt: Selbstgespräche

Nachgehawkt Maximilian Länge

Hui, die letzte Ausgabe Nachgehawkt ist schon verdammt lange her. Zwischen ihr und der heutigen Runde liegen der Ausbruch einer Pandemie, ein Schwimmkurs für DK Metcalf, eine Free-Agent-Hund-Verpflichtung im Hause Länge und fünf Siege in Serie der Seattle Seahawks. All diese Dinge – aber nicht nur die – werfen Fragen auf. Diesen möchte ich mich heute widmen. Sitz, Pfötchen und ab geht’s!

In der Rubrik „Nachgehawkt“ beantworten Autoren der German Sea Hawkers e.V. in unregelmäßigen Abständen Fragen rund um die Seahawks, die besten Aussichtspunkte in Seattle, wilde Gerüchte, gutes Essen aus dem Pacific Northwest und Pete Carrolls Lieblingskaugummi, die auf Twitter oder in anderen Social-Media-Kanälen gestellt wurden.

@Night_NGT fragt: „Wo wird Jamal Adams wohl mehr gebraucht; Pass Rush oder Coverage?“

Ich glaube da weiterhin an eine gute Mischung aus Pass Rush und Coverage. Es gibt ein paar Zahlen, die die Defensive Line der Seahawks nicht so schlecht aussehen lassen, wie wir alle vermuten – die Pass Rush Win Rate zum Beispiel:

Das Problem: Seattle bringt die Jagd scheinbar nicht zu Ende – ob über registrierten Druck oder Sack. Irgendwie entwischt ihnen der Quarterback noch zu oft durch Play Action oder einen Wackler oder bedingt durch schlechtes Tackling im entscheidenden Moment. In diesem Bereich ist Jamal Adams vielleicht der Spieler, der den Rush im dann freien Feld am konsequentesten fertig spielt und damit in der Statistik auftaucht. Seine Konsequenz, Agilität und Wendigkeit fehlte den Seahawks zuletzt, wenn man den Zusammenhang zwischen den folgenden Werten zu verstehen versucht:

Dass Adams‘ Aktivität an der Line of Scrimmage Lücken in der Secondary hinterlässt, halte ich für weniger problematisch, solange seine Rush-Aktivitäten nicht krasse Überhand nehmen. Das glaube ich aber nicht, weil die restlichen D-Liner inklusive Rückkehrer Rasheem Green ihre Closer-Qualitäten entdecken. Und ich denke, dass die restliche Secondary der Seahawks in ein paar Spielen bereits deutlich besser auf die Rush-Aktionen von Jamal Adams vorbereitet sein wird. Wir haben bislang nur gut zweieinhalb Spiele von Seattles Verteidigung mit Adams gesehen. In diesen konnte die Einheit noch garnicht eingespielt sein. Zur Saison-Halbzeit sieht dann alles anders aus.

@hummelmax will wissen, wie gut seine Seahawks-Takes von vor der Saison gealtert sind?

Ist es traurig, wenn ich mir selbst Fragen stelle? Vielleicht ein bisschen. Aber ich versuche dabei, mich meinen Fehleinschätzungen aus der Saisonvorbereitung zu stellen.

Komplett falsch lag ich bei Cornerback Tre Flowers, dem ich eine deutlich verbesserte dritte Saison zugetraut hatte. Bislang sieht es aber eher so aus, als knüpfe er an das Jahr 2019 an. Bei der O-Line war ich skeptischer als viele Fans und bin daher positiv überrascht – vor allem von Ethan Pocics Center-Qualitäten und Rookie-Guard Damien Lewis. Gejammert habe ich vor der Runde mehrfach darüber, dass die Seahawks die erneute Verpflichtung von Defensive End Jadeveon Clowney verpennt haben. Bisher erweist sich das aber als eine gute Entscheidung. Clowney spielt bei den Tennessee Titans keine besondere Rolle und ist sogar noch sacklos. Dummerweise geht es einem Großteil der Seahawks-D-Line ähnlich…

Stolz bin ich darauf, dass ich meine Hoffnung in Head Coach Pete Carroll nie ganz aufgegeben habe und immer irgendwo ein wenig mit einer überraschenden Wende des sturen Cheftrainers hin zu „Let Russ Cook“ gerechnet (oder darauf gehofft) hatte. Eine kleine Ehrenrunde laufe ich für meine Takes zur Defensiv-Formation der Seahawks, denn da war ich stets davon überzeugt, dass Seattle nicht aus Spaß an der Freude viel Base spielt. Das passierte schlicht, weil das Personal fehlte oder aus Sicht der Trainer nicht bereit war. 2020 ist so viel anders.

Alles in allem Licht und Schatten, wie auch bei den lieben Kollegen.

Zuletzt sei noch einleitend zur nächsten Frage erwähnt, dass ich bei Linebacker K.J. Wright wie viele Experten lange Zeit davon ausging, dass er für einen Pass-Rush-Neuzugang noch vor der Saison dem Cut zum Opfer fallen würde. Wie falsch ich doch liegen sollte. Inzwischen beschäftigt uns bei Wright eine ganz andere Frage:

@Elgodowski rätselt, wie die Seahawks in der Offseason mit dem stark aufspielenden Linebacker K.J. Wright umgehen werden.

Das ist eine berechtigte Frage, denn Wrights Vertrag läuft nach der Saison 2020 aus. Bis heute hat der Linebacker bei den Seahawks, die ihn 2011 in die Liga holten, knapp 40 Millionen US-Dollar verdient. In dieser Spielzeit ist seine Cap-Belastung mit etwa 10 Millionen so hoch wie nie zuvor – und glücklicherweise spielt Wright mit nun 31 Jahren vielleicht auf dem besten Niveau seiner Karriere.

Ich glaube, viele Experten hatten gehofft, dass der alternde Footballer-Körper von Wright uns die Entscheidung in Bezug auf seinen Vertrag abnehmen würde. Knieprobleme in den vergangenen Jahren, wegen Verletzungen nur fünf Spiele im Jahr 2018, eine Schulter-Operation in der abgelaufenen Offseason – der Weg zurück würde ein harter sein für den Veteran. Aber er war wohl nicht zu hart.

Nach zehn Jahren in der NFL muss sich K.J. Wright unabhängig vom Ausgang dieser Runde nichts mehr beweisen. Nicht finanziell, nicht sportlich – und schon garnicht körperlich. Ich gehe nicht davon aus, dass der smarte Wright andernorts noch scharf auf eine Herausforderung wäre, wenn es bei den Seahawks nichts mehr wird. Die Frage ist hier eher: Karriereende oder weitermachen?

Ob es bei den Seahawks etwas wird, das hängt aus meiner Sicht also vor allem von Wright selbst ab. Seattle wird ihm auf keinen Fall mehr die 10 Millionen US-Dollar oder fünf Prozent des verfügbaren Gesamt-Teamgehalts geben, die sie ihm in dieser Saison bezahlen. Die Seahawks steuern hart auf eine brenzlige Salary-Cap-Situation zu. Quinton Dunbar, Shaquill Griffin und Chris Carson wollen 2021 bezahlt werden, Jamal Adams und Quandre Diggs spätestens ein Jahr später.

2019 spielte Wright nach der Verletzungspause für recht teamfreundliche 5 Millionen US-Dollar. 2021 könnte die Gehaltsobergrenze sinken. Falls sich der Linebacker die Schinderei noch einmal für unter 5 Millionen (mehr wird John Schneider nicht rausrücken) vorstellen kann und die Seahawks in dieser Saison nicht den Titel holen, dann wird’s vielleicht was mit Jahr elf. Sonst macht er halt Feierabend.

@Donsta911 hat – vermutlich aus Mitleid mit einem seltsamen Kollegen, der sich selbst mit Mailbag-Inhalt füttert – eine Reihe von Fragen gestellt:

Ich beantworte jede Frage recht kurz mit ein, zwei Sätzen, sonst ist im Internet kein Platz mehr für Texte von anderen Menschen:

  • Darüber regt sich Punter Michael Dickson auch nach jedem Kunstwerk auf, das er in den Himmel malt. Aber frag das mal lieber die NFL, die mit ihren Pro-Passspiel-Regelanpassungen, -änderungen und -überkorrekturen Negativrekorde fördert. Kurz nach den Spielen bin ich da auch immer kurz im Panikmodus, aber ein paar Tage später finde ich das alles nicht mehr so schlimm. Die Seahawks werden sich fangen.
  • Ich glaube, Griffin gefällt den Verantwortlichen in der Spy-Rolle inzwischen ganz gut.
  • Eine langweilige, findet zumindest Gregg Williams. Eine zu weiche aktuell, finde ich. Cover-3 Zone mit Single High Safety. Pete Carrolls Mantra: keine tiefe Completion über die Deckung hinweg zulassen.
  • Good one! In der Laufverteidigung nicht, nein. Man sollte da immer Lauf und Pass getrennt beurteilen. Im Passspiel womöglich schon, wobei gerade Nickel-Cornerback Ugo Amadi in vielen Situationen noch den engagiertesten Eindruck hinterlässt.
  • Mit diesem sogenannten Querdenken muss man ja aktuell ein bisschen aufpassen. Aber hier passt „Thinking inside the skybox“ vielleicht ganz gut.

https://twitter.com/Donsta911/status/1318886341254533120

Weiter geht’s:

  • Ursprünglich aus Hammond (Indiana). Zu den Seahawks über die Philadelphia Eagles (Undrafted Free Agent) und Atlanta Falcons (Practice Squad) in der Saison 2019. Und dort dann auch wieder aus der Practice Squad. Ich bin mir aber nicht sicher, ob wir nach Jamal Adams‘ Rückkehr noch viel von ihm sehen werden, außer vielleicht mal anstelle von Lano Hill in der Dime-Formation.
  • Weil die Wide Receiver und Running Backs ihnen die Touchdowns (11) wegpflücken. Und die Seahawks öfter mal überhaupt nicht durch die Redzone gehen müssen, weil sie über den Tiefpass (4) das gelobte Land erreichen. Trotzdem durften drei Tight Ends bereits jeweils einmal jubeln: Greg Olsen, Jacob Hollister und Will Dissly.
  • Der Deal, der Ryan Kerrigan vom Washington Football Team involviert, ist kein Geheimtipp mehr. Der Veteran spielt in der US-Hauptstadt bei Ron Rivera mit auslaufendem Vertrag nur noch eine untergeordnete Rolle, seit die neue Generation um Chase Young und Montez Sweat übernommen hat.
  • Mehr enge Manndeckung. Besonders bei Quinton Dunbar würde ich das gerne öfter sehen.
  • Ja. Vor dem Einsteigen aber bitte unaufgefordert neben dem Corona-Test (nicht älter als 24 Stunden) noch die ärztliche Bescheinigung für ein gesundes Herz vorzeigen.
  • Nie gehört. Vielleicht der Bruder von Manti Te’os Freundin?

@SchnitzelJohn fragt: „Welche Gründe könnte es dafür geben, dass Josh Gordon noch nicht wieder „reinstated“ wurde und wann könnte ggf. damit gerechnet werden?“

125 Tage sind inzwischen vergangen, seit Wide Receiver Josh Gordon im Juni seine Wiederzulassung für den Spielbetrieb beantragt hat. Die Bearbeitung seines Gesuchs ist damit exakt seit 65 Tagen überfällig. Laut Tarifvertrag zwischen NFL und Spielergewerkschaft NFLPA müssen derartige Anträge innerhalb von 60 Tagen bearbeitet werden. Neben Gordon wartet auch Defensive Lineman David Irving auf eine Nachricht von der Liga.

Head Coach Pete Carroll hatte am Mittwoch in seiner Pressekonferenz keine Neuigkeiten für die Journalistinnen und Journalisten. Er wisse genauso viel wie sie, sagte der Cheftrainer: „Leider warten wir weiterhin auf Neuigkeiten von der Liga.“ Zwischen Gordon und den Seahawks gibt es eine Vereinbarung, doch ohne Wiederzulassung kann der Spieler nicht beim Team unterschreiben.

Gordons Suspendierung im Dezember wegen Drogenmissbrauchs und Dopings war seine sechste überhaupt in der NFL und die fünfte für den Gebrauch verbotener Substanzen. Gründe für die Hängepartie zu finden, wäre komplette Spekulation. Ich könnte mir vorstellen, dass das Doping hier die Lage verkompliziert. Zuvor war Gordon immer für Drogenmissbrauch gesperrt worden (und einmal für die Missachtung von Teamregeln bei den Cleveland Browns). Nun ist erstmals auch von einer Substanz die Rede, die unter NFL-Richtlinien unter Doping fällt.

Trotzdem bleibt es schwierig, hier irgendwas zu prognostizieren. Wir wissen leider nicht einmal, in welchem Stadium sich der „Reinstatement“-Prozess aktuell befindet. Hängt’s am Arzt, hängt’s am Spieler, hängt’s am Commissioner?

@MarcoUltra1 will wissen, wie interessiert die Seahawks an einem Spiel in Deutschland wären (sobald die Covid-19-Pandemie unter Kontrolle ist).

Ich wünschte, ich könnte Dir hier mehr als Phrasen geben. Wir wissen bei den German Sea Hawkers aus erster Hand, dass die Seattle Seahawks beeindruckt waren vom Empfang in London, als sie 2018 im Wembley Stadium spielten. Wir wissen aber auch, dass diese Reisen mit einem enormen logistischen Aufwand verbunden sind für die Franchise – besonders, wenn man von der Westküste kommt.

Gehen wir mal davon aus, dass Corona die NFL-Planungen für internationale Spiele zurückgeworfen hat. 2020 waren die Seahawks wieder ein Kandidat für London. Dieses Gerücht hielt sich zumindest lange hartnäckig. 2021 wird die Liga wohl zunächst wieder versuchen, die Standorte Mexiko-Stadt und London zu bedienen. Gedanken über ein Spiel in Deutschland oder China wird sie sich dann womöglich frühestens mit Blick auf die Saison 2022 machen.

Unabhängig davon wissen die Seahawks, dass Deutschland für sie ein großer Markt ist. Russell Wilson weiß das auch, denn er hat auch schon mehrfach erwähnt, dass Deutschland auf seiner Bucket List steht. Ob Du da jetzt für die kommenden Jahre große Hoffnungen rein investierst oder dem Marketing-Genie Wilson doch nicht jedes Wort direkt abkaufst, bleibt Dir überlassen. Dass er in der Offseason im Normalfall große Reisen macht (zuletzt Südafrika, Brasilien, China), ist jedenfalls bekannt.

@MisterOktopus fragt, welchen Spieler die Seahawks als Gegenwert und Salary-Cap-Entlastung per Trade abgeben sollten, falls sie wirklich an Defensive End J.J. Watt von den Houston Texans interessiert sind. Sein erster Gedanke: Wide Receiver Tyler Lockett. Die Idee zum Tausch kam unter der Woche von Spox-Redakteur Adrian Franke.

Unabhängig davon, dass ich den Trade für nicht besonders wahrscheinlich halte, weil Watt – wie Adrian Franke erwähnt – das Gesicht der Franchise ist, ist das ein spannender Gedanke von Dir. Mir fallen Gründe für und gegen diesen Tausch ein. Dafür spricht, dass Tyler Lockett gerade 28 Jahre alt wurde. Okay, das klingt jetzt komplett bescheuert, denn 28 ist ja eigentlich noch kein Alter. (Das sage ich mir selbst auch jeden Tag beim Aufstehen, wenn der Rücken schmerzt.)

Davon schrieb zuletzt Kenneth Arthur in seinem „Seaside Joe“-Newsletter: Wenn man den Blick auf die NFL wirft, dann findet man nur noch wenige Receiver, die mit 30+ zur Elite in der Liga gehören. Aktuell sind das Julian Edelman (34), Julio Jones (31), Cole Beasley (31) und Adam Thielen (30). Könnten die Seahawks also hier zum richtigen Zeitpunkt abspringen, bevor Lockett zum alten Receiver-Eisen gehört, das nicht mehr super produktiv ist? Gibt es nicht immer mehr gute Draft-Klassen mit jungen Passempfängern, die auf Rookie-Verträgen spielen?

An der Stelle könnte man kurz erwähnen, dass die Pittsburgh Steelers in der 2. Runde 2020 an 49. Stelle direkt hinter den Seahawks Wide Receiver Chase Claypool auswählten, während Seattle Defensive End Darrelle Taylor für die Injured-Reserve-Liste buchte. Hach ja, im Nachhinein ist alles so einfach.

Was dagegen spricht: Tyler Locketts Verbindung mit Russell Wilson ist noch immer fantastisch. Der Receiver hat in dieser Saison bereits vier Touchdowns gefangen und ist die wichtigste Anspielstation bei Scramble-Drills. Wir wissen nicht im Detail, wie wichtig er für die Freiräume von DK Metcalf ist. Kann David Moore oder Phillip Dorsett die Rolle als neuer Nummer-zwei-Receiver ausfüllen oder müssen die Seahawks sich dafür den notorischen Egoisten (darf ich – jemand, der sich selbst Fragen stellt – das sagen?) Antonio Brown holen?

Wäre Bill O’Brien noch verantwortlich bei den Texans, würde ich vorschlagen, dass die Seahawks Center B.J. Finney (teurer Backup) und Tight End Jacob Hollister (Ersatz steht in Colby Parkinson parat) traden oder entlassen. Und dann könnte General Manager John Schneider sich mit O’Brien auf die Teilung der Vertragskosten von J.J. Watt einigen.

Da das aber nicht der Fall ist, würde ich persönlich auf den Trade verzichten, mir nicht einreden, dass Tyler Lockett alt ist, und stattdessen ein, zwei mittelwertige Picks für Ryan Kerrigan nach Washington, D.C. schicken.

Über das Kontaktformular auf unserer Website hat uns die Zuschrift von Leser René Meier erreicht, der sich in seinem Kommentar wohl auf den Hall-of-Fame-Text von Jonas Meister aus der Bye Week bezieht: „Ich bin seit 1997 Fan der Seahawks und genauso lange schaue ich schon die Spiele. Ich habe in der Zeit alles erlebt, was rund um die Seahawks passiert ist inklusive Stadionbau per Webcam und alle sportlichen Hochs und Tiefs. Bei den oft aufkommenen Diskussionen über ehemailge Spieler (Hall of Fame usw.) kommt mir einer immer zu kurz, und zwar der historisch zweitgrößte Seahawks-Spieler (nach Russell Wilson): Matt Hasselbeck. Warum findet er so selten Beachtung? Er war es, der (vor 2013) der Franchise den größten Erfolg überhaupt gebracht hat. Beste Grüße“

Gewiss ist Matt Hasselbeck einer der Spieler, die die Holmgren-Ära prägten. Neben Walter Jones, Steve Hutchinson, Robbie Tobeck und Shaun Alexander, Darrell Jackson und Bobby Engram auf Seiten der Offensive. Aber in einem Punkt würde ich vehement widersprechen. Der historisch zweitgrößte Spieler in der Franchise-Geschichte ist – wenn man Russell Wilson schon vor dem Karriereende auf Platz eins setzt – ist Steve Largent. Dann folgen wohl Walter Jones, Cortez Kennedy und Kenny Easley. Hasselbeck würde ich irgendwo am Ende der Top 10 ansiedeln. Vielleicht inzwischen durch Bobby Wagner und Kam Chancellor auch knapp aus den besten Zehn verdrängt.

Die Hall of Fame halte ich bei Hasselbeck für nicht machbar, aus folgenden Gründen: 36,638 Passing-Yards sind zwar im NFL-Vergleich ein fantastischer Wert (unter den besten 30 Werfern). Aber nur 82,3 Quarterback Rating und ein Completion-Prozentsatz von 60,2 rücken die Yards wieder in ein normalsterblicheres Verhältnis. Dazu kommen – auch wenn das kein Ausschlusskriterium ist – in 17 Jahren NFL (zehn in Seattle) keine einzige All-Pro-Saison, nur drei Pro Bowls und nur eine Super-Bowl-Teilnahme (bei sechs Playoff-Teilnahmen mit den Seahawks). 212 Touchdowns bei 153 Interceptions reichen auch nur für ein Quote von 1,39. Damit gehört Hasselbeck nicht zu den 50 besten Spielmachern der NFL-Geschichte. Die Elite befindet sich in dieser Kategorie bei einem Wert zwischen 2 und 5. Russell Wilsons Quote beispielsweise liegt bei 3,46.

Pro Football Reference hat eigens für Diskussionen dieser Art einen „Hall of Fame Monitor“ erstellt, der die Chancen einzelner Quarterbacks berechnet. Dort befindet sich Hasselbeck in Gesellschaft von Matthew Stafford und Daunte Culpepper irgendwo auf den 60er-Plätzen mit einem Score von 42,03. Der durchschnittliche HoF-Spielmacher hat eine Punktzahl von 101.

Für die Pro Football Hall of Fame reicht das bei Hasselbeck demnach nicht. Legendenstatus hat er in Seattle natürlich trotzdem – alleine schon wegen „We want the ball and we’re gonna score“.

@erolcn298 möchte wissen, welche Gründe es aktuell gibt, die Seahawks als Super-Bowl-Contender zu sehen.

Da fallen mir auf die Schnelle doch ein paar ein: Russell Wilson, DK Metcalf, Tyler Lockett, Brian „Skybox Schotty“ Schottenheimer, die revitalisierte O-Line, starke Special Teams, Chris Carson, das Blocking von Travis Homer, Ballgewinne in der Defense.

Wer jetzt die Defensive als zu großes Problem sieht, dem sei gesagt: Es stimmt natürlich, dass die Defensive der Seahawks nicht reif für den Super Bowl ist. Aber wir haben ja erst sechs Spieltage hinter uns, sehen aktuell viele Verteidigungsreihen mit Problemen in der NFL und hatten eine durch Covid-19 sehr ungewöhnliche Offseason. Den Seahawks fehlte außerdem Strong Safety Jamal Adams über zwei Spiele hinweg. Ich erwarte, dass Seattles Defensive – sowohl Pass Rush als auch Passverteidigung – sich in den kommenden Wochen schrittweise verbessert.

Hier noch ein kleiner Vergleich der Seahawks von 2020 mit den Kansas City Chiefs von 2018 (nur erste fünf Spiele):

  • Seattle: 169 Punkte erzielt, 135 Punkte kassiert, 5-0
  • Kansas City: 175 Punkte erzielt, 129 Punkte kassiert, 5-0
  • Russell Wilson: MVP-Favorit, 19 Touchdowns
  • Patrick Mahomes: MVP(-Favorit), 14 Touchdowns (50 am Ende)
  • DK Metcalf: 22 Catches, 496 Yards, 5 Touchdowns
  • Tyreek Hill: 27 Catches, 425 Yards, 3 Touchdowns
  • Seahawks-Defense: 1.852 Yards, 8 Touchdowns durch die Luft kassiert, 7 Interceptions gefangen, 89,7 Passer Rating erlaubt
  • Chiefs-Defense: 1,715, 9 Touchdowns durch die Luft kassiert, 6 Interceptions gefangen, 88.3 Passer Rating erlaubt

Okay, Kansas City gewann in dem Jahr nicht den Super Bowl. Die Chiefs scheiterten in der Overtime an den New England Patriots. Aber sie waren verdammt nah dran. Patrick Mahomes wurde MVP. Ein Jahr später klappte es dann auch mit dem Titel. Kein schlechter Vergleich.

Und zum Abschluss dieser „Nachgehawkt“-Ausgabe: Woran sieht man, dass die Seattle Seahawks und auch wir als unabhängiger Fanklub aktuell viel richtig machen?

Die Trolle – Spaß-Account/Burner hin oder her – kommen bei der gesteigerten Aufmerksamkeit für Team und Fans auch wieder aus ihren Löchern gekrochen.

Ach ja, und den Neuzugang im Team schulde ich Euch noch: