Viermal Hall of Fame: Das sind die legendärsten Seahawks

Hall of Fame Walter Jones

Walter Jones (Foto: imago)

Einmal Hall of Fame bitte für Russell Wilson, Bobby Wagner und Pete Carroll? Auch wenn es wahrscheinlich ist – Sicherheit gibt’s erst mit der Wahl. Tatsache ist aber schon jetzt, dass diese drei Namen für immer mit der bisher erfolgreichsten Ära in der Franchise-Geschichte der Seahawks verbunden sein werden. Denn wenn man den NFL-Kennern Glauben schenken möchte, dann hat das Trio aus Seattle eben schon jetzt durch die Leistungen auf dem Feld und an der Seitenlinie jeweils ein Ticket für die Ruhmeshalle in der Tasche. Im Jahr 2020 ist das allerdings noch Zukunftsmusik. Für den Fall der Fälle, dass die drei Super-Bowl-XLVIII-Champions doch bald eine Bronzebüste in Canton (Ohio) bekommen sollten, sind sie dort aber nicht alleine. Bis heute haben es nämlich schon vier Legenden aus dem Pacific Northwest in die Heiligen Hallen des American Footballs* geschafft.

Mit ihren jeweiligen Teamkameraden waren Kenny Easley, Steve Largent, Walter Jones und Cortez Kennedy zwar nie so erfolgreich wie Wilson, Wagner und Carroll. Dafür brachten alle vier Leistungen, von denen selbst heute – auch außerhalb von Seattle – noch viele aktuelle und ehemalige NFL-Stars in den höchsten Tönen sprechen:

Kenny Easley (Nr. 45), Strong Safety

Bevor Jamal Adams und Kam Chancellor überhaupt das Licht der Welt erblickten, hatte Seattles erster „Enforcer“ seine Karriere bei den Seahawks bereits beendet. Nachdem er 1981 im NFL Draft (1. Runde, Pick #4) und im NBA Draft (10. Runde) von den Chicago Bulls gepickt wurde, entschied sich Kenny Easley schließlich, seine Stollenschuhe am Puget Sound zu schnüren. Eine gute Entscheidung. Schließlich bewies der Strong Safety schon in seinem Rookie-Jahr sein sportliches Talent. Er zeigte damit, warum ihn nach der High School angeblich 350 Universitäten aus den ganzen USA als Athleten für ihr College rekrutieren wollten. Easleys Bilanz am Ende der Saion 1981: drei Interceptions für 155 Return Yards, ein Pick Six und die Wahl zum Defensive Rookie of the Year.

Angeführt von ihrem Star-Verteidiger schaffte es die Mannschaft von Head Coach Chuck Knox 1983 zum ersten Mal in der Teamgeschichte in die Playoffs. Hier war erst im AFC Championship Game gegen den späteren Super-Bowl-XVIII-Sieger Los Angeles Raiders Endstation. Easleys beste Spielzeit war 1984. Auch dank zehn Interceptions (bis heute Franchise-Rekord) wurde er in diesem Jahr zum Defensive Player of the Year gekürt.

Kurz vor Beginn der Saison 1988 musste Kenny Easley seine Karriere allerdings sofort beenden, nachdem er zu den Arizona Cardinals getradet worden war. Bei einer Routineuntersuchung hatte einer der Teamärzte in Phoenix bei ihm Nierenversagen festgestellt. Zu diesem Zeitpunkt war er gerade 28 Jahre alt. Trotzdem hatte sich der Safety bis dahin in nur acht Spielzeiten durch seinen – wie er selbst sagt – bösartigen Spielstil aus harten Hits und viel Geschwindigkeit zu einem waschechten Hall of Famer entwickelt. Die Statistiken des fünffachen Pro Bowlers nach 89 NFL-Spielen: acht Sacks, elf gesicherte Fumbles und drei Touchdowns sowie 32 Interceptions. Zum Vergleich: Richard Sherman brauchte für die exakt gleiche Anzahl 16 Spiele mehr.

Was nach seinem Karriereende zwischen Easley und den Seahawks folgte, war leider eine juristische Schlammschlacht. Der Spieler ging wegen vermeintlichen Behandlungsfehlern nach einer Knöchelverletzung gegen die medizinische Abteilung des Teams vor. Dabei brach er mit der Fanchise sowie ihren Eignern. Erst der neue Seahawks-Besitzer Paul G. Allen konnte die Beziehung zu dem Ausnahmekönner nach 14 Jahren kitten.

So wurde er dann auch 2002 in Seattles Ring of Honor aufgenommen, bevor die legendäre Nummer 45 des Strong Safetys Ende September 2017 in Rente und unübersehbar unter das Dach des CenturyLink Field geschickt wurde. Und knapp einen Monat später und drei Jahrzehnte nach seinem letzten NFL-Spiel war es dann endlich soweit. In Canton bekam der fünffache All-Pro das goldene Ruhmeshallen-Jackett übergestreift.

Steve Largent (Nr. 80), Wide Receiver

Wenn Jerry Rice im Jahr 2004 aus allen Wolken fällt, weil man ihm höchstpersönlich eine Rückennummer anbietet, die zwölf Jahre zuvor offiziell in Rente geschickt wurde, dann hat diese Person sich mit ihren Leistungen als Football-Spieler offenbar viel Respekt erarbeitet. Im Fall von Steve Largent ist das eine maßlose Untertreibung. Denn trotz der Existenz eines gewissen Russell Wilson gilt der Wide Receiver bis heute noch immer als der beste Seahawk aller Zeiten.

Dabei deutete darauf bei Largents Ankunft vor der Saison 1976 rein gar nichts hin. Es war kurz vor Beginn des ersten Training Camps der Franchise-Geschichte. Largent kam als Rookie für einen Achtrundenpick von den Houston Oilers nach Seattle. Richtig rund lief es hier für Nummer 80 zunächst überhaupt nicht. Nachdem er in Texas kurz vor dem Cut stand, ließ er im ersten Training bei den Seahawks nahezu jeden Ball fallen. Körperlich war er nämlich komplett am Ende. Durch ein schnelles Karrierendes drohte finanzielle Unsicherheit. Und so hatte der Alleinversorger seiner Familie schlicht neun Tage am Stück nicht geschlafen. Doch genau diese Fitnessprobleme und die damit verbundenen Drops sollten eine Ausnahme bleiben.

Obwohl er mit 1,80 Meter alles andere als Gardemaß für einen Receiver hatte, glänzte Steve Largent schon wenig später mit einer unfassbaren Fangsicherheit. Dank des Hypes um den ersten Star Wars-Film, der 1977 gerade in den Kinos anlief, gaben die 12s ihrem Superstar den Spitznamen „Yoda“. Der Grund: Selbst ohne die damals noch ziemlich einfachen Football-Handschuhe, zog er die Bälle mit seinen blanken Händen beinahe magisch an. Eben so, als ob die Macht mit ihm gewesen wäre. Auf dem Weg von Rekord zu Rekord spielte es dabei auch keine Rolle wer seinen Quarterback spielte. Zunächst war das Linkshänder Jim Zorn und schließlich Rechtshänder Dave Krieg.

Insgesamt spielte Steve Largent, der bis heute als einer der besten Routen-Läufer der NFL gilt, 14 Jahre für Seattle. Am Ende der Saison 1989 beendet er seine Karriere als Sportler und wechselte für die Republikaner in die Politik. Es war perfektes Timing, denn zu diesem Zeitpunkt hielt er in der Liga alle Receiving-Rekorde! 177 Spiele in Folge mindestens einen Ball und 819 Pässe insgesamt gefangen, 13.089 Receiving Yards sowie genau 100 Touchdowns. Damit war er auch der erste Spieler überhaupt, der diese Marke knackte. Angesichts dieser ganzen Offensiv-Bestmarken ist es dabei schon etwas ironisch, wie Largent sein berühmtestes Play machte. Nämlich ausgerechnet, weil notgedrungen, als Verteidiger:

Während Largent nur einmal ins First-Team All-Pro gewählt wurde (1985), ging es für ihn hingegen siebenmal in den Pro Bowl. 1979 und 1985 fing zudem kein Spieler mehr Yards in der NFL als Seattles Nummer 80. 1988 wurde er für sein Engagement für die Community als bisher einziger Seahawk als Walter Payton NFL Man of the Year ausgezeichnet. Und 1995 schließlich in die Hall of Fame aufgenommen. Dazu ist Steve Largent nur einer von zwei Spielern, die 2020 zum 100. Jubiläum ins Jahrhundert-Team der NFL gewählt wurden und davor seine komplette Karriere im Pacific Northwest gespielt hat. Der andere? „Big Walt“.

Walter Jones (Nr. 71), Offensive Tackle

Sollte Russell Wilson zwischendurch einmal an die legendäre Nummer 71 der Seahawks denken, dann dürfte der Quarterback wahrscheinlich Tränen in den Augen haben. Denn nachdem ihn Seattle im NFL Draft 1997 an sechster Stelle auswählte, wurde Walter Jones in den nächsten 13 Jahren zu einem der besten Offensiv Linemen seiner Zeit. Und das obwohl er 1,96 Meter groß war und in Spitzenzeiten 147 Kilogramm wog. Von seinen unfassbaren Fähigkeiten im Run Blocking profitierte zunächst Running Back Ricky Watters. Der erlief für die Seahawks ab 1998 drei Jahre in Folge über 1.000 Yards.

Fünf Jahre später war dann sein Kollege Shaun Alexander am Zug. Der schaffte auch durch die Blockarbeit von Jones 1.880 Lauf-Yards sowie atemberaubende 27 Rushing Touchdowns und wurde damit zu Seattles bisher einzigen Liga-MVP gekürt. Doch dabei blieb es 2005 nicht. Am Ende der Saison zogen Jones, Alexander und Co. in Super Bowl XL ein. Das erste Endspiel der Teamgeschichte endete allerdings mit einer 10:21-Niederlage gegen die Pittsburgh Steelers.

Aufhalten ließ sich Walter Jones von diesem Nackenschlag aber nicht – im Gegenteil. Bis eine schwere Knieverletzung kurz nach Beginn der Saison 2009 seine Karriere beendete, absolvierte er für die Seahawks insgesamt 180 Spiele am Stück. In jedem davon war der Offensive Tackle Starter. Beeindruckend: Trotz seiner Größe und seines Gewichts war Jones extrem beweglich und verfügte über eine exzellente Technik. Dadurch sammelte er in 13 NFL-Spielzeiten gerade einmal 35 Penalties. Lächerliche achtmal warfen die Schiedsrichter dabei eine gelbe Flagge wegen eines Holdings. Dass dürfte in der jüngeren Vergangenheit alleine beim Gedanken daran wiederum bei Pete Carroll für das ein oder andere Tränchen gesorgt haben.

Für seine Leistungen auf dem Feld wurde Jones im Jahr 2014 in die Hall of Fame aufgenommen. Zuvor wurde er neunmal in den Pro Bowl und viermal ins First-Team All-Pro gewählt. Doch auch abseits des Stadions hatte „Big Walt“, wie ihn seine Freunde schon seit seiner Kindheit rufen, großen Einfluss auf die Gesellschaft in und um Seattle. Als das Team nur einen Tag nach der Ankündigung seines Karriereendes entschied, Jones‘ Nummer 71 in Rente zu schicken, ließ sich auch Christine Gregoire nicht lange bitten. Weil der Offensive Tackle in Washington State so beliebt war und ist, erklärte die damalige Gouverneurin den 30. April im ganzen US-Bundesstaat offiziell zu einem Feiertag, dem Walter Jones Day.

Welche Größe Jones aber auch menschlich mitbringt, zeigte sich vor drei Jahren. Hier rief er nach einem tragischen Verlust die „96 Check“-Kampagne ins Leben:

Cortez Kennedy (Nr. 96), Defensive Tackle

Wenn es um die Hall of Famer der Seattle Seahawks geht, dann werden Spieler, Trainer und 12s weltweit bei der Erwähnung von Cortez Kennedy extrem traurig. Schließlich ist er der einzige aus Seattles Elite-Quartett, der nicht mehr lebt. Am 23. Mai 2017 starb der ehemalige Defensive Tackle im Alter von gerade einmal 48 Jahren nämlich vollkommen unerwartet an Herzversagen. Auch aus diesem Grund rief sein Ex-Teamkollege Walter Jones seine „96 Check“-Kampagne ins Leben. Um Kennedys Trikotnummer 96 zu ehren, ruft der Hall of Famer hierbei jeden dazu auf, jedes Jahr am 6. September (9/6 in US-Schreibweise) Freunde, Kollegen oder Familie anzurufen und – auch wenn es nur kurz ist – zu hören, wie es ihnen geht.

So machte es auch Cortez Kennedy. Denn der griff teilweise nachts um 24 Uhr selbst zum Hörer und rief Bekannte an. Alles nur um sich nach ihnen zu erkundigen. Auch deshalb liebten die Menschen im Pacific Northwest ihren „Tez“ als sanften Riesen (1,91 Meter, 139 Kilogramm). Auf dem Feld war er hingegen ganz anders. Hier war der dritte Pick des NFL Drafts 1990, der 1987 und 1989 mit der University of Miami zweimal die US-College Meisterschaft holte, nämlich eine Urgewalt. Bis zu seinem Karriereende nach der Saison 2000 wurde er in elf Jahren in der NFL zum Phänomen. Er sorgte beinahe alleine dafür, dass die Spielweise für Tackles in der Mitte der Defensive Line neu definiert werden musste. Im Jahr 2020 sind sich viele Football-Experten sicher, dass es Spieler wie Aaron Donald ohne Cortez Kennedy wohl nie gegeben hätte.

In 167 Spielen für die Seahawks (153 davon als Starter) sammelte „Tez“ als D-Liner absurde 668 Tacklings, 58 Sacks, drei Interceptions, forcierte elf Fumbles und sicherte sechs. Seine erfolgreichste Saison hatte Kennedy ironischerweise 1992. Denn während sein Team die Spielzeit mit einer für Seattle historisch schlechten Bilanz von zwei Siegen bei 14 Niederlagen (2-14) beendete, bewies Nummer 96 seine Extraklasse. Mit 92 Solo-Tacklings und keinem einzigen Assist sowie 14 Sacks, konnten die US-Sportjournalisten gar nicht anders. Sie wählten Cortez Kennedy als zweiten Seahawks-Spieler nach Kenny Easley (1984) zum Defensive Player of the Year.

Wie sehr dem Mann, der im US-Bundesstaat Arkansas geboren wurde, seine Seahawks ans Herz gewachsen waren, zeigte sich im Jahr 2002. Nachdem der neunfache Pro Bowler und dreifache First Team All Pro die Saison 2001 ausgesetzt hatte, verkündete er sein Karriereende. Und das, obwohl er noch fit war und daher weiter hätte in der NFL spielen können. Die Möglichkeit wollten ihm mehrere Teams geben und boten Kennedy deshalb auch Verträge an. Doch er schlug alle Offerten aus. Der Grund: Er konnte es einfach nicht übers Herz bringen für eine andere Franschise als die Seattle Seahawks aufzulaufen.

Entsprechend viel Gegenliebe gab es im Schatten des Mount Rainier. 2006 wurde „Tez“ im damaligen Quest Field in den Ring of Honor aufgenommen. Sechs Jahre später, nachdem er es im vierten Anlauf in die Hall of Fame geschafft hatte, wurde dann auch die Trikotnummer 96 pensioniert und unter das Stadiondach gehängt, von wo aus sie jetzt in einer illustren Zahlenrunde – 12, 45, 71 und 80 – auf Seattles zukünftige Hall of Famer auf dem Kunstrasen hinabschaut.

 

*Easley, Largent, Jones und Kennedy absolvierten jeweils ihre komplette Karriere in Seattle. Sie sind aber nicht die einzigen Hall of Famer, die in der NFL unter dem Banner des Fischadlers gespielt haben. So haben es bisher acht ehemalige Seahawks in die Football-Ruhmeshalle geschafft. Die beiden bislang letzten waren Guard Steve Hutchinson (fünf Saisons in Seattle) und Running Back Edgerrin James (eine Saison). Beide sind Mitglieder der Klasse 2020. Vor ihnen wurde folgenden Spielern die Ehre zuteil:

  • 2019: C Kevin Mawae (vier Saisons)
  • 2010: DT John Randle (drei Saisons), WR Jerry Rice (eine Saison)
  • 2006: QB Warren Moon (zwei Saisons)
  • 2004: DE Carl Eller (eine Saison)
  • 1990: FB Franco Harris (eine Saison)