Preview: Regular Season 2021 (Week 2) – Titans @ Seahawks

Das erste Heimspiel vor vollem Haus im Lumen Field  in der Regular Season steht an und es könnte ein echtes Trap Game werden. Die Tennessee Titans wurden in Woche 1 ziemlich brutal von den Divisionsrivalen aus Arizona vermöbelt. Die Seahawks dagegen kommen mit Selbstbewusstsein und einem überzeugenden Sieg in der Tasche aus Indianapolis zurück in die Stadt. Klare Vorzeichen, könnte man meinen?

Auf dem Papier stellt sich die Lage leicht dar: Seattle überzeugte mit einem neuen offensivem Plan fürs Spiel, auch die Defense hielt gut dagegen und vor allem die im letzten Jahr oft gescholtene D-Line konnte auf sich aufmerksam machen. Selbst die in der Offseason oft als Schwachstelle ausgemachte Coverage in der Secondary hielt weitestgehend stabil und ließ nur selten großen Raumgewinn zu.

Auf der anderen Seite des Feldes kam gerade die Offense der Titans gegen die Cardinals nicht zur Entfaltung. RB Derrick Henry hatte einen für seine Verhältnisse äußerst schwachen Tag und wurde oft schon direkt hinter der Line of Scrimmage gestoppt. Auch der neu verpflichtete WR Julio Jones hatte kaum Catches. Die Defense der Titans war mit QB Kyler Murray und seinen schnellen Receivern eindeutig überfordert. Die langen Pässe kamen fast alle an und sowohl WR DeAndre Hopkins als auch WR Christian Kirk verzeichnete jeweils zwei Touchdowns.

Das Spiel:

  • Kickoff: Sonntag, 22.25 Uhr
  • Austragungsort: Lumen Field (Freiluft)
  • Wettervorhersage: 14 Grad Celsius, Regen
  • Schiedsrichter: Ronald Torbet
  • Empfang: NFL GamePass, DAZN, ran
  • Wettprognose: Seahawks -5,5
  • Hashtag: #TENvsSEA

Der Injury Report:

Bei den Seattle Seahawks wirkt die Verletzungslage nach Woche 1 eigentlich entspannt. C Ethan Pocic wurde am Mittwoch auf die Injured Reserve-Liste (IR) gesetzt und kann damit vorerst nicht mehr zum Einsatz kommen. Doch gegen Ende der Woche dürften sich beim Coaching Staff etwas mehr Sorgenfalten im Gesicht gebildet haben. So fällt für den Heimauftakt im Lumen Field bisher noch kein Spieler definitv aus. Am Freitag wurde ein Einsatz Rookie-WR Dee Eskridge (Gehirnerschütterung) und RB Rashaad Penny (Wade) jedoch bereits als unwahrscheinlich eingestuft. Dazu stehen in Sachen „Game Status“ größere Fragezeichen hinter G Damien Lewis (Leiste), DT Bryan Mone (Ellenbogen) und CB D.J. Reed (Wade).

Aufseiten von Tennessee war zum Ende der Trainingswoche definitiv ein Ausfall im Kader zu verzeichnen: der von Rookie-CB Caleb Farley (Schulter). Unklar sind vor der Reise nach Seattle zudem die Einsätze von OLB Bud Dupree und TE Anthony Firkser (beide Knie) sowie die der LB David Long und Jayon Brown (beide Oberschenkel).

Die Matchups:

Seahawks-Passing Offense vs. Titans-Secondary: Unendliche Weiten eröffneten sich für Russell Wilson im Backfield der Colts. Unendliche Weiten eröffneten sich für Kyler Murray im Backfield der Titans. Die Auftaktspiele in der vergangenen Woche können getrost als Blaupause für den Heimauftakt in Seattle genommen werden, es gibt ausreichend Videomaterial und wenn Wilson sich nicht selbst im Weg steht oder die Seahawks-Receiver zu viele Bälle fallen lassen, dann dürfte die Offense der Seahawks die Titans-Secondary rund um den im Pacific Northwest wohlbekannten S Bradley McDougald vernaschen.

Seahawks-Defensive Line vs. Titans-Laufspiel: Die Cardinals schafften es in Woche 1 den Faktor „Derrick Henry“ mit Aggressivität im Tackling fast komplett aus dem Spiel zu nehmen. Genau das muss auch den Seahawks gelingen, sonst wird es ein langer Abend auf dem Platz. Hier kann die D-Line beweisen, wie weit sie wirklich schon ist, wenn sie zeitgleich die Aufgabe hat, Henry zu verteidigen und im Pass Rush zu QB Ryan Tannehill durchzustoßen. Zusätzlicher Faktor: Henry dürfte mit einiger Wut im Bauch laufen, nachdem er einen frustrierenden Saisonstart hingelegt hat.

Seahawks-Secondary vs. Titans-Wide Receiving-Corps: Das doch arg limitierte Wide Receiver-Set der Colts war zum Auftakt in Indy letztlich keine Aufgabe für die Seahawks-Secondary. Mit den WR Julio Jones und AJ Brown kommen da allerdings jetzt zwei ganz andere Kaliber um die Ecke. In Topform streiten sich die beiden mit DK Metcalf und Tyler Lockett um den Titel „Bestes WR-Duo der Liga“ – und zumindest Brown hat am letzten Wochenende bereits gezeigt, was er kann. Mit QB Ryan Tannehill steht zudem ein fähigerer Spielmacher auf dem Platz, als noch am vergangenen Sonntag. Man darf also sehr gespannt darauf sein, was die Seahawks-Secondary und die beiden Starting-CBs Tre Flowers und DJ Reed wirklich auf den Platz bringen kann.

Der X-Faktor: Russell Wilsons Kopf

Seit zehn Jahren wissen die 12s weltweit, was Russell Wilson mit seiner Niemals-Aufgeben-Mentalität zu leisten imstande ist. Dass der Seahawks-QB seinen Kopf gut „ausschalten“ und sich nur auf das Wesentliche auf dem Spielfeld konzentrieren kann, ist auch Trevor Moawad zu verdanken. Noch bevor John Schneider und Pete Carroll ihn im Jahr 2012 drafteten, arbeitete Wilson bereits mit dem Mentaltrainer zusammen. So entstand über Jahre nicht nur eine intensive Arbeitsbeziehung, sondern auch eine tiefe Freundschaft zwischen den beiden Männern.

Als Moawad unter der Woche im Alter von gerade einmal 48 Jahren einem schweren Krebsleiden erlag, war Russell Wilson in seiner Pressekonferenz anzusehen, wie sehr ihn der Tod seines Mentors mitgenommen hatte. Mehr als fünf Minuten sprach er tief berührt über seinen Mentaltrainer, der zum Beispiel nach dem Super Bowl XLIX gegen die Patriots für einen Monat bei Wilson einzog, um sich um ihn zu kümmern und gemeinsam die schlimmste Niederlage in Wilsons Karriere zu verarbeiten.

Wie sehr der Schicksalsschlag Seattles Quarterback auf dem Feld gegen die Titans am Sonntag also beeinflusst, bleibt abzuwarten. Sollte er sich, wie er es so oft getan hat, aber auf die Philosophie von Trevor Moawad besinnen und mental „neutral“ bleiben, dann dürfte die NFL den „alten“ Russell Wilson zu sehen bekommen.

  • Spieler des Spiels: Russell Wilson, weil er mal wieder in guter Form in die Saison geht und auf eine schwache Defense trifft. High-Scoring-Games kennt er – und gewinnen tut er sie fast immer.
  • Statistik des Spiels: Zu sagen, dass Titans-QB Ryan Tannehill der Kunstrasen im Lumen Field nicht liegt, dürfte etwas übertrieben sein. Trotzdem: An Seattle hat Tennessees Spielmacher keine guten Erinnerungen. Seitdem er (wie Russell Wilson auch) im Jahr 2012 gedraftet wurde, spielte Tannehill bislang einmal in seiner Karriere am Pudget Sound. Zum Regular Season-Auftakt 2016 verlor er mit den Miami Dolphins nach einem späten Touchdown von WR Doug Baldwin mit 10:12. Dabei wurde er wie jetzt, fünf Jahre später, zum Saisonstart von der Defense des Gegners malträtiert. Fünfmal wurde Tannehill von der „Legion of Boom“ gesackt. Dazu brachte er hier nur 51,2 Prozent seiner Pässe für 186 Passing Yards an den Mann. Und auch ein Passing Touchdown gelang nicht.
  • Anekdote des Spiels: 1987. AFC Wildcard Game: Houston Oilers vs. Seattle Seahawks. Was das mit unserem Spiel zu tun hat? Dieselbe Begegnung sehen wir am Sonntag auf dem Feld. Klingt komisch, ist aber so. Die Oilers gibt es so nicht mehr, sie zogen kurze Zeit später nach Tennessee und benannten sich in Titans um. Und im AFC Wildcard Game trifft man so schnell auch nicht mehr aufeinander, da die Seahawks ja schließlich mittlerweile in der NFC angekommen sind. Das Spiel gewannen die Oilers übrigens mit 23:20 in der Overtime – hoffen wir, dass es am Sonntag anders ausgeht.

Der Hype-Faktor: Home Sweet Home

We’re back! Back in Lumen Field! Das erste Regular Season-Heimspiel seit Beginn der Corona-Pandemie mit Fans steht an und die Stadt steht jetzt schon Kopf. Freuen dürfen sich die Fans unter anderem auf Macklemore.

Das Fazit:

Was das Spiel zum Trap Game macht: Die Titans können eigentlich mehr. Das wissen wir spätestens seit 2019, als sie überraschend ins AFC Championship Game einzogen. Hier stoppten sie die Kansas City Chiefs. Letztes Jahr ging die Reise zwar schon in der Wild Card Round zu Ende, doch die Titans haben ein mit Stars gespicktes Team. Und das ist jederzeit zu einem Sieg in der Lage. Die Offense ist schwer zu bespielen, gerade wenn man in Rückstand gerät und Tennessee die Uhr mit seinem Laufspiel strapazieren kann.

Andererseits spricht das Potenzial der Seahawks-Offense eine deutliche Sprache – und die heißt Russell Wilson. Bringt der Quarterback ein so gutes Spiel wie in der vergangenen Woche, dann ist Seattle der Sieg nicht zu nehmen. Meine Prognose: Es wird trotzdem knapp und vor allem ein High-Scoring-Game.

Prognose: Die Seattle Seahawks gewinnen 38:33.