German Football Doc #5: Herr Dr. Grünwald, an wie vielen Knien kann sich ein Spieler verletzen?

Es war genau die Szene, auf die man sich irgendwie schon eingestellt hatte: Doug Baldwin am Boden. Der Wide Receiver ging angeschlagen in die Regular Season 2018, hatte seit der Vorbereitung Probleme mit dem rechten Knie. Nun lag er auf dem Spielfeld im Broncos Stadium at Mile High und konnte nicht weitermachen. Entgegen der ersten Vermutung war es jedoch nicht Baldwins rechtes Knie, das ihn außer Gefecht setzte, sondern das linke. Denvers Nose Tackle Domata Peko Sr. war dem Passempfänger ins Kniegelenk gefallen, als dieser im ersten Quarter gerade einen Gegenspieler blocken wollte. Baldwin konnte nach ärztlicher Untersuchung nicht aufs Feld zurückkehren. Die Diagnose am Abend der Niederlage: Innenbandverletzung. Konkreter wurde es am darauffolgenden Tag, als Insider von einem Teilanriss des Innenbandes zweiten Grades berichteten. An wie vielen Knien kann ein Spieler gleichzeitig verletzt sein, Herr Dr. Grünwald?

„Ich hatte schon damit gerechnet, mich in dieser Saison nochmals zu Doug Baldwin äußern zu müssen. Leider kommt es jetzt so. Die Teilruptur von Baldwins Innenband wurde inzwischen genauer definiert. Zweiten Grades bedeutet, dass das Kniegelenk in Streckung und in 30-gradiger Beugung bis zu zehn Millimeter weit aufklappbar ist nach außen, wie bei X-Beinen. Das sollte so natürlich nicht sein.

Normalerweise ist das eine Verletzung, von der im American Football die Center und Guards betroffen sind, weil sie oft dem direkten Kontakt am Knie ausgesetzt sind, beispielsweise, wenn Knie auf Knie oder Helm auf Knie prallt. Die Line-Spieler tragen deshalb oft Orthesen zur Stabilisierung der Kniegelenke. Diese wiederum sind nicht unumstritten, weil sie nur dann wirklich helfen, wenn sie zu 100 Prozent perfekt sitzen.

Über diese Diagnose bei Baldwin bin ich inzwischen fast schon froh, denn beim Anschauen des Spiels sah es zunächst aus, als könnte da Schlimmeres passiert, sprich das vordere Kreuzband in Mitleidenschaft gezogen worden sein. Nicht ohne Grund kursiert im medizinischen Bereich der englische Begriff Unhappy Triad, auf deutsch unglückliche Triade. Dieser beschreibt die Kombination aus einem Riss des vorderen Kreuzbandes, des Innenmeniskus und des Innenband.

Wenn nur das Innenband betroffen ist, gerade bei erstem und zweitem Grad, wird oft konservativ behandelt, also ohne Operation. Ausschlaggebend ist dafür bei Leistungssportlern, ob das angerissene Innenband noch straff ist oder aber gewellt. Ist Letzteres der Fall, tendieren die Ärzte zumindest hier in Europa zur OP. Wie das in den USA gehandhabt wird, kann ich nicht beurteilen.

Meine persönliche Einschätzung ist, dass Baldwin drei bis vier Monate ausfallen wird, unabhängig davon, ob er operiert wird oder nicht. Das ist die pessimistischste Prognose, aber ich glaube nicht, dass der Wide Receiver so schnell wieder spielen kann, denn das Innenband wird bei schnellen Bewegungen stark beansprucht. Sobald feststeht, ob er operiert werden muss, wird dann auch die Entscheidung getroffen werden, ob er auf der Injured Reserve-Liste landet.

Oftmals verletzen sich Spieler, die schon an einem Knie angeschlagen sind, kurze Zeit später auch am anderen Knie. Bei Baldwin war das nun nicht der Fall. Er hatte einfach nur Pech.“