Fischadleraugen: The price is Wright

K.J. Wright

K.J. Wright (Foto: Seattle Seahawks)

K.J. Wrights zweiter Frühling ist eine der Geschichten der noch jungen Saison. Der Linebacker bestreitet seine zehnte Spielzeit, beweist aber Woche für Woche, dass er trotzdem nicht zum alten Eisen gehört. Viel mehr noch: Wright ist der Leistungsträger in der bis dato nicht überzeugenden Seahawks-Defense. Er ist laut Pro Football Focus (PFF) der beste Defensiv-Akteur der Seahawks und mit weitem Abstand zum Zweitplatzierten (Shaquill Griffin) der Spieler mit der besten Coverage-Note des gesamten Kaders. Das sind Indizien für hervorragende Leistungen, die sich auch bei der Videoanalyse beobachten lassen. Gute Coverage und das Zunichtemachen jeglicher Screen-Pässe, aber auch schwache Hände und gedroppte Interceptions – bei K.J. Wright ist vieles drin.

Bevor ich aber in die Lobeshymnen zur guten Deckungsarbeit von Wright einsteige, möchte ich zunächst eine etwas in Vergessenheit geratene Stärke ansprechen: die Laufverteidigung. In der folgenden Szene ist Wright nicht mal der Spieler, der den Tackle setzt. Er zwingt durch geschicktes Blockieren des eigentlich geplanten Laufweges des Running Backs diesen dazu, den Weg durch die Mitte zu wählen. Dort warten die Mannschaftskollegen von Wright und beenden den Lauf ohne nennenswerten Raumgewinn. Wright ist nicht der Spieler, der hier später in der Statistik auftaucht – und doch hat er maßgeblichen Anteil am Stop.

Jetzt aber zur Coverage von Wright. Zu Beginn des Spielzugs befindet er sich noch an der Line of Scrimmage, stellt für den Quarterback also eine potenzielle Gefahr als Pass Rusher dar. Nach dem Snap bewegt sich Wright im rückwärts laufend nach hinten, er „droppt“ also in die Zonenverteidigung und liest währenddessen den Spielmacher. Ryan Fitzpatrick von den Miami Dolphins erzwingt in Week 4 den Wurf zu seinem Receiver. Wright wehrt den Pass ab, doch eine Interception wäre bei besserer Fangtechnik möglich gewesen. Trotzdem zeigt der Linebacker hier gute Übersicht und den berühmt-berüchtigten Football-IQ: Er suggeriert dem Quarterback so lange wie möglich, dass der Passweg zum anvisierten Ziel frei sein könnte, um dann im richtigen Moment dazwischen zu spurten.

Im folgenden Video springen wir im Kalender eine Woche weiter zum Heimspiel gegen die Minnesota Vikings. Ob Wright die ganze Woche die Ballmaschine bemüht oder einfach einen besseren Tag erwischt hat, wird sein Geheimnis bleiben. Jedenfalls agiert er hier nach einem Play-Action-Spielzug der Vikings ähnlich wie in der vorherigen Szene. Er reagiert erst auf den angetäuschten Lauf, beißt aber nicht komplett zu. Anschließend geht es zurück in die Zone. Quarterback Kirk Cousins forciert den Wurf. Wright gelingt es diesmal nicht nur, den Ball zu einer Interception abzufangen. Er schafft dies sogar in OBJ-esquer Manier mit nur einer Hand. So fangen nur wenige Linebacker einen Ball ab. Das unterstreicht die herausragende Form des Veteranen.

Springen wir wieder eine Woche zurück: Dolphins-Quarterback Fitzpatrick bedient hier einen Receiver auf einer Crossing-Route – ein Passweg, der hinter und parallel zur Line of Scrimmage verläuft. Eine der häufigsten, simpelsten, aber mit der Möglichkeit auf viele Yards nach dem Catch auch sehr gefährliche Route. Der Angreifer kann hier aus vollem Lauf agieren. Er kann die einzelnen Verteidiger, wenn sie in Zonen spielen, einfach düpieren und schlicht abhängen, da sie meist aus dem Stand beschleunigen müssen. Aber auch gegen eine Mann-gegen-Mann-Verteidigung ist der „Crosser“ ein probates Mittel, um Geschwindigkeitsvorteile einzelner Spieler zu nutzen. Hier muss die Offense gute Matchups finden (zum Beispiel Slot-Receiver vs. Linebacker).

Der Dolphins-Receiver läuft vom oberen Rand aus dem Slot seine Route. Er verzögert kurz, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Die Seahawks agieren aus einer Zonenverteidigung. Erwischt der Wide Receiver nach dem Fang einen guten Antritt, ist er im offenen Feld und damit ein schwer zu attackierendes Ziel. Wright handelt hier erneut äußerst umsichtig. Er ist kurz nach der Completion am richtigen Ort, um den Gegenspieler zu tackeln und keine Yards nach dem Catch zuzulassen. Dazu verlässt er die ihm zugeteilte Zone im richtigen Moment – nicht zu früh oder zu spät. Beides kann verheerende Folgen haben.

Zur letzten Szene in der heutigen Analyse ist eigentlich schon alles geschrieben. Trotzdem möchte sie einbauen, denn sie zeigt Wrights enormen Wert für die Seahawks-Defensive. Wieder gelingt es dem Linebacker, den Quarterback in  einen gefährlichen Wurf zu locken. Er wartet lange in seiner Zone, schaut sich mehrfach um und lässt den Passweg offen. Im Moment des Wurfs prescht Wright in den Passweg, nur seine an diesem Tag schlechten Hände verhindern die Interception. Nichtsdestotrotz gelingt Wright hier nah an der Endzone ein Big Play. Er verhindert damit einen Touchdown. Die Dolphins kicken anschließend nur das Field Goal.

Man kann als Fan der Seattle Seahawks nur hoffen, dass K.J. Wright diese Form konservieren kann. Er hat sich nicht als Liebling der 12s oder als Kumpel von Bobby Wagner den Platz im Kader verdient, sondern durch seine Leistung. Nach einer Offseason, in der Wright für viele Experten schon als Cut-Kandidat galt, dürfte das für ihn mit großer Genugtuung verbunden sein.

Der Vertrag des Veterans läuft nach dieser Saison aus. Mit 31 Jahren ist Wright im Herbst seiner Karriere angekommen. Sollte er in dieser Art und Weise den Rest der Saison bestreiten, dürfte eine Vertragsverlängerung aber reine Formsache sein – sollte der Spieler sich nicht dazu entscheiden, seine Karriere zu beenden. In der aktuellen Form würde er eine große Lücke hinterlassen. Hochverdient wäre die Rente nach einer tollen und langen Karriere aber allemal.