See A Hawk: Colby Parkinson

Colby Parkinson (Foto: imago)

Die bereits überbelegte Tight-End-Gruppe der Seattle Seahawks ist um einen Spieler reicher. Nachdem die Position mit Spielern wie Will Dissly, Greg Olsen, Jacob Hollister und Luke Willson schon ordentlich besetzt war, zogen die Seattle Seahawks mit ihrem vierten Pick im NFL Draft 2020 in Person von Colby Parkinson einen weiteren Tight End. Auf den ersten Blick war der Pick durchaus verwunderlich, bei genauerer Betrachtung wird er aber nachvollziehbarer. Will Dissly beendete seine zwei bisherigen Spielzeiten als Profi jeweils mit einer schweren Verletzung frühzeitig. Greg Olsen und Luke Willson sind, bei allem Respekt, im Herbst ihrer Karriere angekommen und stehen beide für nur ein weiteres Jahr unter Vertrag. Jacob Hollister ist ein guter Receiver, aber kein guter Blocker – und auch er steht nur für ein weiteres Jahr im Kader der Seahawks. Zeit, den Blick auf die Saison 2021 zu richten. Hier kommt der Neuzugang von der Stanford University ins Spiel.

In der Rubrik “See A Hawk” stellen wir in unregelmäßigen Abständen Spieler der Seattle Seahawks – oftmals Draft-Neuzugänge – etwas genauer vor.

TE Colby Parkinson

Kurzinfos:

  • College: Stanford (2017-2019)
  • Alter: 21 Jahre (8. Januar 1999)
  • Größe: 201 cm
  • Gewicht: 113 kg
  • Armlänge: 84 cm
  • Handgröße: 24 cm
  • Draft: 4. Runde, Pick #133

College-Statistiken (2019):

  • Spiele: 12
  • Receptions: 48
  • Yards: 589
  • Touchdowns: 1

Werdegang

Colby Parkinson war nach der High School ein Fünf-Sterne-Rekrut und – je nach dem welches Ranking man bemüht – der Top-Tight-End im Rekrutierungs-Prozess. Parkinson entschied sich dann für Stanford, die Universität, auf die er seit der Grundschule gehen wollte. Er erfüllte damit seinen Kindheitstraum. Nach drei Jahren in Stanford meldete sich Parkinson für den NFL Draft an – mit Geburtsjahr 1999 als jüngster Tight End der Klasse.

Videoanalyse

Parkinson bringt eine enorme Größe mit und verfügt dadurch über einen enormen Fang-Radius. Um den großen Radius zu nutzen benötigt man aber auch zuverlässige Hände – vor allem bei voller Körperstreckung. Eindrucksvoll bewies Parkinson am College seine Fangsicherheit: Er lies in der gesamten Saison 2019 keinen einzigen Ball fallen. Parkinson versteht es, sich von engen Manndeckung zu lösen und arbeitet dabei sehr aktiv mit seinen Händen, um sich vom Verteidiger abzusetzen. Im Lauf-Blocking erledigt er seine Aufgabe meist zufriedenstellend, im Pass-Blocking wurde er wenig bis gar nicht eingesetzt. Er läuft seine Routen gut und wird auch oft als Receiver auf der Außenbahn aufgestellt. Diese Variabilität kann ihn für gegnerische Verteidigungen zu einem Matchup-Alptraum werden lassen.

Parkinson ist wahrlich kein Elite-Blocker und in der Hinsicht noch ziemlich roh. Er verpasst auch mal Blöcke komplett. Schlimmer wird es noch, wenn er auf der Außenbahn, also quasi im freien Feld, blocken muss, zum Beispiel bei Screen-Spielzügen. Hier gelingt es ihm oft nicht, Kontakt zum Verteidiger aufzunehmen und den Block zu setzen. Sein fehlender bis kaum vorhandener Einsatz als Blocker in der Pass Protection lässt vermuten, dass Parkinson hier eklatante Schwächen aufweist.

Größte Stärke: Die große Stärke von Parkinson sind ohne Zweifel seine Fähigkeiten als Receiver. Trotz der Größe von über zwei Metern wird er überall auf dem Feld aufgestellt und in der Offensive wie ein Receiver behandelt. Selten sieht man Tight Ends, die als Außenbahn-Receiver aufgestellt werden – für Parkinson ist das kein Problem. In folgendem Video beweist er, warum er in der vergangenen Saison keinen einzigen Ball fallen gelassen hat. Bei voller Körperstreckung gelingt es ihm, den Ball unter Bedrängnis zu fangen. Anschließend schüttelt er den Verteidiger ab und kann noch einige Yards erlaufen.

Größte Schwäche: Vorab: Es war wirklich schwer, einen gelungen Ausschnitt von Parkinson zu seiner größten Schwäche, dem Blocken, zu finden. Offenbar hatte der Trainerstab der Stanford University wenig Vertrauen in Parkinson als Blocker und setzte ihn gemäß seinen Stärken hauptsächlich als Receiver ein. Er ist höchstselten in der Spielfeldmitte oder nah an der Offensive Line aufgestellt zu finden. Dementsprechend unbeholfen sieht sein Block im folgenden Video aus. Der Laufspielzug zur rechten Seite wird frühzeitig gestoppt, obwohl zwei Spieler den Verteidiger auf der rechten Seite aus dem Weg blocken sollen. Parkinson bekommt seine Hände kaum an die Schulterpads des Verteidigers und auch beim versuchten Block auf dem zweiten Level sieht der Versuch, einen Gegenspieler zu finden und zu blocken, wenig engagiert aus. Verwunderlich ist die eklatante Schwäche als Blocker, wenn man Parkinsons Maße betrachtet.

Seahawks-Vergleich: Jacob Hollister – Schwächen als Blocker, stark als Passempfänger.

Fazit

Colby Parkinson ist ein noch sehr rohes Talent. Sein junges Alter ist für mich die enorme Upside, die der Spieler mitbringt. Mit einem Alter von 21 Jahren während seiner Rookie-Saison gehört Parkinson zu den jüngsten Spielern der Liga und bringt alle körperlichen Voraussetzungen mit, um auch ein zumindest passabler Blocker in der NFL zu werden. Was er jedoch sofort sein kann mit seiner enormen Größe und seinen sicheren Händen: ein beliebtes, zuverlässiges Ziel für Russell Wilson in der Seam (Nahtstelle) oder Flat (äußere Zonen bis 10 Yards Entfernung von der Line of Scrimmage). Ein spezielles Einsatzgebiet für Parkinson dürften die Redzone und Endzone sein.

Trotz der eigentlich tief besetzten Tight-End-Gruppe bei den Seahawks ist Parkinson eine sinnige Ergänzung, von der man aber nicht sofort einen Impact erwarten kann oder muss. Sollten die restlichen Spieler der Unit fit und verfügbar sein, kann es sogar sein, dass Parkinson im ersten Jahr nur wenige Snaps sehen wird. Es sei an dieser Stelle aber erneut daran erinnert, dass die Verträge von Greg Olsen und Luke Willson nur für die kommende Saison gelten. Im zweiten Jahr sollten sich für Parkinson bei entsprechender Entwicklung deutlich mehr Möglichkeiten ergeben.

Das Wenn in Bezug auf die Vollständigkeit der Positionsgruppe ist ein großes, denn vor allem Will Dissly war zuletzt von Verletzungen geplagt. Ob er bis zum Saisonstart fit wird, ist noch nicht abzusehen, auch wenn die Zeichen dafür aktuell gut stehen. Mit Luke Willson und Greg Olsen haben die Seahawks zwei Spieler, die jenseits der 30 Jahre sind. Willson hatte vergangenes Jahr muskuläre Beschwerden, Olsen absolvierte in zwei der vergangenen drei Saisons aufgrund von Verletzungen nur die etwa die Hälfte der Spiele. Mut macht aber die zurückliegende Saison 2019, in der Olsen 14 Spiele machte und „nur“ wegen einer Gehirnerschütterung ausfiel.

Ein anders gelagerter Fall könnte Jacob Hollister sein. Nach seiner ordentlichen Saison 2019, in der vor allem als Receiver die Aufgaben von Will Dissly übernahm, belegten die Seahawks Hollister mit einem Second-Round Tender und verpflichteten ihn damit für ein Jahr und etwa 3,3 Millionen US-Dollar. Sollten die Seahawks nun aber Cap Space benötigen, können sie Hollister entlassen und würden damit das komplette Gehalt einsparen. Eine Option, die man auf jeden Fall im Hinterkopf behalten sollte.