Offense der Seattle Seahawks – Vorschau auf die Regular Season 2023

Seattle Seahawks Wide Receiver DK Metcalf

Foto: Jane Gershovich/Getty Images

Das Warten für die Seattle Seahawks und die eigene Offense hat in wenigen Wochen ein Ende. Denn die Regular Season der NFL anno 2023 steht an und die 12s weltweit sind gespannt, ob das Überraschungsteam der Vorsaison den Kurs Richtung Playoffs hier weiter halten kann. Im Vergleich zum Jahr 2022 haben sich dabei einige Dinge geändert. Nicht nur das Roster ist ein anderes, sondern auch das Gefühl, mit dem die Verantwortlichen sowie die Spieler in die Saison gehen – Stichwort „Erwartungshaltung“.

Waren die Hawks vor einem Jahr noch auf dem Weg in den Rebuild, mit einem abgeschriebenen Quarterback und der Favoritenrolle auf den ersten Pick im Draft, so steht jetzt ein ganz anderes Team da. Und zwar eines, dem auch außerhalb von Seattle gerade in der NFC einiges zugetraut wird. Daher wollen wir Euch in diesem Artikel einen Einblick in die Offense der Seahawks gewähren, Stärken und Schwächen herausstellen und versuchen, Antworten auf die größten Fragen zu geben. Darunter: Kann Geno Smith seine überraschend starke Form halten? Machen die jungen Offensive Tackles Charles Cross und Abraham Lucas den nächsten Schritt nach vorn? Und wie sieht diese Offensive schematisch aus?

Seahawks-Offense 2023: Das Scheme

Dass sich diese Offense schematisch mit nahezu identischem Coaching Staff großartig ändert, ist zu bezweifeln. Warum auch? Sie funktionierte 2022 überraschend gut und gehörte sowohl im Rushing-, als auch im Passing-Game zu den Top 12 der Liga. Im Vergleich dazu können hier 2023 lediglich Nuancen abweichen. So wurden im Training-Camp außergewöhnlich viele Screen-Pässe trainiert – eine offensive Schwachstelle der Seahawks der letzten Jahre. Diese Anpassungen sind möglicherweise ein Verweis darauf, dass Coordinator Shane Waldron die Offense so variabler im Passspiel gestalten möchte.

Ansonsten muss auch über die Formation insgesamt gesprochen werden. Mit Rookie-WR Jaxon Smith-Njigba kommt nun neben Tyler Lockett und DK Metcalf ein dritter starker Passempfänger hinzu. Das könnte bedeuten, dass sich die Offense auf dem Feld vermehrt in 11-Personnel, also mit drei Wide-Receivern aufstellt, was den Fokus auf das Passspiel lenken könnte. Insgesamt ist in Seattle aber eine schematisch ähnliche Offense im Vergleich zum letzten Jahr zu erwarten.

Seahawks-Offense 2023: Die Quarterbacks

Dieses Jahr ist dies eine recht klare Sache: Geno Smith hat sich durch seine außergewöhnliche Comeback-Saison nicht nur einen neuen Vertrag, sondern auch die mittelfristige Rolle des Starting-Quarterbacks verdient. Obwohl er zugegeben vergleichsweise viel Turnover-Glück hatte, war er 2022 ein herausragender Deep-Ball-Passer. Durch sein überragendes Arm-Talent legte er reihenweise Big Plays auf, die elementarer Bestandteil der Offense waren. Doch Geno war mehr als nur das. Sein Verhalten gegen Druck und die Verteilung über die Mitte des Feldes war so gut, wie noch nie zuvor in seiner Karriere.

Ob er das Niveau im Jahr 2023 halten kann, bleibt abzuwarten. Fakt ist aber: Die Seahawks brauchen DIESEN Geno Smith, um eine erfolgreiche Offense zu kreieren. Backup dahinter bleibt Drew Lock. Mit seinem ebenfalls hervorragenden Arm ist ihm zuzutrauen, diese Offensive notfalls für ein paar Drives anzuführen. Die Nummer drei ist Holton Ahlers. Ein eher mobiler und lauflastiger Quarterback, der in der Preseason zu sehen war und wahrscheinlich in Seattles Practice Squad landen wird.

Seahawks-Offense 2023: Die Running Backs

Er kann es nicht lassen! Das dachten sich die 12s wahrscheinlich zum Großteil, als Head Coach Pete Carroll und General Manager John Schneider mit Zach Charbonnet zum wiederholten Male einen Running Back recht früh im Draft auswählten. Und so sehr die 12s diesen Pick auch kritisiert haben, der Plan dahinter ist wohl offensichtlich. Das Backfield soll flexibler gestaltet und Kenneth Walker so entlastet werden. K9 ist nach seiner überzeugenden Rookie-Saison weiterhin die Nummer eins. Der Early-Down-Back mit fantastischer Vision und Speed.

Charbonnet ist dagegen ein anderer Typ Running Back. Er glänzt eher mit seiner Physis. Höchstwahrscheinlich übernimmt er die Rolle als Power-Back mit kurzen, aber wichtigen Läufen bei 3rd&2, 3rd&1 oder allgemein bei einem kurzen Feld in der Redzone. Spät im Draft kam außerdem Kenny McIntosh ins Roster dazu, dessen Stärken vor allem als Receiver auszumachen sind. Auf dem Papier dürfen sich Seahawks-Fans sehr auf diese variable Gruppe freuen. Schließlich ebnet ein funktionierendes Run-Game – wenn die Jungs den gesund bleiben – für eine insgesamt funktionierende Offense.

Seahawks-Offense 2023: Die Wide Receiver

Für die GSH-Redaktion und auch andere Experten außerhalb von Seattle ist das zweitbeste Recveiver-Room der NFL hinter dem der Cinncinatti Bengals. DK Metcalf ist ein klassischer X-Receiver mit Power und Physis. Daneben ist Tyler Lockett einer der vielfältigsten Passcatcher der Liga, den die Coaches auf dem Feld überall herumschieben können. Egal, ob nun „Outside“ sowie innen im Slot oder vertikal über Speed oder kurz über Yards after Catch. Er kann alles. Diese beiden Receiver allein wären mit einer soliden Nummer drei schon beeindruckend gewesen.

Jetzt aber kommt mit Jaxon Smith-Njigba auch noch ein unfassbares Route-Running-Talent dazu, der eine klare Rolle im Slot einnimmt. Natürlich ist JSN ein Rookie und besonders in Anbetracht seiner aktuellen Handgelenksverletzung gilt es hier vorsichtig zu sein. Dennoch hievt er diese Wide Receiver-Gruppe in die Elite und macht Hoffnung, dass die Seahawks 2023 eine der besten Pass-Offensiven der NFL stellen werden. Dahinter wird D’Wayne Eskridge, der ohnehin eine fragliche Zukunft in Seattle hat, die ersten sechs Spiele der Saison gesperrt verpassen. Und natürlich ist hier außerdem – wie schon im Ballhawks-Podcast – noch Jake Bobo zu erwähnen, der eine eindrucksvolle Preseason spielte und der als Receiver Nummer vier gute Chancen auf Einsatzzeiten besitzt.

Seahawks-Offense 2023: Die Tight Ends

Dies ist keine herausragende, aber eine ausgeglichene und interessante Gruppe. Noah Fant zeigte solide Leistungen in seinem ersten Jahr als Seahawk und ist eher als Receiving-Tight End auszumachen. Will Dissly auf der anderen Seite zeigt seine Stärken eher als Blocker. Eine klare Nummer eins ist hier nicht zu nennen. Beide werden dieses Jahr wohl wieder ähnliche Snap-Zahlen bekommen.

Des Weiteren sollte hier zudem Colby Parkinson nicht vergessen werden. Der zwei Meter große Hühne ist zwar definitiv nicht der schnellste oder wendigste Spieler, aber durch seine Maße und Physis mehr als eon reiner Ergänzungsspieler in Seattles Offense und damit auch im 53er-Kader. So sollte etwa sein Touchdown gegen die Denver Broncos in Week 1 aus dem letzten Jahr noch bei vielen im Gedächtnis sein. Pete Carroll und OC Shane Waldron haben hier daher eine Unit auf Augenhöhe, mit der sie in der NFL gut arbeiten können.

Seahawks-Offense 2023: Die Offensive-Line

Die Offensive Tackles sollten hier feststehen. Charles Cross und Abraham Lucas hatten beide keinen einfachen Job, als sie 2022 als Rookies in eine schwache O-Line kamen. Sie spielten keine Traumsaison, aber zeigten konstant gute Leistungen, mit dem ein oder anderen Wackel-Spiel, was jedoch normal ist im ersten Jahr. Tackles benötigen tendenziell etwas länger in der NFL und beide sind hier noch lange nicht am Ende ihres jeweiligen Leistungsspektrums angekommen. Wenn das Duo es schafft, einen Sprung im zweiten Jahr zu machen, dann ist hier die Chance groß, dass sich die Seahawks-Quarterbacks in Zukunft endlich mal wieder auf eine mehr als nur mittelmäßige Protection verlassen können. Wie das ganze Zusammenspiel der O-Line funktioniert, ist jedoch am Ende gerade auch von den Kollegen in der Mitte abhängig. Hier hat Seattle in der Offense vielleicht die größte Kader-Baustelle.

Damien Lewis ist ein etablierter und sicherer Guard für links, wo er gesetzt sein sollte. Dagegen sind die Starter-Positionen des Centers und des Right Guards völlig offen. Evan Brown kam in der Free Agency aus Detroit und kann beides spielen. In seiner Karriere zeigte er bislang durchschnittliche bis mäßige Leistungen. Aktuell sieht es wohl so aus, als würde er die Rolle des Centers einnehmen. Mit Olusegun „Olu“ Oluwatimi bekam er im Draft alledrings auch einen Rookie-Herausforderer an die Seite gestellt. Und auf rechts ist natürlich Phil Haynes zu nennen, dessen Vorsaison eher das Prädikat „naja“ verdient. Auch er bekommt Konkurrenz von einem Rookie, nämlich Anthony Bradford.

Tiefe ist in der Interior Offensive-Line also durchaus vorhanden, was zeigt, dass hier wahrscheinlich viel rotiert und ausprobiert wird. Zusammenfassend hat diese O-Line also viel Potenzial nach oben, kann aber auch mal wieder extrem wackeln. Die Wahrheit liegt vielleicht in der Mitte, sodass sie dann abschließend wohl eine durchschnittliche Unit ist.

Seahawks-Offense 2023: Das Fazit

Diese Offense hat noch Fragezeichen, wie die innere O-Line, Genos Performance oder die Gesundheit von JSN. Gleichwohl ist Zuversicht angesagt, dass die Offensive der Seahawks das letztjährige Niveau nicht nur halten kann, sondern besser ist. Seattle hat Elite-Wide Receiver, ein dynamisches Backfield, einen Quarterback, der mit seinem Arm nahezu jeden Wurf kann und eine Protection mit jungen und wilden Spielern. Die Vorzeichen letztes Jahr waren bedeutend schlechter und trotzdem haben Pete Carroll sowie Shane Waldron eine überdurchschnittlich gute Offense aufs Feld gebracht.

Hier kann man also definitiv davon ausgehen, dass dies eine Top-10-Offense in der NFL ist und Potenzial tendenziell eher für oben als für unten hat. Gerade in dieser NFC mit nur wenigen klaren Top-Teams muss das Team vom Ouget Sound mit diesen Playmakern angreifen. Klar, dafür benötigen sie den Geno Smith aus dem letzten Jahr. Schließlich steht und fällt eine Offensive immer mit dem Quarterback, allerdings hat er nun bessere Umstände noch 2022. Also wie heißt es so schön im Englischen: „The sky is the limit“ für diese Seite des Balles im Jahr 2023.