Recap: Regular Season 2020 (Week 17) – Seahawks @ 49ers

Recap Week 17, 2020 San Francisco 49ers

Die Seattle Seahawks haben sich mit einem schludrigen Sieg den 3. Platz in der NFC – naja, wie soll man sagen – gesichert. Sie spielten gegen die Practice Squad der San Francisco 49ers und traten dabei lange selbst auf wie eine Trainingsmannschaft, für die es um nix geht. Erst im vierten Quarter (Head Coach Pete Carroll wird es in der Kabine bestimmt wieder abgefeiert haben) erwachten Quarterback Russell Wilson und seine Kollegen aus dem kollektiven Arizona-Alptraum und sorgten für einen versöhnlichen Spielausgang.

Direkt vorweg: Auswirkungen auf das Playoff-Ranking hatte die Partie am Ende nicht mehr. Die Green Bay Packers besiegten die Chicago Bears souverän mit 35:16, die New Orleans Saints erledigten die Carolina Panthers ebenfalls klar und deutlich mit 33:7. Und so müssen die Seahawks am kommenden Wochenende nun zum dritten Mal in dieser Saison gegen die an sechster Stelle gesetzten Los Angeles Rams antreten.

Gegen die – ob mit oder ohne Jared Goff (Daumen) und Cooper Kupp (Covid-19) – müssen sie dann einen weiteren trägen Start tunlichst vermeiden. Seattle erzielte in den vergangenen sechs Partien nur ein einziges Mal einen Touchdown im ersten Viertel. Und Seattle erzielte in den vergangenen zwei Partien keinen einzigen Touchdown in der ersten Halbzeit. Kurz gesagt: Seattle hat die Leichtigkeit der ersten Wochen verloren und nie wiedergefunden im Laufe dieser Regular Season. Auch nicht am Sonntagabend gegen die 49ers.

Der Spielverlauf:

  • 1. Quarter: Machen wir’s kurz: Die Seahawks haben zuerst den Ball. Punt, Punt, Punt, Punt. Dann verhindert ein Drop von DK Metcalf („einer der seltenen“ laut Kommentator) das neue First Down. Jason Myers bleibt weiterhin perfekt in dieser Saison und verwandelt sein 23. Field Goal zum 3:0. Seattles Defensive steht weiter stabil.
  • 2. Quarter: Nach dem Seitenwechsel brechen die Seahawks gleich mehrere Rekorde, aber nicht den Verteidigungswillen der 49ers. Erneut stoppt der Drive vor der Endzone und Myers verwandelt sicher. 6:0 Seahawks. In der Offensive bringen die Niners weiterhin nichts zustande, doch Seattle passt sich diesem Niveau an. Die Seahawks-Verteidigung verfällt dann bei Third Downs in alte Muster, was San Francisco letztendlich zum Field Goal (6:3) nutzt.
  • 3. Quarter: Die 49ers eröffnen die zweite Halbzeit mit einem weiteren Field Goal, unterstützt durch eine wie so oft fragwürdige Strafe für „Roughing the Passer“. Die Seahawks punten. Die 49ers gehen mit ihrem dritten Field Goal erstmals in dieser Partie in Führung. Die Seahawks punten. Die 49ers bauen ihre Führung durch einen Touchdown-Lauf von Jeff Wilson über sieben Yards auf 16:6 aus.
  • 4. Quarter: Ganz nach Carroll’scher Vorstellung erwachen die Seahawks im vierten Quarter und finden erstmals die Endzone, weil Russell Wilson außerhalb der Pocket mehr Zeit hat. Tyler Locketts Fang aus sechs Yards stellt den Anschluss her, Myers verhindert mit dem verschossenen PAT wohl eine Verlängerung  (12:16). Und weil die Niners anschließend punten müssen, bekommt Seattle doch noch die Chance auf den Sieg. Ein erneut mobiler Wilson vollendet zum zweiten Mal an diesem Tag auf Tyler Lockett – 19:16 Seahawks und bringt das Spiel wieder in Overtime-Gefahr. San Franciscos Fumble im darauffolgenden Drive aber gibt Seattle die Chance, die Führung auszubauen und den Abend doch noch siegreich zu gestalten. Alex Collins läuft im Stile eines Irish Dancers zum 26:16 in die Endzone (PAT sitzt). Die Niners dürfen in der Garbage Time nochmals übers Feld spazieren und den ursprünglichen Abstand wiederherstellen.

Die Hauptdarsteller:

Restlos bedient: Was soll man groß schreiben zu den ersten drei Vierteln der Partie? Die Seahawks – allen voran Russell Wilson – wirkten in der Offensive höchst verunsichert und hielten sich nur dank ihrer Defensive und einem lange Zeit schwachen Gegner im Spiel. Die O-Line wirkte deutlich schwächer als in den Wochen zuvor. Die Receiver wirkten machtlos gegen enge Deckung der 49ers. DK Metcalf war zum wiederholten Male kein Faktor.

Machen wir uns nichts vor – man kann sich schwertun gegen San Franciscos Defensive, deren Coordinator Robert Salah höchstwahrscheinlich bald irgendwo in der NFL Cheftrainer sein wird. Blickt man aber auf die lange Liste der verletzten Starter, dann muss mehr rausspringen als sechs Punkte aus den ersten drei Vierteln.

Erst als Russell Wilson über Rollouts gegen Ende der Partie mehr Zeit bekam, erzielte Seattle konstant Raumgewinn. Weil der Spielmacher dann weniger zögerlich agierte und seine Kollegen – primär Tyler Lockett – mit Überzeugung und Klasse anwarf.

Rekordverdacht erhärtet: Es war der Tag der Rekorde für die Seahawks. Weil Russell Wilson in dieser Saison oft kochte, purzelten nun am Ende der Saison die Bestmarken der Receiver. DK Metcalf und Tyler Lockett sind nach Brian Blades und Joey Galloway (1995) das zweite Duo in der Franchise-Geschichte, das jeweils 1.000 Receiving-Yards pro Person erreichte.

Lockett brach außerdem den Seahawks-Rekord für die meisten Fänge in einer Saison (Doug Baldwin und Bobby Engram mit je 94). Neuer Bestwert: 100. Er ist auch der sechste Spieler der Seahawks, der in aufeinanderfolgenden Runden Pässe für 1.000 oder mehr Yards fing. Metcalf knackte Steve Largents Bestmarke (1.287) aus der Saison 1985 für die meisten Receiving-Yards der Franchise-Geschichte in einer Spielzeit. Neuer Bestwert: 1.303.

Mehr gefällig? Der PR-Account der Seahawks bei Twitter spamte uns den ganzen Abend mit neuen Bestmarken und Rekorden zu.

Die Nebendarsteller:

Ehrenvolle Erwähnung: DE Benson Mayowa für die deutliche Steigerung im Saisonverlauf – wie die gesamte Defensive. Mayowa war es, der im Hinspiel gegen die Arizona Cardinals mit einer Strafe zur Unzeit den Sieg verspielte. Gegen die Niners kamen seine Sacks zur rechten Zeit. Die Defensive für bis auf den letzten Drive recht solides Verteidigen (gegen einen wohlgemerkt krass dezimierten Gegner) – außer wieder einmal bei den ungeliebten langen Third Downs. K Jason Myers für eine in Bezug auf Field Goals perfekte Saison mit 24 von 24 Versuchen verwandelt. Nur das mit den Extrapunkten (vier verfehlt in dieser Spielzeit) muss er uns bei Gelegenheit mal erklären.

Stets bemüht: QB Russell Wilson ist nicht mehr der Quarterback, der er noch in den ersten fünf Wochen der Saison war. Seine tiefen Pässe sind alle überworfen, seine kurzen oft unpräzise. Das Selbstvertrauen, mit dem er Anfang der Runde Pass um Pass in die Hände seiner Receiver streichelte, ist weg.

Meh: Das Zeitmanagement der Seahawks kurz vor der Halbzeit schrie zum Himmel. Sie vermasselten sich die Möglichkeit, noch einen Two-Minute Drill auf den Rasen zu legen. Die Drops der Receiver beendeten mehrfach Drives. WR DK Metcalf und TE Will Dissly ließen fangbare Bälle fallen und raubten so ihrem Quarterback die Chance, sich ins Spiel hineinzukämpfen. Ach, und was dachten sich die Verantwortlichen dabei, am Ende der Partie einen Spielzug zu callen, anstatt einfach abzuknien? Offenbar ging’s um einen 100.000 US-Dollar-Bonus für WR David Moore. Ist natürlich eine schön Geste und so. Und ja, das Ergebnis war am Ende irrelevant. Aber vielleicht wäre es clever, den nächstes Mal einfach so auszuzahlen, damit sich bei den Spielchen nicht noch jemand verletzt.

Die Highlights:

Das einzig wahre Highlight der Partie? Der Kittle Schorsch mit diesem schönen Griff.

Ex-Rugbyspieler Gerwyn Price hat am Sonntag die Darts-WM gewonnen. Noch-Footballspieler Russell Wilson will ihn wohl nächstes Mal herausfordern?

Gelernt beim Irish Dance.

Die Randnotizen:

  • Konjunktiv, aber: Mit einem Sieg über die New York Giants und dem daraus resultierenden 13-3 hätten die Seahawks sich den 1. Platz in der NFC gesichert. Tja.
  • Die Seahawks blieben am Sonntag ohne Ballverlust, während die 49ers einen Fumble hatten. Vielleicht rettete genau das ihnen den Hintern.
  • Nur vier von zwölf Third Downs (und ihr einziges Fourth Down) verwandelte Seattle gegen die 49ers, denen immerhin sechs von 15 dritte Versuche (und ein vierter Versuch) gelangen.

Die Verletzten:

Left Guard Mike Iupati wurde nicht rechtzeitig fit oder geschont. Tight End Greg Olsen hatte einen Rückfall oder wurde geschont. Für die zwei Veterans rückten O-Liner Jordan Simmons in die Startaufstellung und Tight End Colby Parkinson in die Rotation auf.

Defensive Tackle Jarran Reed und Running Back Chris Carson wurden während der Partie immer wieder kurzzeitig behandelt. Running Back Rashaad Penny hatte nur einen Wadenkrampf. Sein Knie ist in Ordnung.

Später ging auch Strong Safety Jamal Adams angeschlagen vom Feld und kehrte wegen einer Schulterverletzung (andere Seite als Anfang der Saison) nicht mehr zurück. Hoffentlich nur eine Vorsichtsmaßnahme mit Blick auf die Playoffs. Adams‘ Miene am Spielfeldrand nach zu urteilen, könnte die Verletzung aber schlimmer sein. Pete Carroll ließ nach der Partie verlauten, dass die Ärzte für kommende Woche optimistisch sind. Warten wir mal ab, wie es in ein paar Tagen aussieht. Prognosen des Cheftrainers sind immer mit Vorsicht zu genießen.

UPDATE: Im Laufe der Nacht tauchte der Tweet eines Lippenlesers auf, in dem Adams noch während der Partie von einer Labrumläsion an der Schulter erzählt, die er mal in der High School hatte. Das ist natürlich keine finale Diagnose, sondern nur ein Gefühl des Spielers, der seinen Körper recht gut kennen wird. Wir haben deshalb mal unseren German Football Doc um eine Einschätzung gebeten, ob man damit spielen könnte:

„Eigentlich nicht. Zudem treten häufig Begleitverletzungen in der Schulter auf wie eine Verletzung der Bandaufhängung der langen Bizepssehne oder eine knöcherne Impression des Oberarmkopfes. Sehr häufige Ursache der Verletzung ist die Schulterluxation. Auch ohne genaue Kenntnis des Befundes glaube ich, dass Jamal Adams nächstes Wochenende nicht spielen kann. Sein Gesicht spricht da schon Bände.“

Das Zitat:

„Das ist das, was wir wollten.“ -Defensive Tackle Aaron Donald als er erfuhr, dass die Rams in der Wild-Card Round auf die Seahawks treffen

Der Tweet:

Von Largent zu Large Metcalf: „Gut gemacht.“

Das Fazit:

Was nehmen wir mit aus diesem für die Tabelle am Ende unwichtigen Spiel? Zumindest einmal, dass die Green Bay Packers und New Orleans Saints völlig zurecht vor den Seattle Seahawks stehen.

Das Team aus dem Pacific Northwest strauchelt weiter gewaltig in der Offensive. Was oder wer auch immer Quarterback Russell Wilson vor, in oder nach der Bye Week aus der Bahn geworfen hat, steckt noch immer ganz tief in seinem Kopf drin. Wenn man will, findet man auch bei der Defensive weiterhin Kritikpunkte, denn die stand in den vergangenen Wochen keiner guten Pass-Attacke gegenüber und wirkte selbst gegen schwache Teams bei Third Downs oft noch überfordert.

Auf der anderen Seite fanden die Seahawks gegen die San Francisco 49ers spät noch einen Weg, das Spiel zu drehen und hatten deren Offensive über weite Teile des Spiels im Griff. Das war gegen die New York Giants in dieser Saison auch schon anders. In der nächsten Woche – der Woche der Wahrheit – wird sich zeigen, wie beständig Seattle ist. So irrelevant die zurückliegende Partie für die Rangliste sein mag, so wichtig ist sie doch fürs Selbstvertrauen eines in der Offensive angeknockten Teams. Da zählt der Sieg fürs gute Gefühl.

Ausblick: In der Wild-Card Round der Playoffs empfangen die Seahawks am Samstag, den 9. Januar, um 22.40 Uhr die Los Angeles Rams im Lumen Field.