Recap: Regular Season 2020 (Week 12) – Seahawks @ Eagles

Recap Week 12, 2020 Philadelphia Eagles

Die Los Angeles Rams verlieren. Die Arizona Cardinals verlieren. Mit diesen Niederlagen am Sonntag legten die Konkurrenten der Seattle Seahawks um einen garantierten Platz in der Postseason den begehrten „Playoff-Ball“ auf die Ein-Yard-Linie. Im Kampf um die alleinige Spitzenposition der NFC West musste das Team von Head Coach Pete Carroll das imaginäre Lederei gegen die Philadelphia Eagles in der Nacht zu Dienstag im vorerst letzten Primetime-Spiel 2020 nur noch in die Endzone tragen.

Eine Steilvorlage, die die Seahawks zu nutzen wussten. Am Ende Stand nach Monday Night Football ein 23:17-Sieg. Der sorgt dafür, dass Seattle mit einem Record von 8-3 jetzt alleine an der Spitze der Division steht. Der Weg dahin war aber alles andere als schön, denn am Ende war es ein eher schmutziger Erfolg. Trotz Dauerregen am Nachmittag war der in der City of Brotherly Love aber nicht auf das Spielfeld, sondern vor allem auf die Performance von Seattles Offensive zurückzuführen. Frei nach dem Motto: Ein gutes Pferd springt nur so hoch, wie es muss, lieferte die Abteilung Attacke um Russell Wilson nur das absolute Minimum ab.

Grundlage für den Erfolg war dabei die erste Halbzeit, in der sich die Truppe aus dem Pacific Northwest zunächst mit 14:0 halbwegs absetzen konnte. Was folgte, war der Vorsprungs-Verwaltungsmodus, in dem es dank einer starken Defense und einer stotternden Eagles-Offense nach 60 Minuten über die Ziellinie ging. Was bleibt, ist eine schöne Momentaufnahme, die im Angesicht des einfachsten Restprogramms der NFL – Stand jetzt – ziemlich rosig scheint.

Der Spielverlauf:

  • 1. Quarter: Seattle gewinnt den Münzwurf und entscheidet sich, den Ball zu kicken. Trotz einer Strafe gegen Jarran Reed gehen die Eagles nach drei Incompletions direkt wieder vom Feld. Der erste Drive der Seahawks ist geprägt von weiteren Flaggen, diesmal gegen die Gastgeber. Nachdem Cornerback Darius Slay und Defensive Tackle Malik Jackson verwarnt werden, scheitert Wide Receiver David Moore mit einem vierten Versuch kurz vor der Endzone. Ein unglücklicher Spielzug, der aber ohne Folgen bleibt, weil Philadelphia wieder Three & Out geht. Besser machen es Russell Wilson und Co. jedoch auch nicht. Im Gegenteil: Der Quarterback wird beim nächsten vierten Versuch gesackt. Das gleiche Schicksal ereilt Wentz nur drei Spielzüge später beim dritten Versuch, was die Eagles zum nächsten Punt zwingt. Ein Szenario, mit dem sich die Seahawks direkt anfreunden und den Ball ihrerseits ebenfalls weg kicken.
  • 2. Quarter: Nachdem Rookie-Quarterback Jalen Hurts bei Philadelphia seinen ersten Snap bekommt, ersetzt ihn beim nächsten Play wieder Wentz, bevor der sofort von der heißen Defense der Seahawks zu Boden gebracht wird. Eine Einladung, die Seattles Offense diesmal endlich annimmt. Nach einem erfolgreichen, tiefen Regenbogen-Flugmeilenfresser-Pass zu DK Metcalf an die Ein-Yard-Linie, bedient Wilson schließlich David Moore in der Endzone – 7:0 Seahawks. Es folgt ein weiteres Intermezzo von Bobby Wagner und Co., mit demselben Ergebnis wie zuvor: ein Three & Out der Eagles. In Seattles nächstem Drive ist dann Chris-Carson-Time. Nach einem Intentional Grounding gegen Wilson drückt der seinem Running Back das Leder in die Hand. Carson schaltete in den Dampfwalzen-Modus und läuft 16 Yards in die Endzone – 14:0 Seahawks. Kurz vor dem Pausentee kommen dann auch die Eagles zu ihren ersten Punkten, als Wentz Tight End Dallas Goedert in der Endzone findet. Halbzeitstand: 14:6, weil Kicker Jake Eliott den PAT verschießt.
  • 3. Quarter: Die Seahawks bekommen den Kickoff und gehen sofort Three & Out. Die Eagles antworten mit ihrem zweiten soliden Offensiv-Drive. Nachdem Carson Wentz von Strong Safety Jamal Adams bei Third Down gesackt wird, kickt Philadelphia das Field Goal – 14:9. Anschließend kommt das Angriffsspiel der Seahawks nur mäßig in Gang. Immerhin reicht es zum Field Goal – 17:9 (täglich grüßt das Philly-Murmeltier).
  • 4. Quarter: Der Quarter-übergreifende Drive der Gastgeber gipfelt in einem vierten Versuch. Die Eagles gehen dafür, doch K.J. Wright schlägt den Pass wie eine lästige Fliege weg. Nach einem weiteren tiefen Ball auf Metcalf kommt Seattle wieder in Scoring-Reichweite. Running Back Carlos Hyde läuft den Ball auch in die Endzone. Doch der Touchdown wird wegen eines Holdings zurückgepfiffen. Stattdessen gibt es ein weiteres Field Goal – 20:9. Dank zweier Pass-Interference-Strafen gegen Seattle schaffen es die Eagles in die Redzone. Hier spielen sie auch den nächsten vierten Versuch aus. Den fängt Seahawks-Safety Quandre Diggs allerdings in der Endzone ab. Weit kommt Russell Wilson im Anschluss nicht und Michael Dickson darf wieder punten. Das gönnt Eagles-Head Coach Doug Pederson seiner Offense aber nicht und geht stattdessen erfolglos bei 4th & 31 vom Feld. Diese Vorlage nutzt wiederum Myers per Kick zum 23:9. Zwölf Sekunden vor Spielende feuert Wentz eine Hail Mary in die Endzone, die Tight End Richard Rodgers zum Pinball-Touchdown fängt. Die folgende Two-Point Conversion ist dann ebenfalls noch erfolgreich, der Onside Kick aber nicht. Endstand: 23:17.

Die Hauptdarsteller:

WR DK Metcalf: Philadelphia ist für Metcalf einfach ein gutes Pflaster. 160 Receiving Yards bei seinem ersten Playoff-Spiel überhaupt im Januar 2020 waren Karrierebestwert und Rookie-Rekord. Offenbar Grund genug für den Wide Receiver, bei seiner Rückkehr ins Lincoln Financial Field keine zwölf Monate später einfach nochmal einen draufzulegen. Zwar fing er diesmal keinen Touchdown. Im Angesicht von 177 Receiving-Yards ist das aber eher eine Randnotiz. Viel wichtiger für Metcalf dürfte sein, dass er damit auch die 1.000-Yard-Marke in dieser Saison durchbrochen hat. Mit 1.038 Yards hat Seattles Nummer 14 mehr Yards gefangen als Kansas Citys Tyreek Hill (1.021 Yards). Übrigens: An alle Draft-Experten, die dachten, dass Metcalf keine Routen laufen kann. Seine zehn Catches gegen die Eagles fing er auf zehn verschiedenen Passwegen.

Seahawks-Defense: Vor dem Spiel gegen die Eagles ließ die Verteidigung der Seahawks in dieser Saison pro Spiel im Schnitt 434,9 Yards zu. Damit war man auf Kurs, am Ende der Spielzeit 2020 die drittschlechteste Verteidigung aller Zeiten in der NFL zu werden. Doch das die Truppe um Defensive Coordinator Ken Norton Jr. vor zwei Wochen den Schalter hat umlegen können, zeigte sich jetzt auch wieder in Philadelphia. Hier konnten Carson Wentz und Co. nach 60 Minuten insgesamt nur 250 Yards verbuchen. Dazu kamen eine Interception, zwölf Quarterback-Hits und sechs Sacks. In der letzten Kategorie hat seit Week 8 kein Team mehr gesammelt als Seattle.

SS Jamal Adams: Ja, zwei First Round-Picks waren ein verdammt hoher Preis, den die Seahawks in einem der größten Trades der Franchise-Geschichte vor der Saison für Adams zu den New York Jets geschickt haben. Verletzungen und mittelmäßige Leistungen sorgten bisher dafür, dass der Safety schon in Richtung „Bust“ abgestempelt wurde. Doch was Jamal Adams zu leisten imstande ist, wenn er fit und eingespielt ist, zeigte er jetzt erstmals ansatzweise gegen die Eagles. Auf dem Statistikbogen tauchen am Ende laut ESPN neun Tackles (Team-Spitzenwert), ein Sack, ein Tackle for Loss und zwei Quarterback-Hits auf. Zwar ließ er auch gegen Philadelphia in Coverage einmal seinen Gegenspieler bei einem Catch weit offen stehen, sonst lieferte er aber gute Deckungsarbeit ab.

Die Nebendarsteller:

Ehrenvolle Erwähnung: RB und Comebacker Chris Carson für den Boost, dem er dem Laufspiel der Seahawks verlieh. Gegen eine gute Run-Defense nach einer Verletzung 41 Yards und einen Touchdown zu erlaufen, ist richtig wertvoll. K Jason Myers für ein Trio von Field Goals und damit auch den Ausbau seiner Fehlerfrei-Serie auf 26. LB Cody Barton für ein weiteres krachendes, aber absolut faires Special-Teams-Tackling, das Eagles-Returner Boston Scott wohl kurzzeitig hat Sternchen sehen lassen.

Stets bemüht: QB Russell Wilson hatte keine 24 Stunden nach seinem 32. Geburtstag etwas zu kämpfen. Sahnepässe wechselten sich mit überworfenen Bällen ab. Dazu hatte er offenbar Probleme mit dem Headset in seinem Helm und vielleicht deshalb auch nicht immer die Playclock im Auge. CB Shaquill Griffin kehrte ebenfalls nach einer Verletzung zurück, war noch etwas eingerostet und zeigte trotzdem sofort, warum seine Coverage-Qualitäten in der Secondary teilweise schmerzlich vermisst wurden.

Meh: Das Game Management der Seahawks war teilweise und leider schon gewohnt unterirdisch. Mitte des ersten Quarters bei Fourth Down ein Timeout zu verbrennen, nur um mit dem Versuch dann kläglich zu scheitern, hat sogar Pete Carroll „angepisst“. Das aber dann fast identisch noch ein zweites Mal so zu schaffen, wirkte fast schon wie Comedy. Überhaupt war die Bilanz bei vierten Versuchen bei beiden Teams katastrophal. Fünfmal gingen die Seahawks und die Eagles im Spiel insgesamt dafür und scheiterten jedes Mal. WR Tyler Lockett war mit drei Catches für 23 Yards beinahe unsichtbar und wurde von DK Metcalf wieder deutlich in den Schatten gestellt. Die Schiedsrichter-Crew um Chef Brad Allen erwischte auch einen gebrauchten Tag. 17 Mal flogen die gelben Flaggen nach teilweise fragwürdigen Entscheidungen gegen beide Teams. Negativ zu erwähnen sind da besonders ein verpasster Intentional-Grounding-Call gegen Carson Wentz und ein nicht vorhandenes Horsecollar-Tackle gegen einen Eagles-Linebacker.

Die Highlights:

Russell Wilson auf DK Metcalf? Passt.

Egal ob eine massive Tür oder einfach ein paar NFL-Verteidiger im Weg stehen. Chris Carson will den Touchdown bei seinem Comeback einfach unbedingt. Und dafür wirft Seattles Nummer 32 zur Not auch die Dampfwalze an.

Was der Seahawks-Defense zur Krönung eines bärenstarken Auftritts fehlte, war ein Turnover. Auftritt: Quandre Diggs.

Die Randnotizen:

  • Wenn Russell Wilson so weiter macht, dann muss Ex-NFL-Superstar Deion Sanders bald um seinen Spitznamen bangen. Mit dem Sieg gegen die Eagles baute der Seahawks-Spielmacher seine Bilanz in Primetime-Spielen nämlich auf 30-8-1 aus. Damit liegt er in dieser Kategorie deutlich vor den Plätzen zwei und drei, die von den Quarterback-Legenden Steve Young und Kenny Stabler belegt werden.
  • Sechsmal waren die Seahawks bisher in Philadelphia zu Gast, seitdem das Lincoln Financial Field am 1. Mai 2001 eröffnet wurde. Gewinnen konnten die Gastgeber davon kein einziges Spiel, auch nicht am Montagabend Ortszeit.
  • DK Metcalf kann nur schöne lange Pässe von Russell Wilson fangen? Von wegen. Zwölf Sekunden vor Ende setzte ihn Special Teams Coordinator Larry Izzo beim Onside Kick der Eagles ein. Und da war es tatsächlich Metcalf, der den unangenehm aufspringenden Ball sicherte und damit das Spiel beendete.
  • Nur zwei von zehn Third Downs und keines von zwei Fourth Downs verwandelten die Seahawks am Dienstagmorgen. Nach dem positiven Ausrutscher zu Thursday Night Football kehrte Seattle zurück zu katastrophaler Bilanz bei dritten Versuchen.

Die Verletzten:

Wide Receiver DK Metcalf krachte bei einem Catch mit Eagles-Cornerback Darius Slay zusammen. Danach stand er nur langsam auf und humpelte zur Seitenline. Wenige Plays später konnte er aber weiterspielen.

Defensive Tackle Jarran Reed saß im 4. Quarter plötzlich verletzt am Boden und musste an der Seitenlinie behandelt werden. Wie schwer es ihn erwischt hat, ist noch unklar.

Abseits der Kameras zog sich Defensive End Carlos Dunlap offenbar eine Verletzung zu, die so schwer war, dass er gegen Ende des Spiels nicht mehr aufs Feld kam. Laut Head Coach Pete Carroll hat er sich den Fuß verstaucht.

Das Zitat:

„Ich könnte mich selbst in den Hintern treten. Ich hatte ein schreckliches 1. Quarter. Gott im Himmel! Wir haben die vierten Versuche überhaupt nicht richtig ausgeführt und damit habe ich den Jungs auch das Momentum genommen.“ – Seahawks-Head-Coach Pete Carrolls ehrliche Einschätzung zum Start ins Spiel

Der Tweet:

Nach dem Spiel erzählte DK Metcalf bei der Pressekonferenz von einer Unterhaltung mit Lions-Defensive-Coordinator Jim Schwartz. Der – als ehemaliger Trainer von Wide Receiver Calvin Johnson bei den Detroit Lions – habe ihm gesagt, dass er (Metcalf) auf einem guten Weg, aber noch nicht so weit wie Megatron sei. Wenig clever von Schwartz. Mit seiner Aussage weckte er wohl einen schlafenden Bären.

Das Fazit:

Es war zwar keiner der berühmten Nailbiter, den die Seattle Seahawks auf den saftgrünen Rasen in Phialdelphia gezaubert haben. Aber schön ist auch anders. Was für Pete Carroll und seine Mannen zählt, ist der Sieg und die Tabellenführung in der NFC West – klar. Aber das „Wie“ muss dem Team mal wieder zu denken geben. Nach wie vor scheint es nämlich so, dass man alte Muster einfach nicht ablegen kann. Unglückliches Game Management auf Seiten der Coaches und ein schlechtes Zeitgefühl in Sachen Playclock bei Russell Wilson. Dazu fragwürdige Calls bei vierten Versuchen (wenn sie denn ausgespielt werden) und Nonsens-Läufe für Raumverlust, nur um die Uhr herunter laufen zu lassen.

Was sich jetzt dramatisch anhört, ist anhand der wunderbaren Ausgangsposition in der NFC West und durch die kommenden, vermeintlich leichten Gegner wahrscheinlich halb so wild. Wenn Seattle aber den Anspruch hat, einen tiefen Playoff-Run oder sogar den Angriff auf den Super Bowl zu starten, dann müssen diese Unkonzentriertheiten schnell abgestellt werden. Denn – es hört sich jetzt zwar abgedroschen an – in der NFL kannst du eben keinen Gegner unterschätzen. Wie viel Potenzial gerade in dieser Offense steckt, wird sich dabei spätestens gegen das Washington Football Team zeigen. In der US-Hauptstadt trifft man in Week 15 schließlich auf eine der besten Defenses der Liga.

Und was die aufstrebende Seattle-Defense zum leisten imstande ist, dürfte sich genau eine Woche später zeigen. Dann kommen nämlich die LA Rams in die Emerald City, zum wahrscheinlichen Finale um die NFC-West-Krone. Sollten sie diesen Test bestehen, dann können die Seahawks mit breiter Brust – und vielleicht als Spitzenteam der NFC mit einer Bye Week vor der Nase – in die Postseason gehen.

Ausblick: In Week 13 empfangen die Seahawks am 6. Dezember 2020 um 22.05 Uhr die New York Giants im Lumen Field.