12 Beobachtungen aus dem dritten Preseason-Spiel der Seahawks

Preseason Week 3 2021

Das Ergebnis (27:0) ist irrelevant, viele Szenen sind nur bedingt aussagekräftig – und dennoch liefert auch die Preseason einige spannende Erkenntnisse über den Fortschritt der Vorbereitung. Deshalb folgen hier nun ein paar Beobachtungen und Szenen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) vom dritten und damit letzten Vorbereitungsspiel der Seattle Seahawks vor knapp 40.000 Zuschauern im Lumen Field. In der Nacht von Samstag auf Sonntag waren hier die Los Angeles Chargers zu Gast.

Die Beobachtungen:

  1. Keine Starter weit und breit: 12s die sich Hoffnung gemacht hatten, vor dem 1. Spieltag nochmal ihre Lieblinge wie Russell Wilson, Bobby Wagner, DK Metcalf und Co. zu sehen, wurden auch dieses Mal im Lumen Field enttäuscht. Bereits kurz vor der Partie hatte General Manager John Schneider angekündigt, dass 23 Spieler aus dem Kader der Seahawks gegen LA lediglich von der Seitenlinie aus anfeuern durften. Im letzten Preseasonspiel ist das aber durchaus nicht ungewöhnlich, da sich hier vor allem zuletzt Langzeitverletzte, Rookies und die Spieler, die vor den letzten Rostercuts am Dienstag auf der Kippe stehen, noch einmal ausführlich den Coaches zeigen sollen.
  2. Big Hit-Barton ist wieder da! Im letzten Jahr machte Linebacker Cody Barton in schöner Regelmäßigkeit mit krachenden Tacklings in den Special Teams und gesalzenem Trashtalk im Anschluss auf dem Feld auf sich aufmerksam. An diesem Abend nutzte er den erst sechsten Snap des gesamten Spiels – diesmal in der Defense – genau dafür, als er ungeblockt auf Chargers Backup-Quarterback Chase Daniel zu stürmte und ihn mit einem sauberen Hit den Ball aus der Hand schlug. Knapp 15 Yards vor der Endzone fischte dann der wieder genesene Safety/Nickel Marquise Blair das Lederei astrein aus der Luft und trug den Fumble zum Touchdown zur frühen Seahawks-Führung in die Endzone.
  3. Irische Trippelschritte, Schlittschuh-Moves (siehe unten), Cut Back quer über das Feld oder lange Pässe fangen. Running Back Alex Collins zeigte unter dem Flutlicht im Lumen Field ein fast schon beeindruckendes Repertoire seiner Fähigkeiten. Dazu gehörte auch ein entschlossener Lauf durch sämtliche Level der Defense, an dessen Ende sich Collins Zentimeter über der Grasnarbe ganz lang machte und sich mit mehreren Verteidigern an seinen Füßen zum ersten offensiven Touchdown der Seahawks-Preseason über die Goalline streckte. Die Belohnung für einen gelungenen Arbeitstag: Die „Titel“ Leading Rusher (10 Carries, 37 Yards, 1 Touchdown) und Leading Receiver (sieben von sieben Bällen gefangen, für 52 Yards).
  4. Im Baseball nennt man Spieler die alle Positionen spielen können „Five Tool Player“. Mit Nick Bellore dürften die Seahawks vor dem Start der Regular Season jetzt einen „Three Way Player“ haben. Denn normalerweise ist er Fullback in Seattles Offense. 2020 schaffte er es als Special Teamer in den Pro Bowl und jetzt, nachdem es seinem Team mit der schweren Verletzung von Ben Burr-Kirven auf Linebacker an Tiefe mangelt, schlüpft Bellore einfach noch in diese Rolle. Dabei sah man „Mr. Everything“ gegen LA an (6 Tackles), dass er am College in Central Michigan eben einmal Linebacker war.
  5. Zehn bis 15 Snaps sollte Rookie D’Wayne Eskridge nach seiner Zehenverletzung im Training Camp gegen die Chargers spielen. Und die bekam der Wide Receiver auch. Dabei zeigte er in Ansätzen, was er dem Angriffsspiel von Offensive Coordinator Shane Waldron als Passempfänger Nummer drei hinter DK Metcalf und Tyler Lockett mit seiner Geschwindigkeit bieten kann. In Seattles zweitem Drive lief er zunächst einen Jet Sweep für neun Yards Raumgewinn, bevor er vier Snaps später seinen ihm zugeteilten Verteidiger locker überlief und einen Pass für satte 19 Yards fing.
  6. Er kann nicht nur Münzwurf, sondern auch Backup. Diese Erkenntnis dürfte nach dem Auftritt von Quarterback Geno Smith (11/15 Pässen, 90 Yards, 0 Interceptions) wohl gewiss sein. Nachdem er gegen die Las Vegas Raiders noch mit einer Gehirnerschütterung vom Feld musste, war Spielmacher Nummer zwei an diesem Abend wieder an Bord. Dabei zeigte er sich beileibe nicht fehlerfrei. Zwei, dreimal überwarf Smith nämlich offene Receiver deutlich. Dass der Hit in Nevada noch nachhallte und damit zu einer erfreulichen Lernkurve führte, zeigte der Meister des Coin Flips bei zwei Läufen für 20 Yards. Beide Male befreite er sich dabei mit Übersicht gut aus der Pocket und lief dann zunächst unberührt ins Aus, bevor er beim zweiten Run entspannt zum sichernden Baseball Slide ansetzte.
  7. Was sahen da die müden Augen der Seahawks-Fans! Im zweiten Viertel stand die Offense knapp hinter der Mittellinie, Fourth Down. Doch statt dem wieder glänzend aufgelegten Punter Michael Dickson, blieb Geno Smith auf dem Feld, bekam den Snap, stand felsenfest in der Pocket und holte aus. 14 Yards weiter den Platz runter saugte Wide Receiver Aaron Fuller Sekundenbruchteile später das Geschoss von einem Wurf mit den Händen trotz enger Coverage an. Das Resultat: Ein First Down nach einem ausgespielten vierten Versuch! Sachen gibts.
  8. Es läuft weiterhin nicht für Rashaad Penny. Auch im Duell mit den Chargers wirkte der ehemalige First Round-Pick glücklos. Zwar konnte der Running Back (7 Carries, 24 Yards, 3,4 Yards pro Lauf) auch zweimal über Außen zu guten Läufen ansetzen, den Rest der Zeit rannte er aber wieder und wieder für minimalsten Raumgewinn in den Rücken der Offensive Line, wo er schließlich jeweils stecken blieb. Dazu kassierte er eine vollkommen unnötige Flagge für einen Blind Side Block, die die Seahawks fast aus Field Goal-Reichweite brachte. Nach den Preseason-Leistungen von DeeJay Dallas und Alex Collins sieht ein Bewerbungsschreiben auf die Rolle des Running Backs Nr. 2 ganz anders aus.
  9. 35 Field Goals in Folge in der Regular Season versenkt und auch in der Preseason blieb Jason Myers „automatisch“. Nach der Schlusspfiff standen für den Kicker auch dieses Mal wieder 100 Prozent Field-Goal-Quote (2/2) und 100 Prozent Extra-Point-Quote (3/3). Kicker-Probleme? Nicht in Seattle.
  10. Gabe Jackson, Damien Lewis und Kyle Fuller. Sieht so das Innere der Starting Offensive Line der Seattle Seahawks in zwei Wochen gegen die Indianapolis Colts aus? Nach den Aussagen von Pete Carroll aus dem Training Camp zu Center Ethan Pocic und der Tatsache, dass das Guard-Center-Trio so gegen LA im ersten Viertel durchspielen durfte, kann durchaus als heftiger Wink mit dem Zaunpfahl verstanden werden. Kombiniert mit der Tatsache, dass die drei starken Männer immer wieder gute Lücken für Alex Collins frei blockten und auch Geno Smith ungesacked ließen, könnte der Weg hier doch klar sein.
  11. Große Hoffnungen hatte man nach dem Draft 2020 im Front Office in Defensive End Darrell Taylor gesetzt. Doch eine nicht ausgeheilte Schienbeinverletzung sorgte dafür, dass der Zweitrundenpick die gesamte Saison verpasste. Auch deshalb bekam er im letzten Preseason-Spiel wieder ordentlich Einsatzzeiten. Dabei bewies er sowohl seine Qualitäten als schneller, athletischer Quarterbackjäger (1,5 Sacks), als auch als Raumverteidiger. In Coverage verhinderte Taylor hier stark zwei direkte Anspiele. Im dritten Viertel setzte er dann auch noch den dritten Quarterback der Chargers, Easton Stick, bei einem vierten Versuch erneut so stark unter Druck, dass der nur noch den Ball wegwerfen konnte und Seattle einen „Turnover on Downs“ lieferte. Zuvor hatte er Stick bei einem dritten Versuch noch vor dem rettenden First Down-Marker über die Seitenauslinie gejagt und so einen Punt forciert.
  12. Wie hätte es hier an dieser Stelle auch anders sein sollen, schließlich sind die 12s wieder da. Zu zehntausenden waren sie auch am Samstagabend Ortszeit wieder ins Lumen Field gepilgert. Und obwohl der Heimtempel der Seahawks bei weiten nicht ausverkauft war, machten die Fans ordentlich Lärm. Und der sorgte beim Gegner aus Kalifornien für Probleme. So hatten die Quarterbacks der Gäste öfters Probleme geänderte Spielzüge an der Line of Scrimmage zu kommunizieren, während die Offensive Line der Chargers zu oft zu früh zuckte und so drei Fehlstart-Flaggen kassierte.

Die Highlights:

Erst der Boom, dann der Ballhawk. Ja, es ist die Preseason, aber so wie Cody Barton und Marquise Blair hier den ersten Touchdown der Seahawks in die Wege leiten, erinnert es schon ein wenig an die guten alten Tage der „Legion of B…“.

Wird im Lumen Field jetzt etwa doch Eishockey gespielt? Fast! Denn bevor die Seattle Kraken am Pudget Sound im Oktober den NHL-Spielbetrieb in der umgebauten Climate Pledge Arena aufnehmen, schickte Running Back Alex Collins den Rookie-Cornerback der Chargers, Asante Samuel Jr., schon einmal auf Schlittschuhe.

Kommt ein Tennesse Volunteer geflogen: Genau mit diesen schnellen Moves gepaart mit einer instinktiven Zielstrebigkeit, sicherte sich Defensive End Darrell Taylor seinen ersten Sack auf NFL-Level.

Die Verletzten:

Fehlanzeige.

Das Fazit:

Zum Abschluss der Preseason doch noch ein klarer Sieg, bei dem sich einige Spieler, die beim Trainerstab vielleicht als Wackelkandidaten galten, mit stabilen Leistungen vielleicht doch noch für mehr empfohlen haben könnten. Mit am wichtigsten war aber die Tatsache, dass die Seahawks die Partie bis auf Kleinigkeiten am Ende verletzungsfrei abhaken konnten. Gewohnterweise ist die Aussagekraft der „Testspiele“ absolut begrenzt. So bleibt es etwa aufgrund des Fehlens von einem guten Dutzend Startern weiter ein gut gehütetes Geheimnis, wie die offensive Strategie unter Shane Waldron nun wirklich aussehen wird. Auf der defensiven Seite des Balles dürfte die Marschroute vor dem Start der Regular Season dagegen etwas klarer sein. Hier will Coordinator Ken Norton Jr. offenbar weiter viel Druck über Blitzes auf die gegnerischen Quarterbacks ausüben.

Ausblick: Zum Auftakt der Regular Season gastieren die Seahawks am 12. September 2021 im Week 1 um 19 Uhr bei den Indianapolis Colts.