Recap: Postseason 2019 (Wild-Card Round) – Seahawks @ Eagles

Die Seattle Seahawks haben die Wild-Card Round überstanden. Bei den Philadelphia Eagles im Lincoln Financial Field dauerte es wie zuletzt so oft zu lange, ehe das Team von Head Coach Pete Carroll die Endzone fand. Dann aber machten das Passspiel und die Verteidigung den Unterschied. Am Ende stand das gleiche Ergebnis (17:9) wie bereits in Week 12 auf der Anzeigetafel – und die Seahawks stehen nach zwei Jahren Abstinenz wieder in der Divisional Round der Playoffs. Am kommenden Wochenende reisen sie nach Wisconsin zu den Green Bay Packers.

Gegen verletzungsgeschwächte und von einem 40-jährigen Backup-Quarterback dirigierte Eagles hätte ein verletzungsgeschwächtes Seattle früher alles klar machen müssen. Doch wie so oft in dieser Saison konnte sich das Team aus dem Pacific Northwest nicht vom Gegner absetzen, sodass die Schlussphase wieder einmal zur Zitterpartie wurde.

Positiv:

WR DK Metcalf: In seinem ersten Playoff-Spiel überhaupt pulverisierte Metcalf seine eigenen Einzelspiel-Bestwerte und einen stellte einen Rekord auf: Kein Rookie sammelte in der Postseason jemals mehr Receiving-Yards. Sieben Fänge für 160 Yards (22,9 pro Catch) und einen Touchdown sowie die spielentscheidende Aktion lesen sich wie die Statistik eines Nummer-eins-Receivers. Die Werte vom NFL Scouting Combine interessieren schon lange niemanden mehr.

QB Russell Wilson: Seattles bester Mann gewann das Spiel als mobiler Werfer, wenn sein Offensive Coordinator ihn mal von der Leine ließ und seine O-Line ihm ausreichend Schutz gebot. Seine 18 angekommenen Pässe bei 30 Versuchen für insgesamt 325 Passing-Yards bei 45 Lauf-Yards aus neun Fluchtversuchen und einem Sack für sieben Yards Raumverlust sind zwar auf dem Papier keine rekordverdächtige Machtdemonstration, doch sie stehen für ein fast fehlerfreies Spiel und erst das dritte Playoff-Spiel Wilsons in diesen Yard-Sphären. Besonders stark: acht von zwölf Pässen angebracht bei Third Down für 177 Yards.

WR Tyler Lockett: Grundgütiger!

CB Ugo Amadi: Der Rookie war jeweils verantwortlicher Verteidiger bei den Third-Down-Versuchen der Eagles in deren erstem und zweiten Drive. Ergebnis: Punts! Endlich war er gemeinsam mit Rookie-Safety Marquise Blair gemeinsam häufiger in Dime-Formationen auf dem Spielfeld zu sehen. Es zahlte sich gerade zu Beginn aus. In Zukunft bitte mehr davon.

Neutral:

Defense: Die Eagles waren so dezimiert wie es nur geht. Früh im Spiel verloren sie Quarterback Carson Wentz (Gehirnerschütterung), der von Defensive End Jadeveon Clowney unsauber am Hinterkopf getroffen wurde und dann übel auf dem Boden prallte. Zudem fehlten mehrere Passempfänger und O-Liner. Die Seahawks-Defense um Free Safety Quandre Diggs und Linebacker Bobby Wagner ließ zunächst bis auf ein paar Pässe auf Tight Ends und ein paar Läufe von Running Back Miles Sanders recht wenig zu. In der ersten Halbzeit waren es insgesamt nur 87 Yards.
Aber einem 40 Jahre alten, vom Rücktritt zurückgetretenen und sichtlich unsicheren Josh McCown in der zweiten Halbzeit mehr als 150 Yards zu schenken, zwei Tight Ends (von denen einer mit kaputten Rippen und verletzter Niere spielte) zu oft ungedeckt zu lassen und zuzusehen, wie der Backup-Quarterback im Sprint Defensive End Ezekiel Ansah davon läuft, das war bei allem Respekt einer Playoff-Defense nicht würdig.
Abgesehen von diesen Aspekten aber funktionierte der „Bend don’t break“-Ansatz ordentlich, denn die Seahawks machten vor der Endzone dicht und ließen insgesamt nur drei Field Goals zu. Nur drei von elf Third Downs konnten die Eagles verwandeln, dazu keins von zwei Fourth Downs. Insgesamt kam die Verteidigung auf sieben Sacks, elf Tackles für Raumverlust und neun Quarterback-Hits. Die Edge Rusher Quinton Jefferson und der von seiner Rumpfverletzung weiter arg gebeutelte Jadeveon Clowney stachen dabei aus der Masse heraus. Die Secondary ließ kaum Yards für klassische Wide Receiver zu.

Play Calling: Warum liefen die Seahawks eigentlich? Es funktionierte überhaupt nicht. 1,1 Yards Raumgewinn im Schnitt holten die Running Backs Marshawn Lynch und Travis Homer über 60 Spielminuten hinweg. Und beinahe wäre es sogar schief gegangen, als im ersten Drive Homer den Ball verlor und glücklicherweise selbst wieder sicherte und Ende des dritten Quarters Eagles-Defensive-Tackle Fletcher Cox schon bei der Ballübergabe neben Russell Wilson und seinem Läufer Lynch stand. Dass es eine Falschannahme ist, dass mit Läufen das Passspiel vorbereitet werden muss, daran soll an dieser Stelle zum x-ten Mal erinnert sein. Denn bei den Seahawks-Verantwortlichen scheint diese Tatsache weiterhin nicht angekommen zu sein.
Im Passspiel, das über Bälle auf Tight Ends, Running Backs und Receiver (bei Kurzpässen wie Slants oder Screens) noch viel häufiger hätte zum Einsatz kommen müssen, zerlegten die Seahawks-Receiver dagegen die Eagles-Secondary den ganzen Abend lang. Dass das so kommen könnte, war genau wie die Schwierigkeiten mit dem Laufspiel vorhersehbar – und dennoch lief Seattle oft mit dem Kopf gegen die Wand, statt den Weg durch die Luft zu suchen.

RB Marshawn Lynch: Das Laufspiel insgesamt war überhaupt nix an diesem Tag, aber der Touchdown von Lynch inklusive Stiff Arm war dennoch schön anzusehen. Bitteschön!

Negativ:

Verletzungen: Carson Wentz, Ziggy Ansah, Brandon Graham, Miles Sanders – wer wirklich glaubt, die NFL braucht noch mehr Spieltage in der Regular Season, der sollte sich die Verletztenbilanz der Wild-Card Round ansehen. Und ja, Kopfverletzungen hängen nicht unbedingt mit der Spielbelastung zusammen. Weniger anfällig werden Spieler aber durch mehr Belastung definitiv nicht.

O-Line: Center Joey Hunt wurde von Eagles-D-Liner Fletcher Cox herumgeschubst wie ein kleiner Junge. Besonders in der ersten Halbzeit. Das war so zu erwarten, doch wie immer brauchten die Seahawks zu lange, um ihr Spiel anzupassen. Als Seattles Offensive in der zweiten Hälfte durch besser zurechtkam, lag das auch daran, dass Cox nicht mehr Spielzug für Spielzug ungestört durch die Angriffslinie spazierte.
Für das unterirdische Laufspiel fehlten unverkennbar Left Tackle Duane Brown und Left Guard Mike Iupati. Zum Glück sollen beide nächste Woche wieder fit sein.

Strafen: Die Seahawks nahmen am Sonntagabend an gelben Flaggen alles mit. Holding, Delay of Game, Offensive Pass Interference, False Start, Defensive Pass Interference – die Liste ist fast endlos. Strong Safety Bradley McDougald, Cornerback Tre Flowers und Tight End Jacob Hollister fielen als Wiederholungstäter auf. Am Ende standen elf Strafen für 114 Yards zu Buche. Miserabel.

Grundlagen: Die Seahawks brauchten viel zu lange, sich zu formieren (es gab wohl Probleme mit den Headsets). Sie ließen ihren Quarterback im Stich, als sie einfachste Bälle nicht fingen. Sie mussten Timeouts nehmen, weil sie Play Calls nicht rechtzeitig in eine Aufstellung umsetzten. Sie kassierten zu viele Strafen, weil sie undiszipliniert und unkonzentriert waren. Die grundlegenden Dinge funktionieren aktuell nicht so wie sie funktionieren sollten – und damit steht Seattle sich selbst im Weg.

Verletzungen:

Beide zunächst fraglichen Spieler der Seahawks konnten nicht auflaufen. Wide Receiver Jaron Brown und Left Guard Mike Iupati sollen aber wohl in der Divisional Round wieder dabei sein – und auch Left Tackle Duane Brown soll sich bis zum nächsten Spiel von seiner Meniskus-Operation erholt haben.

Im Spiel verletzte sich Defensive End Ezekiel Ansah am Nacken, als er nach einem Tackle mit Cornerback Shaquill Griffin zusammenprallte. Pete Carroll bezeichnete seine Blessur nach dem Spiel als Stinger (Taubheitsgefühle in den Extremitäten), konnte aber noch keine Auskunft zur Ausfallzeit geben.

Fazit:

Vorneweg: Zum siebten Mal in den letzten zehn Spielzeiten stehen die Seattle Seahawks in der Divisional Round der Playoffs. Dafür darf man dankbar sein. Darüber darf man sich freuen. Das ist fantastisch und spricht für hervorragende Arbeit im Trainerstab und im Front Office. Und jetzt zur nüchternen Betrachtung:

Schön war’s nicht. Die von Verletzungen nicht gerade verschont gebliebenen Seahawks bekamen die Philadelphia Eagles ohne ihren Spielmacher fast auf dem Silbertablett serviert, zeigten aber wieder einmal ihr hässliches Gesicht der vergangenen Jahre. Schwache Auftritte in der ersten Halbzeit, vereinzelt explosive Plays in der zweiten. Am Ende reichte das gegen verletzungsgebeutelte Hausherren zwar zum Weiterkommen, aber eben nicht zu einem überzeugenden Sieg.

Nun warten in der Divisional Round die Green Bay Packers. Im Lambeau Field haben die Seahawks seit 1999 (27:7) nicht mehr gewonnen und in der Franchise-Geschichte überhaupt erst zweimal. Aber wer sonst als der einstige College-Quarterback der Wisconsin Badgers könnte in widrigen Witterungsbedingungen im hohen Norden der USA für die Überraschung sorgen.

Und wer jetzt sagt, dass die Seahawks es schwer haben werden, weil sie gegen einen Backup-Quarterback an diesem Sonntag nicht immer souverän aussahen, dem sei das Spiel der Packers aus Week 17 ans Herz gelegt, als sie die Partie bei den Detroit Lions erst spät gerade noch so drehten. Green Bays Defensive bekam es da mit David Blough zu tun. Mit wem? Mit Backup-Quarterback David Blough.