Recap: Postseason 2015/16 (Wild-Card Round) – Seahawks @ Vikings

Im kältesten Spiel der Franchise-Geschichte benötigten die Seattle Seahawks eine große Portion Glück um das Feld in Minneapolis als Sieger zu verlassen. Beide Teams lieferten sich am Sonntagabend einen harten Kampf und beide hätten den Einzug in die Divisonal Round durchaus verdient gehabt. Zu unserer Freude war der Football-Gott jedoch auf der Seite der Seahawks und beschert Team und Fans mindestens noch ein weiteres Spiel in den Playoffs.

In unserem Recap blicken wir zurück auf ein spannendes Spiel, das wir sicherlich nicht so schnell vergessen werden.

Eine Partie unter derartigen Bedingungen ist sehr ungewöhnlich und jeder, der sie gesehen hat, kann nachvollziehen, warum die Vikings im nächsten Jahr in ihren neuen Dome ziehen werden. Zum Kickoff herrschten in Minnesota -21 Grad Celsius. In der Geschichte der NFL gab es bisher nur zwei Spiele, bei denen es bei Kickoff noch kälter war: 1967 herrschten beim „Ice Bowl“ in Green Bay -25 und 1982 in Cincinattti -23 Grad Celsius.

Welchen Einfluss hatten die Wetterbedingungen?

  • Punts und Kickoffs – Sowohl die Kickoffs von Steven Hauschka als auch die Punts von Jon Ryan waren im Durchschnitt wesentlich kürzer als unter normalen Bedinungen. Ryans durchschnittliche Weite lag bei 35,4 Yards, was ziemlich genau zehn Yards unter seinem normalen Durchschnitt liegt. Zudem hatte Long Snapper Gresham erhebliche Probleme bei seinen ersten beiden Snaps, was im Endeffekt zu sehr guter Feldposition für die Vikings führte.
  • Field Goals – Zweimal stand die Offense in Field Goal-Reichweite und die Coaches entschieden sich gegen ein Kick. Field Goals aus der Distanz von 47 und 55 Yards sind unter normalen Umständen kein Problem für einen NFL-Kicker. Im gestrigen Spiel sah Head Coach Pete Carroll das anders und ließ beide 4th Downs ausspielen.
  • Kommunikation – Viele Spieler sagten nach Spielende, dass vor allem die Kommunikation auf dem Feld sehr unter der Kälte litt. Dies erklärt auch das schlechte Zeitmanagement von Russell Wilson, der in der Pressekonferenz davon erzählte, dass im das Sprechen aufgrund der Kälte sehr schwer fiel. Zusätzlich kamen in der 1. Halbzeit noch Probleme mit den Headsets hinzu, was die Kommunikation nochmals erschwerte und zu Abstimmungsproblemen führte.

  • Deep Balls – Die Seahawks-Offense zeigte vor allem in den vergangenen Spielen, dass sie den Gegner mit tiefen Pässen bezwingen kann. Diesmal war das nicht möglich. Kein tiefer Pass von Wilson fand seinen Abnehmer. So zum Beispiel auch nicht der lange Ball auf Doug Baldwin im 2. Viertel, den Wilson hoch in die Luft warf. Dort änderte das Ei sein Flugverhalten und kam schon früher wieder herunter, sodass Baldwin keine Chance auf einen Catch hatte. Ein Fehler, der Wilson unter normalen Bedingungen wahrscheinlich nicht unterlaufen wäre. Und ein Ball, der bei wärmeren Temperaturen wohl zum Touchdown geführt hätte.

Defense:

Ohne die erneut starke Leistung der Defense hätten die Seahawks dieses Spiel nicht gewinnen können. Insgesamt ließ sie nur 183 Yards zu und hielt die Vikings-Offense bei 3,3 Yards pro Play. Ein außerordentlich guter Wert. Zudem ließ die Verteidigung im gesamten Spiel nur einen langen Drive zu – dieser führte am Ende zum verschossenen Field Goal der Vikings. In den Drives, in denen die Vikings punkten konnten, profitierten sie von einer sehr guten Feldposition zum Start. Beim ersten Field Goal erhielten sie den Ball an der 29 Yard-Linie der Seahawks, beim zweiten Field Goal an der eigenen 46 Yard-Linie und beim dritten Field Goal nahe der Mittellinie.

  • Stop the Run – Adrian Peterson gegen die Seahawks-Laufverteidigung war vor dem Spiel eines der wichtigsten, wenn nicht sogar das wichtigste Matchup. Peterson stoppen, sodass Quarterback Teddy Bridgewater das Spiel mit Pässen gewinnen muss. Dies funktionierte über weite Teile des Spiels hervorragend, wie auch schon in Week 13 Die Defense hatte Peterson von Beginn an unter Kontrolle und ließ kaum Yards zu. Insbesondere Michael Bennett dominierte die O-Line der Vikings und hatte teilweise bereits im Backfield seine Hände an Peterson. Letztendlich ließ die Defense nur 58 Rushing Yards zu und forcierte einen Fumble von Peterson, der am Ende zu Führung (Field Goal zum 10:9) führte.
  • Pass Rush – Drei Sacks und sieben QB Hits sind die Zahlen für den Pass Rush. An sich sind diese in Ordnung. Aber im Grunde war die Leistung wesentlich besser. Cliff Avril und Michael Bennett konnten Bridgewater ständig unter Druck setzen, sodass der kaum Zeit in der Pocket hatte. Dass die Zahlen nicht besser ausfielen, lag vor allem am Passing Game der Vikings. Viele Screens und kurze Pässe sorgten dafür, dass die Seahawks-Pass Rusher selten viel Zeit hatten, um in die Nähe des Quarterbacks zu gelangen. Es kann aber auch so gedeutet werden, dass Bridgewater nie Zeit hatte für den mittleren oder tiefen Pass. Im gesamten Spiel gab die Defense nur ein Play über 20 Yards ab. Das war der 24 Yard-Pass auf Tight End Kyle Rudolph im letzen Drive. Aber auch dieses Play war eher ein kurzer Pass, der aufgrund eines verpassten Tackles von Cornerback DeShawn Shead möglich wurde.
  • Secondary – Die Legion of Boom hatte einen starken Tag, wurde aber auch selten gefordert. Besonders hervorzuheben sind die Leistungen von Earl Thomas und Jeremy Lane. Thomas verhinderte im 2. Quarter ein langes Play und einen potenziellen Touchdown der Vikings. Lane fiel während es Spiels kaum auf, was für einen Cornerback ein gutes Zeichen ist. Im letzten Quarter musste er dann doch einmal sein können zeigen und machte ein hervorragendes Play bei 3rd & 16. Wie vergangene Woche gegen die Cardinals konnte Lane den Ball durch exzellente Coverage abwehren. Dagegen hatten Kam Chancellor und DeShawn Shead keinen allzu guten Tag. Shead fiel mehrmals durch verpasste Tackles auf und ermöglichte das einzige lange Play der Vikings. Chancellor, der die vergangenen drei Spiele verpasste, wirkte etwas eingefroren, was wohl nicht nur an den Temperaturen lag. Zum einen verpasste er mehrere Tackles und auch seine Coverage war nicht sonderlich gut. Das angesprochene Play von Thomas war nur notwendig, weil Chancellor überlaufen worden war. Zudem kassierte er im letzten Drive der Viking eine kostspielige Pass Interference-Strafe, wodurch die Vikings bis in die Hälfte der Seahawks vorrückten. Allerdings muss man Chancellor zugute halten, dass er den Fumble von Adrian Peterson forcierte, der letztendlich den Weg zum Sieg ebnete.

Offense:

Das war bei weitem nicht die beste Leistung der Seahawks-Offense, was auch auch mit den Wetterbedingungen zusammenhängt. Letztendlich erzielte sie nur 226 Yards und hatte lediglich einen langen Drive im gesamten Spiel. Dieser führte zum einzigen Touchdown durch Doug Baldwin.

In den vergangenen Wochen überzeugte die Offensive auf ganzer Linie. Das lag vor allem daran, dass sie ihre Third Downs konsequent in neue First Downs verwandelte. 62,2 % aller Third Downs ergaben in den letzten sieben Spielen ein neues First Down. Im gestrigen Spiel lag der Prozentsatz bei nur 36 % und gleicht damit ungefähr den Werten, die in den ersten neun Regular Season-Spielen erreicht wurden. Neben der Third-Down Completion-Rate erinnerten auch die letzten beiden Drives der Offense eher an die Leistung der ersten Spiele in dieser Saison. Mit 5:53 Minuten zu spielen kam die Offense in Ballbesitz, war aber nicht in der Lage ein First Down zu erzielen und Zeit von der Uhr zunehmen. Mit 2:13 Minuten erhielt Seattle erneut den Ball und schaffte es wieder nicht, ein First Down zu erzielen. Wenn es der Seahawks-Offense in diesen Situationen gelingt, die Uhr runter zu spielen, kann ein Comeback-Versuch des Gegners wesentlich erschwert werden. Aufgrund des Two-Minute Warnings mussten die Vikings zudem nur eine Timeout verwenden. Wollen die Seahawks nächste Woche in Carolina bestehen, darf es solche Möglichkeiten, die das Spiel entscheiden können, nicht geben.

  • O-Line – Sie zeigte eine durchschnittliche Leistung, bei der sich Licht und Schatten abwechselten. J.R. Sweezy und Russell Okung kamen von ihren Verletzungen zurück, sodass die Line in ihrer besten Besetzung spielen konnte. Allerdings war vor allem Okung die zweiwöchige Verletzungspause anzumerken. Zum Teil hatte er sowohl im Run Blocking als auch in der Pass Protection erhebliche Schwierigkeiten. Center Patrick Lewis fiel nur durch einen schlechten Snap auf, der am Ende zum längsten Play des Tages führte. Der schlechteste Drive war der im 3. Quarter, als die O-Line in aufeinanderfolgenden Plays die einzigem zwei Sacks des Spiels abgab. Nach diesem Drive wurden vermehrt Rollouts gespielt, die im Endeffekt dazu führten, dass Wilson etwas mehr Zeit hatte.
  • Russell Wilson – Es war nicht das beste Spiel von Russell Wilson. Die Kälte hatte einen großen Einfluss auf seine Leistung. Sowohl auf seine Pässe als auch auf die Kommunikation auf dem Feld. Insgesamt brachte er nur 50 % seiner 26 Pässe für 142 Yards und einen einen Touchdown an den Mann. Zudem warf er eine Interception, die jedoch bei einem Fourth Down passierte. Die Vikings hätten den Ball auch bei einer Incompletion oder einem Sack erhalten. Dennoch, der Pass auf Tight End Chase Coffman war zu hoch. Doch es war bei weitem nicht alles schlecht. So zum Beispiel das Play auf Tyler Lockett nach dem verunglückten Snap von Lewis. Alleine wegen diesem Play, von dessen Sorte wir in der Vergangenheit schon einige gesehen haben, würde ich persönlich Wilson für keinen anderen Spielmacher in der Liga eintauschen. Aber auch die O-Line sowie Tyler Lockett verdienen sich ein Lob. Die O-Line rückte nicht zu weit vor und erlaubt somit einen Pass auf Lockett, der nicht aufhörte zu spielen und sich stattdessen reaktionsschnell in die Mitte des Spielfelds und somit weg von seinem Gegenspieler bewegte. Genau diese Fähigkeit zur Improvisation benötigen die Seahawks-Receiver, um Spielzüge zu vollenden, die durch Russell Wilsons Scambling-Fähigkeiten am Leben erhalten werden.
  • Laufspiel – Nachdem Marshawn Lynch kurzfristig nicht mit nach Minnesota gereist war, stand hinter dem Seahawks-Laufspiel ein kleines Fragezeichen. Im Nachhinein kann man mit dem Laufspiel aber zufrieden sein. Christine Michael machte einen ordentlich Job und auch die Read-Option funktionierte ein paar Mal gut.
  • Receiver – Doug Baldwin, Jermaine Kearse und Tyler Lockett zeigten wieder eine hervorragende Partie und hatten einen großen Einfluss auf das Spielgeschehen. Baldwin fing nicht nur einen akrobatischen Catch, sondern erzielte auch den einzigen Touchdown des Spiels. Kearse hielt einen Drive mit einer enorm wichtigen Third-Down Conversion am Leben. Und Lockett pflügte mit seinen Routes das gesamte Spielfeld um und ließ seinen Gegenspielern keine Verschnaufpause.

Special Teams:

  • Die Wetterbedienungen erschwerten den Job von Steven Hauschka und Jon Ryan wie eingangs erwähnt um ein Vielfaches. Insbesondere Punter Ryan und Long Snapper Clint Gresham hatten ihre Probleme, was beim ersten Puntversuch zu einer sehr guten Field Position für die Vikings und zu einer gebrochenen Nase von Ryan führte.
  • Im Nachhinein ist es immer einfach, die Entscheidung der Coaches in Frage zu stellen, aber eventuell wäre es in der ein oder anderen Situation besser gewesen, wenn Pete Carroll einen Field Goal-Versuch probiert bzw. gepuntet hätte. Alle drei ausgespielten Fourth Downs scheiterten. Insbesondere das erste an der 30 Yard-Linie der Vikings war eine fragwürdige Entscheidung. Zum einen stand das Team in Field Goal-Reichweite und zum anderen war es ein 4th & 13.
  • Ein weiteres entscheidendes Play der Special Teams war das dritte Field Goal der Vikings. Wer sich das Field Goal noch einmal anschaut, sieht, dass Richard Sherman von rechts (vom Kicker) herangeflogen kommt und den Block nur knapp verpasst. Warum ist das entscheidend? Weil es eine Auswirkung auf den Blair Walsh gehabt haben könnte. Bei seinem nächsten Field Goal-Versuch schoss Walsh den Ball links an den Stangen vorbei. Wieder stand Sherman auf der rechten Seite bereit, um einen Block zu versuchen. Möglicherweise wollte Walsh den Ball bewusst etwas weiter nach links schießen, um den Block von Sherman zu vermeiden. Bewiesen werden kann das nicht, doch auszuschließen ist es auch nicht.

Fazit:

Die Defense konnte das über die gesamte Spielzeit hinweg überzeugen und machte nur wenige Fehler. Doch bestraft wurden diese von Minnesota nicht. Vor allem Michael Bennet und die Front Seven machten einen hervorragenden Job und hielten das Team am Leben. Die Offense hatte einen schweren Tag und konnte gegen eine starke Vikings-Defense nicht an die Leistungen der vergangenen Wochen anknüpfen. Letztendlich waren es einzelne Big Plays der Offense, die zu zehn Punkten führten. Am Ende hätte sich bei den Seahawks niemand beschweren dürfen, wenn die Vikings das Spiel gewonnen hätten. Dank einer großer Portion Glück ist Seattle jetzt aber noch mitten im Geschehen dabei und darf kommenden Sonntag bei den Carolina Panthers in Charlotte ran.

Lazarett:

Bis auf die gebrochene Nase von Jon Ryan gibt es wohl keine größeren Verletzungen. In den kommenden Tagen wird die Situation rund um Marshawn Lynch vermutlich die Medien dominieren, weil dann die große Frage ist, ob er gegen Carolina spielen kann oder nicht.

Go Hawks!