Preview: Postseason 2020 (Wild-Card Round) – Rams @ Seahawks

Preview Wild-Card Round, 2020 Los Angeles Rams

Aller guten Dinge sind drei. Das dachten sich offensichtlich sowohl die Seattle Seahawks als auch die Los Angeles Rams. Nach den beiden Divisionsduellen in der regulären Saison treffen die zwei Teams nun zum dritten Mal innerhalb einer Saison aufeinander. Diesmal geht es aber um alles: Sieg oder Saisonende. Die Vorzeichen stehen dabei ähnlich wie zuvor. Spiele innerhalb einer Division sind sowieso meist enge Angelegenheit. Der Faktor K.-o.-Spiel würzt die Begegnung zusätzlich, um im zu Beginn der Runde etablierten Koch-Sprech zu bleiben.

Die Seahawks dürften dabei aber deutlich selbstbewusster in die anstehende Partie gehen. Sie gewannen das Spiel gegen die Rams in Woche 16 ziemlich überzeugend. Die erstarkte Defensive machte eindrucksvoll ihren Job. Und in der zweiten Halbzeit war Seattles Offense in den richtigen Momenten zur Stelle. Und das gegen eine der starken Defensiven der Liga, die nach personellem Aderlass in Form von Defensive Coordinator Wade Philipps, Defensive End Dante Fowler, Linebacker Cory Littleton und Cornerback Nickell Robey-Colemanzu trotzdem zu den Überraschungen der Saison zählt. Auch wenn der drei Viertel lang zähe Auftritt der Seahawks in Glendale gegen die San Francisco 49ers nicht darüber hinweg täuschen sollte, dass die Offensive im vierten Quarter in einem höheren Gang recht souverän die Partie noch drehte.

Der Gegner aus Los Angeles stolperte sich im letzten Spiel der Regular Season zu einem Sieg gegen die Arizona Cardinals. Das Team aus Kalifornien hatte da personelle Sorgen (die aber bis Samstag wohl passé sind): Quarterback Jared Goff wird nach der Operation an seinem gebrochenen Daumen wohl kein zweites Spiel verpassen. Und der wegen Covid-19 ausgefallene Wide Receiver Cooper Kupp kehrt rechtzeitig in den Kader zurück. Auch wenn zwei der Schlüsselspieler zurück sind, sollten die Sorgenfalten beim jüngsten Cheftrainer der NFL, Sean McVay, etwas tiefer ausfallen als beim zweitältesten Head Coach der Liga, Pete Carroll. Denn ein angeschlagener Stamm-Quarterbacks ist ein Handicap.

Das Spiel:

  • Kickoff: Samstag, 22.40 Uhr
  • Austragungsort: Lumen Field (Freiluft/Kunstrasen)
  • Wettervorhersage: 8 Grad Celsius, bewölkt
  • Schiedsrichter: John Hussey
  • Empfang: NFL GamePass, DAZN, ProSieben, ran
  • Wettprognose: Seahawks -4,5
  • Hashtag: #LARvsSEA

Der Injury Report:

Das größte Fragezeichen dürfte hinter Safety Jamal Adams stehen. Er verletzte sich bei einem Block von 49ers-Running Back Jerick McKinnon an der Schulter. Adams äußerte sich am Mittwoch aber fast euphorisch: Er sei voll einsatzbereit. Er wird wohl mit einer Spezialschiene an die Schulter auflaufen. Zu beobachten ist der Status der Defensive Tackles Jarran Reed und Brian Mone, die Einheiten verpassten (wenn man da nur einen aktiven Backup in der Hinterhand hätte…). Tight End Greg Olsen und Left Guard Mike Iupati, beide wurden zuletzt geschont, haben trainiert – und sollten einsatzbereit sein.

Bei den Rams trainierte Jared Goff (Daumen) am Mittwoch erstmals seit seiner OP wieder. Wide Receiver Cooper Kupp hat die Covid-19-Liste verlassen und kann spielen. Defensive End Michael Brockers ist dagegen noch nicht zurück aus der Corona-Pause.

Die Matchups:

Seahawks-Pass-Rush vs. Rams-Passspiel: Im letzten Aufeinandertreffen in Woche 16 gelang es dem Team von Pete Carroll das erste Mal seit dem Amtsantritt von Sean McVay, die Offensive der Rams über das gesamte Spiel über zu stoppen. Ganze neun Punkte durch drei Field Goals von Kicker Matt Gay gelangen der sonst so potenten LA-Angriffsabteilung. Legendär ist schon jetzt der vierfache Goalline-Stand der Seahawks-Verteidigung. Das letzte Mal, dass Seattle die Rams-Offense dermaßen limitierte, war im August 2017 beim 16:10-Sieg im altehrwürdigen Los Angeles Memorial Coliseum.

Ein Schlüssel für die Defensivreihen der Seahawks war dabei ständiger Druck auf Quarterback Jared Goff. Unter Druck neigt der nämlich immer wieder zu erheblichen Fehlern. In Woche 16 stand Goff bei 52 Dropbacks 19 Mal unter Druck (zwei Sacks). Sollte Goff spielen können, wird sich der Gameplan von Defensive Coordinator Ken Norton Jr. wohl nicht großartig ändern. Die Seahawks werden versuchen, Goff aus der Pocket heraus zu bewegen und ihn permanent zu stressen. Das Goff sich außerhalb der Tackle-Box und beim Scrambling nicht wohl fühlt, konnte man eindrucksvoll beobachten.

Jemand, dem es nichts ausmacht, selbst Yards zu erlaufen, ist derweil Backup-Quarterback John Wolford. Der Ersatz für Goff gab sein NFL-Debüt am vergangenen Spieltag bei den Arizona Cardinals und ist ein gänzlich anderer Spielertyp als Goff. Er ist ein Dual-Threat-Quarterback, der dementsprechend auch zu Fuß Schaden anrichten kann. Gegen die Cardinals lief Wolford sechs Mal selbst, erzielte dabei einen Raumgewinn von 56 Yards. Aber auch seine Statistiken im Passspiel mit 22/38 für 231 Yards (eine Interception) sprechen zumindest für eine gewisse Baseline, die McVay durch seine Fähigkeiten als Play Caller dieser Offensive gibt.

Bis kurz vor Spielbeginn wird es keine endgültige Klarheit bezüglich der Personalie Goff geben. Damit werden die Seahawks sich auf zwei Spielertypen einstellen müssen. Um die Offensive ein erneutes Mal zu stoppen und ihren Teil zu einem Weiterzug in die Divisional Round beizutragen.

Seahawks-Quarterback Russell Wilson vs. Rams-Defense und vs. sich selbst.: Immer und immer wieder stellt sich die Frage: Wann kommt der glorreich aufspielende Russell Wilson von Saisonbeginn zurück? Die beste Zeit wäre genau jetzt. Wilson spielte nach der Partie gegen die Buffalo Bills den wohl schlechtesten Stretch seiner gesamten Karriere. Mittlerweile hat sich der Spielmacher der Seahawks stabilisiert, wenn auch mindestens eine Stufe unter der Form des Saisonstarts. Sowohl gegen die Los Angeles Rams als auch bei den San Francisco 49ers spielte Wilson in der zweiten Halbzeit und besonders im vierten Viertel stark auf. Getreu dem Mantra seines Head Coaches, der immer wieder predigt, dass Spiele im vierten Viertel gewonnen werden.

Auf Wilson und die Seahawks-Offensive wartet mit der Rams-Defensive einer der besten Verteidigungen der NFL. LA wird erneut versuchen, Wilson den langen Ball durch zwei tiefe Safetys komplett zu nehmen oder zu erschweren. Mit Ausnahme-Defensive-Tackle Aaron Donald und einer von Defensive Coordinator Brandon Staley herausragend eingestellten Abwehr wird viel Druck auf Wilson und seine Offensive Line zukommen. In zwei entscheidenden Drives (nach der Halbzeit und im vierten Viertel) konnte Wilson seine Offense gegen diese in Week 16 bravourös über das Feld führen. Um erneut siegreich vom Platz zu gehen, muss Wilson seine Mannen am Samstag mindestens genau so oft in die Endzone führen – eher sogar öfter.

Seahawks-Wide-Receiver DK Metcalf vs. Rams-Cornerback Jalen Ramsey (III): Zum dritten Mal darf man sich am kommenden Samstag auf dieses spektakuläre Duell freuen. Im Hinspiel meldete Ramsey Metcalf nahezu komplett ab. Im Rückspiel schoben die Seahawks ihren Top-Receiver etwas auf dem Platz umher, er spielte einige Snaps aus dem Slot. Auch um Ramsey aus dem Weg zu gehen. Man darf gespannt sein, was sich Brian Schottenheimer dieses Mal ausgedacht hat. Trotz einiger taktischer Kniffe wird Metcalf aber wohl die meiste Zeit mit Ramsey im direkten Zweikampf stehen. Metcalf hat alles Talent der Welt, um sich gegen die besten Cornerbacks der Liga durchzusetzen. Das hat er bereits gezeigt. Kann er diesmal den Rams im direkten Duell gegen Ramsey weh tun und erneut eine Fabelleistung wie bei seinem Playoff-Debüt gegen die Philadelphia Eagles vor einem Jahr auf den Platz bringen?

Der X-Faktor: Russell Wilson

Man kann nicht oft genug betonen, welchen Einfluss ein Quarterback auf ein Football-Team hat. Und so muss hier erneut Russell Wilson genannt werden. Wie bereits in den Matchups angesprochen, liegt das Weiterkommen vermutlich in seinen Händen. Die Defensive hat sich stark verbessert, die Nebendarsteller in der Offensive sind dieses Jahr als gut zu betrachten. Wilson hat die Fähigkeit, in den großen Spielen einen gänzlich anderen Modus einzuschalten. Den braucht es auch, um die eher schwächeren Wochen vergessen zu machen. Man sagt, in den Playoffs beginnt eine neue Saison. Und ein frischer Start ist vielleicht genau das, was der ehemalige Wisconsin Badger aktuell am besten gebrauchen kann.

  • Spieler des Spiels: DK Metcalf, der wie vor einem Jahr in den Playoffs nochmals einen Schalter umlegt und das brisante dritte Duell mit Jalen Ramsey diesmal für sich entscheidet.
  • Statistik des Spiels: Die Seattle Seahawks haben eine Serie von zehn gewonnenen Playoff-Partien im neuerdings umgetauften Lumen Field, die seit 2005 Bestand hat. In den Playoffs insgesamt stehen die Seahawks aktuell bei einem Record von 17-17, mit einer Heimbilanz von 12-2 und einer Auswärtsbilanz von 4-13. Die Bilanz im Super Bowl ist übrigens 1-2 und sollte dringend mal ausgeglichen werden.
  • Anekdote des Spiels: Trickspielzüge bei Punts sind das, was Partien zwischen Rams und Seahawks erst richtig unterhaltsam macht. Noch dazu, wenn die zwei Punter Michael Dickson und Johnny Hekker zu den besten der Liga gehören.

Der Hype-Faktor: Der einschultrige Jamal

Vielleicht geht dieser Tweet nach hinten los. Egal, Playoffs!

Das Fazit:

Die letzten Aufeinandertreffen zwischen den Seattle Seahawks und Los Angeles Rams waren nicht das, was man gemeinhin unter Offensiv-Feuerwerk versteht. Und auch diesmal wird es eher eine Abwehrschlacht werden. Beide Teams kennen sich gut. In diesen engen Duellen entscheidet, wie so oft, die Tagesform. Kurz gesagt: Welche Defense kann das Big Play oder den Turnover produzieren? Welcher der Quarterbacks kann in der Crunchtime glänzen? Oder sind vielleicht sogar die Special Teams am Ende der ausschlaggebende Faktor?

Eine Prognose zu diesem Spiel fällt schwerer als ohnehin schon bei regulären Begegnungen zwischen diesen zwei Mannschaften. Bringt Wilson pünktlich zur K.-o.-Phase der Saison wieder das auf den Platz, was er laut eigenem Selbstverständnis zu leisten vermag, so ist für die Seahawks neben dem Sieg am Samstag in den Playoffs so gut wie alles drin. Hat Wilson aber ähnliche Patzer drin wie in der zweiten Saisonhälfte, ist vielleicht schon Sonntagnacht Schluss mit dem Traum vom Super Bowl.

Russell Wilson war lange Zeit Seattles Baseline, die er dem Team trotz des nicht vorhandenen Supporting-Casts gegeben hat. Das Team um ihn herum ist besser und kompletter geworden – und jetzt ist Wilson das Ceiling der 2020er-Seahawks. Er entscheidet darüber, wie weit es gehen kann.

„One and done“ oder „won not done?“

Prognose: Die Seahawks gewinnen mit 17:13.