Verlängern oder verabschieden?

Unter General Manager John Schneider und Head Coach Pete Carroll wurden in der Vergangenheit verdiente Spieler, die wichtige Säulen des Teams darstellen, oftmals in der Offseason zwischen dem NFL Draft und der anstehenden Regular Season mit einem neuen Vertrag ausgestattet. Quarterback Russell Wilson oder Ex-Seahawk Richard Sherman wurden unter anderem vor ihrem letzten Vertragsjahr mit einer Gehaltserhöhung belohnt. Hiermit wollten die Verantwortlichen auch verhindern, dass solche Spieler – Säulen der Mannschaft – das Team in Richtung Free Agency verlassen.

Auch in dieser Saison gehen fünf Stammspieler in ihr letztes Vertragsjahr. John Schneider und Co. müssen sich daher bereits jetzt mit möglichen Vertragsverlägerungen vor oder während der Regular Season befassen.

Eine Analyse zu möglichen Vertragsverlängerungen dieser Spieler. Laut der Website ‚Over The Cap‘ haben die Seahawks im Jahr 2018 einen Cap Space von etwa elf Millionen Dollar. Nach der kommenden Regular Season im Jahr 2019 hätte man allerdings etwa 66 Millionen Dollar an freiem Cap Space.

Defensive End Frank Clark:

Junge, talentierte Pass Rusher sind rar in der NFL. Gut 17 Millionen Dollar verdienen die bestbezahlten Defensive Ends in der NFL momentan. Entsprechend teuer könnte Frank Clark werden, der momentan noch unter seinem billigen Rookie-Vertrag gut eine Million verdient.

Aufgrund des Mangels an Pass Rushern im momentanen Kader der Seahawks ist Frank Clark eine absolute Top-Priorität für einen neuen Vertrag. Clark ist 25 Jahre alt und kam im NFL Draft 2015 als Zweitrundenpick nach Seattle. Trotz seiner etwas schwächeren Rookie-Saison (drei Sacks) konnte Clark in 46 Spielen über drei Spielzeiten hinweg 22 Sacks sowie 95 Tackles sammeln. Darüber hinaus konnte er fünf Fumbles forcieren. Beeindruckend ist, dass er dies als Backup hinter den Startern Bennett und Avril schaffte.

Für Frank Clark lohnt sich ein Blick auf die Zahlen von Defenisve End Olivier Vernon. Er hatte ähnliche Statistiken nach drei Jahren in der NFL vorzuweisen. Der Giants-Verteidiger produzierte als Starter über diesen Zeitraum 21,5 Sacks sowie 127 Tackles, was ihm später einen Fünfjahresvertrag über 85 Millionen Dollar (ca. 17 Millionen pro Jahr) einbrachte. Vernon gehört momentan zu den bestbezahlten Defensive Ends in der NFL.

Der Spieler, der am meisten mit Clark verglichen werden kann ist Defensive End Danielle Hunter von den Minnesota Vikings. Im selben Draft wurde er nur eine Runde später ausgewählt. Wie auch Clark kam er zunächst als Rotationsspieler in der qualitativ tief besetzten Defensive Line seines Teams zum Einsatz und kann über drei Jahre sehr ähnliche Statistiken vorweisen. Bei ihm stehen 25,5 Sacks und 134 Tackles zu Buche. Vor wenigen Tagen wurde Hunter dafür mit einem Fünfjahresvertrag über 72 Millionen Dollar bei einem Signing Bonus von 15 Millionen Dollar ausgestattet.

Wie viel Geld Clark in einem zweiten Vertrag verlangen könnte, hängt jedoch auch sehr von seiner Performance in diesem Jahr ab. Möglicherweise könnte John Schneider mit einer vorzeitigen Vertragsverlängerung Geld sparen, was jedoch auch ein gewisses Risiko mit sich bringt. In diesem Fall würde Clark etwa genauso viel Geld kosten wie Hunter von den Vikings und jährlich zwölf bis 14 Millionen Dollar verdienen. Sollte er jedoch eine starke Saison spielen und die Free Agency erreichen, würde Clark wahrscheinlich 17 bis 18 Millionen Dollar pro Jahr verlangen und wohl nur mit einem Franchise Tag zu halten sein.
Aus Sicht von Seattle möchte man jedoch eventuell mit Vertragsgesprächen abwarten und sehen, ob Frank Clark in der Lage ist die Last als unangefochtene Nummer eins im Pass Rush der Seahawks zu tragen.

Eine vorzeitige Verlängerung ist trotz des geringen Cap Space in diesem Jahr durchaus möglich. Bei einem neuen Vertrag könnte Clark wie auch Hunter einen Signing Bonus von 15 Millionen Dollar erhalten und im ersten Jahr seines neuen Vertrages beispielsweise eine Million Dollar als Grundgehalt verdienen. Anders als das Grundgehalt würde der Signing Bonus über die restliche Vertragslaufzeit aufgeteilt werden und nur zu einem kleinen Teil gegen den Cap zählen und eine Verlängerung so möglich machen.

Prognose: Clark unterschreibt einen Fünfjahresvertrag mit etwa 15 Millionen Dollar pro Jahr während der Regular Season.

Wide Receiver Tyler Lockett:

Nachdem WR Paul Richardson Seattle via Free Agency verlassen hat, ist Lockett der zweite Receiver in der Depth Chart. Dass man Richardson ziehen ließ, kann auch als Entscheidung zugunsten des vielseitig einsetzbaren Lockett sein, der sowohl als Receiver als auch im Return-Spiel bei den Special Teams gefährlich ist.

Nichtsdestotrotz kam Lockett, der im Jahr 2015 von den Seahawks in der dritten Runde ausgewählt wurde, in der vergangenen Saison nicht über 555 Receiving-Yards sowie zwei Touchdowns hinaus.

In einem Interview ließ Lockett bereits verlauten, dass er durch seine Verletzung Ende 2016 noch etwas beeinträchtigt war und sich nicht komplett fit fühlte. Auch bei Lockett könnte eine vorzeitige Vertragsverlängerung zum jetzigen Zeitpunkt viel Geld sparen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass man seine Leistungen abwarten und Vertragsgespräche erst nach der Regular Season angehen wird. Dann würde Seattle auch eine höhere Flexibilität in Sachen Cap Space haben. Wie bei Richardson besteht bei Lockett jedoch auch die Gefahr, ihn dann über die Free Agency zu verlieren.

Prognose: Über seinen Marktwert und eine mögliche Vertragsverlängerung lässt sich im Moment noch nicht viel sagen, da dies stark von seinen Leistungen in diesem Jahr abhängt. Darüber hinaus wird die Performance von Receivern wie David Moore oder Amara Darboh, die in ihr zweites Jahr gehen, entscheiden, ob man gewillt ist, Lockett langfristig einen relativ hochdotierten Vertrag anzubieten.

Left Tackle Duane Brown:

In einem Trade mit den Houston Texans nach der Hälfte der vergangenen Regular Season wurde Duane Brown, dessen Vertrag 2019 ausläuft, nach Seattle geholt. Dass Tackles in der NFL bis Mitte 30 oder länger auf hohem Niveau spielen können, zeigt zum Beispiel die hervorragende vergangene Saison von Andrew Whitworth, Left Tackle der Los Angeles Rams. Duane Brown spielte 2016 und 2017 auf einem hohen Niveau. ‚Bleacher Report‘ bewertete ihn 2016 als den zwölftbesten Left Tackle und als 16.-besten Left Tackle im Jahr 2017. Pro Football Focus bewertete den 32 Jahre alten Pro Bowler als 27.-besten Tackle (inklusive Right Tackles). Dabei muss aber auch berücksichtigt werden, dass Brown etwa die Hälfte der Saison aufgrund seines Holdouts bei den Texans verpasste. Es ist daher zu erwarten, dass er sich im Laufe der Offseason besser mit seinen Teamkollegen einspielen kann als mit der kurzen Vorbereitungszeit in der letzten Saison.

Wenn man einen Blick auf den Left Tackle-Markt wirft, kann man grob prognostizieren, welchen Vertrag Duane Brown anstreben könnte. Mit 15,5 Millionen Dollar pro Jahr verdient Nate Solder bei den New England Patriots seit dieser Offseason am meisten. Aufgrund seines Alters ist dies für Brown jedoch unrealistisch. Im letzten Vertragsjahr verdient er bei den Seahawks 9,75 Millionen Dollar, was sein Grundgehalt ist. Eine vorzeitige Vertragsverlängerung würde den aktuellen Cap Space sogar erhöhen. Ein Vertrag wie jener von Andrew Whitworth, den Brown mit den Seahawks bei einer Verlängerung unterzeichnen könnte, ist realistisch. Whitworth ist der zehntbestbezahlte Left Tackle und verdient 11,25 Millionen Dollar pro Jahr. Hiervon sind 44,4 Prozent garantiert.

Bei einer Vertragsverlängerung würde sich Browns Belastung gegen den Cap Space für dieses Jahr normalerweise reduzieren, da man sein Grundgehalt von 9,75 Millionen Dollar von seinem alten Vertrag zum Großteil in einen Signing Bonus umwandeln kann, sodass er noch eine bis eineinhalb Millionen Dollar Grundgehalt verdient. Eine Verlängerung ist aus finanzieller Sicht also noch in diesem Jahr möglich. Würde er einen Signing Bonus von etwa zehn Millionen Dollar erhalten, könnte dieser bei einer Vertragslaufzeit über vier Jahre gleichmäßig auf die Vertragsjahre aufgeteilt werden und den Cap Space in diesem Jahr entlasten, da auf sein prognostiziertes gleichbleibendes Grundgehalt nur noch der Signing Bonus (in diesem Fall 2,5 Millionen Dollar pro Jahr) gegen den Cap zählen würde. So würde sich sein Cap- Hit in diesem Jahr nur noch auf etwa vier Millionen Dollar belaufen.

Bemerkenswert ist, dass John Schneider direkt nach dem Trade für Brown sagte, dass man ihn bis zu seinem Karriereende in Seattle behalten wolle, was zusätzlich für eine Verlängerung spricht. Vertragsgespräche gab es bis jetzt jedoch noch nicht. Wahrscheinlicher ist eine Verlängerung zur Mitte der Regular Season. Bis dahin wird man sehen, wie gut Brown mit dem neuen Scheme von O-Line Coach Mike Solari zurechtkommt und wie sich Backups wie George Fant oder Jamarco Jones entwickeln.

Prognose: Vertragsverlängerung über 4 Jahre bei 11,5 Millionen Dollar pro Jahr mit der Möglichkeit, ihn nach dem dritten Jahr teamfreundlich zu entlassen.

Linebacker K.J. Wright:

Wright ist zusammen mit Bobby Wagner eine der wichtigsten Defensivsäulen. Der Pro Bowler bekam bereits einen zweiten Vertrag von Seattle, der nun jedoch zur kommenden Saison ausläuft. Darüber hinaus merkte er bereits an, dass er für einen dritten Vertrag mit Seattle offen wäre. Wright wird dann bereits 30 Jahre alt sein, das Verletzungsrisiko wird nicht kleiner. Momentan verdient der Linebacker gut acht Millionen Dollar.

Aus Sicht der Seahawks wäre es erstrebenswert, seinen Vertrag zu verlängern, sollte er auch in dieser Saison verletzungsfrei bleiben und gute Leistungen zeigen. Auf und neben dem Platz ist Wright ein absolutes Vorbild und ein Anführer. Sein Wert für das Team wird oft unterschätzt, obwohl er sich im Schatten von Bobby Wagner und der Legion of Boom zu einem Pro Bowler entwickelt hat. Sollte Wright weiter konstant gut spielen, wird er vermutlich eine Vertragsverlängerung während der Regular Season bekommen.

Bei ihm würde sich der Cap Hit in diesem Jahr wie bei Duane Brown durch eine Vertragsverlängerung ebenfalls verringern. Cap-technisch verhält es sich bei Wright ähnlich, da man sein Grundgehalt in einen Signing Bonus verwandeln und so in diesem Jahr Geld einsparen könnte.

Prognose: Wright erhält einen Dreijahresvertrag (etwa 9 bis 10 Millionen Dollar pro Jahr).

Free Safety Earl Thomas:

Nach Trade-Gerüchten in der Offseason befindet sich Earl Thomas im Holdout, da er einen neuen Vertrag möchte. Sollte Thomas dennoch alle Spiele bestreiten, würde er 10,4 Millionen Dollar verdienen. Der Free Safety möchte jedoch allem Anschein nach schon jetzt der bestbezahlte Safety der NFL werden. Momentan ist Eric Berry von den Kansas City Chiefs mit etwa 13 Millionen Dollar pro Jahr der bestbezahlte Spieler auf dieser Position.
Thomas wird bei einem neuen Vertrag wohl mindestens 13 Millionen Dollar jährlich fordern. Aufgrund seiner Bedeutung für Seattle und seinen konstant starken Leistungen hätte Thomas es verdient, einen solchen Vertrag zu bekommen.

Die Frage, die sich die Verantwortlichen in Seattle jedoch stellen müssen ist, ob sie es sind, die bereit sind so viel Geld für Thomas hinzulegen. Hinzu kommt, dass Thomas in der nächsten Saison 30 Jahre alt sein wird, was auch eher gegen eine langfristige Vertragsverlängerung spricht. Nach der Verletzung von Strong Safety Kam Chancellor – der Strong Safety verletzte sich in der vergangenen Saison kurz nachdem er einen neuen Vertrag bekommen hatte – werden sich John Schneider und Pete Carroll sehr gut überlegen, ob sie dieses Risiko noch einmal eingehen wollen. In den vergangenen beiden Spielzeiten verpasste Thomas aufgrund von Verletzungen bereits sieben (!) Spiele.

Sein Holdout wird wahrscheinlich nicht zu einer Vertragsverlängerung beitragen. Thomas würde eher Geld verlieren als einen neuen Vertrag zu erzwingen. Bereits beim Holdout von Kam Chancellor vor der Regular Season 2015 blieb John Schneider hart. Darüber hinaus muss Thomas auch aus eigenem Interesse den Holdout noch in dieser Saison beenden, da sich sein Vertrag sonst automatisch zu den gleichen Konditionen wie in diesem Jahr um ein Jahr verlängern würde. Der Franchise Tag wäre eine weitere, wenn auch eher unwahrscheinlichere, Option, Thomas über diese Saison hinaus in Seattle zu halten.

Prognose: Thomas wird keinen neuen Vertrag bekommen und Seattle entweder via Trade oder nach dieser Saison über die Free Agency verlassen.

Fazit:

Auch wenn Seattle genügend Cap Space dazu hätte, wird mit großer Wahrscheinlichkeit nicht jeder hier aufgeführte Spieler gehalten werden können. John Schneider und Co. müssen sich gut überlegen, wem sie welchen Vertrag aushändigen wollen, da (insbesondere) teure Vertragsverlängerungen mit einem hohen Risiko einhergehen.

Relevant ist auch die Reihenfolge, in der man die Verträge verlängert. Wenn man gewillt ist, mehrere Spieler zu verlängern, müsste man zunächst Tyler Lockett und Frank Clark mit einem neuen Vertrag ausstatten, damit man weiß, wie man mögliche neue Verträge von Wright, Brown oder Thomas angehen könnte, um in diesem Jahr noch ausreichend Flexibilität im Cap zu haben. Außerdem ist zu beachten, dass man bei einer Entlassung von Punter Jon Ryan, die wahrscheinlich ist, noch Cap Space in diesem Jahr einsparen könnte.

Darüber hinaus könnte man auch über eine Vertragsverlängerung von zukünftigen potenziellen Leistungsträgern wie CB Justin Coleman und DE Dion Jordan nachdenken, die nur für diese Spielzeit einen Vertrag in Seattle haben und bei einer starken Saison sehr teuer werden könnten.

Das Front Office der Seahawks hat eine Menge wichtiger Entscheidungen und viel Arbeit vor sich.