„Thanks for asking!“ – Meine Meinung zum NFL Draft 2015

Kommentar

Nachdem der NFL Draft 2015 beendet ist und 256 Spieler von den 32 Teams ausgewählt wurden, brennen uns Fans natürlich einige Fragen auf der Zunge: Wie gut sind unsere jungen Talente? Inwieweit können sie dem Team weiterhelfen? War es ein erfolgreicher Draft aus Sicht der Seattle Seahawks?

Die Beurteilung des kompletten Draft können wir nicht heute und auch noch nicht in einem Jahr vornehmen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass eine objektive Bewertung erst nach ein paar Jahren möglich ist. Einige Spieler schlagen sofort ein und werden ein unverzichtbarer Baustein des Teams, andere Spieler benötigen ein paar Jahre Entwicklungszeit und können eventuell erst in dann dem Team weiterhelfen. Dennoch möchte ich zu ein paar Draft Picks meine Meinung äußern.

Vor dem NFL Draft 2015 hatte ich folgende Needs auf meinem Board stehen:

  • Offensive Line
  • Wide Receiver
  • Defensive Back
  • Pass Rush

In der Offensive Line sah ich den größten Need des Teams. Die Abgänge von James Carpenter und Max Unger fallen schwer ins Gewicht. Insbesondere wenn wir bedenken, dass diese Einheit bereits in der abgelaufenen Spielzeit eine beziehungsweise die größte Schwachstelle des Teams war.

So war es für mich sehr überraschend, dass Head Coach Pete Carroll und General Manager John Schneider erst am Ende der 4. Runde mit OT Terry Poole und OG Mark Glowinski Verstärkung für die Offensive Line gedrafted haben. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits 25 Offensive Linemen von anderen Teams ausgewählt worden.

Ich persönlich hätte mir bereits in Runde 2 die Auswahl eines O-Liners gewünscht. Vor allem da am Ende der 2. Runde noch Spieler wie A. J. Cann, Hroniss Grasu und sogar T. J. Clemmings, der vor einigen Tagen noch als First-Round Pick galt, auf dem Board waren.

Inwieweit Poole und Glowinski dem Team sofort weiterhelfen können, werden wir im Trainings Camp sowie in der Preseason sehen. Zusammen mit Alvin Bailey werden sie im Camp um den Startplatz als Right Tackle kämpfen.

Eine weitere Überraschung aus meiner Sicht ist die Tatsache, dass ein kein klassischer Center gedrafted oder als Undrafted Free Agent (UDFA) verpflichtet wurde. Vor allem, da in den späteren Runden noch einige interessante Kandidaten verfügbar waren. Unter diesem Gesichtspunkt würde es mich nicht wundern, wenn in den nächsten Wochen ein Free Agent-Center, beispielsweise Chris Myers, verpflichtet wird.

Als zweitwichtigsten Need hatte ich die Wide Receiver-Position ausgemacht. Gerne hätte ich einen großen Ballfänger nach Seattle kommen sehen, der auf den Außenbahnen spielen kann, genug Speed hat, um einem Cornerback wegzulaufen und gute Fähigkeiten als Blocker vorweisen kann. Die Beschreibung passt im Grunde genommen sehr gut auf Chris Conley, der mit Pick #76 in der 3. Runde von den Kansas City Chiefs gedrafted wurde.

Als der Trade mit den Washington Redskins vermeldet wurde, der uns von Pick #95 auf #69 springen ließ, waren Chris Conley und auch Jaelen Strong, der als sehr wahrscheinlicher First-Round Pick in den Draft ging, noch verfügbar.

Stattdessen wurde WR Tyler Lockett (Kansas State) ausgewählt. Je mehr ich mich mit Lockett beschäftige, desto mehr mag ich den Pick. Schaut man auf seine College-Statistiken (249 Receptions, 3.710 Yards and 29 Touchdowns in vier Jahren) sowie auf seine Zahlen des NFL Scouting Combine (Top-Performer in drei Kategorien) verwundert es nicht, dass die Seahawks in ausgewählt haben. Pete Carroll ist immer auf der Suche nach Spielern, die Ausnahmefähigkeiten mit sich bringen. Ich mag den Pick sehr. Vor allem da er unser Return Game auf anhieb verbessern wird.

Inwieweit er uns in der Offense sofort weiterhelfen kann, wird sich zeigen. Der NFL.com-Scouting Report beschreibt Lockett als sehr intelligenten Spieler mit ordentlichem Speed, gutem Route Running sowie als guten Blocker. Die Scouts sagen aber auch, dass er in der NFL Probleme mit Press Coverage bekommen wird, nicht kräftig genug für einen Full Time Kickoff Returner ist und seine Hände etwas zu wünschen übrig lassen. Zudem ist er mit 5-11 nicht der große WR, den ich mir seit Langem ersehne. Daher sehe ich ihn zurzeit eher als Slot Receiver. Persönlich glaube ich nicht, dass er sonderlich viel Spielzeit in der Offense erhalten wird. In erster Linie wird er wohl in unseren Special Teams zum Einsatz kommen und unser Return Game auf Vordermann bringen.

Übrigens, er selbst vergleicht sich von der Spielweise her mit Antonio Brown, der ebenfalls 5-11 misst. Sollte Lockett sich zu einem ähnlichen Receiver entwickeln, haben wir einen sehr guten Spieler in der 3. Runde gewählt.

Eine Frage, die in Verbindung mit diesem Pick auftaucht, ist durchaus nachvollziehbar: Haben wir zu viel für den Uptrade gezahlt? Um auf Position 69 zu kommen gingen die Picks #95, #112, #167 und #181 nach Washington. Eine Menge Material, mit dem unter anderem die Offensive Line früher aufgewertet werden hätte können.

Auch diese Frage kann im Grunde genommen heute noch nicht beantwortet werden. Zum jetzigen Zeitpunkt halte ich den Trade für in Ordnung. Wir hatten bereits vor der Draft einen tiefen Kader und waren eines der Teams mit den meisten Picks (elf Stück). Die These, dass elf Rookies das 53er-Aufgebot aus  dem Camp schaffen, halte ich persönlich für unwahrscheinlich. Aber eins ist klar: Sofern Lockett nicht die erhofften Leistungen zeigt und Poole und Glowinski ebenfalls hinter den Erwartungen zurückbleiben, wird der Trade als einer der schlechteren Draft Moves in die Historie von John Schneider eingehen.

Abschließend möchte ich auf unseren Second-Round Pick eingehen. Ein Pick über den die Medien die nächsten Tage, Wochen und eventuell auch Jahre kritisch berichten werden. Mit Pick #63 holten die Seahawks DE Frank Clark von der University of Michigan nach Seattle.

Dass mit diesem Pick ein Defensive End gedrafted wurde, ist gar nicht so überraschend. In einigen Mock Drafts wurde den Seahawks ein Pass Rusher/LEO zugeordnet. Dass es am Ende Frank Clark wurde, ist hingegen eine große Überraschung!

Im November flog er von der Uni, weil er seine Freundin geschlagen haben soll. Ein Gericht konnte dies aber nie nachweisen, sodass er „nur“ wegen Ruhestörung verurteilt wurde. Bis zum heutigen Tag bestreitet Clark, dass er seine damalige Freundin geschlagen hat.

Das Vorkommnis mit Clarks damaliger Freundin war leider nicht der erste Vorfall, bei dem der Spieler Probleme mit dem Gesetz bekam: Als Freshman wurde bei ihm ein gestohlener Laptop gefunden.

Nach dem Pick äußerte sich John Schneider wie folgt:

„Our organization has an in-depth understanding of Frank Clark’s situation and background,“ Schneider said, reading from a hand-written statement. „We have done a ton of research on this young man. There hasn’t been one player in this draft that we have spent more time researching and scrutinizing more than Frank. That’s why we have provided Frank with this opportunity and are looking forward to him succeeding in our culture here in Seattle.“

Auch Clark sprach mit den Medien und sagte folgende Worte:

„I’m not saying that I did anything wrong as far as putting my hands on a woman because the case played out how it did and I’m sure it reflected that,“ he said, referring to the domestic-violence charge being reduced. „But I am sorry and I do apologize to everyone who I may have affected.“…“I just want all the fans, I want everyone just to have faith in me,“ he said. „Give me a couple of years and believe in me and I promise you – I’m saying it right now – I promise they won’t be upset.“

Die Beurteilung dieses Picks fällt sehr schwer. Jeder sollte für sich selbst entscheiden, was er von der Auswahl hält und, ob er Frank Clark die Chance geben möchte, die er sich von uns Fans erhofft. Aus reiner Football-Sicht kann er eine große Verstärkung für unseren Pass Rush sein.

Persönlich beurteile ich den Draft aus Seahawks-Sicht als solide. Allerdings kann ich es auch gut nachvollziehen, wenn mehrere Experten und Medien unsere Auswahl als mittelmäßig bis schwach bewerten. Gegen eine gute Bewertung sprechen ein paar Fragezeichen, die herausstechen. Der Clark-Pick, die späten Picks für die O-Line oder, dass kein Center ausgewählt wurde.

Auf der anderen Seite gibt es aber auch positive Tatsachen, die nicht vergessen werden dürfen. Als unser First-Round Pick kommt Jimmy Graham, ein Top-Tight End nach Seattle. Quarterback Russell Wilson erhält mit ihm endlich die große Anspielstation, die uns hoffentlich in der Redzone große Dienste leisten wird. Da lässt es sich verkraften, dass kein großer WR in den frühen Runden gewählt wurde. Dafür haben wir in Person von Tyler Lockett einen sehr intelligenten WR mit außergewöhnlichen athletischen Fähigkeiten bekommen. Seine Anwesenheit wird vor allem unserem Return Game einen Schub verleihen – und das war in der vergangenen Season kaum bis überhaupt nicht vorhanden.

Und einen letzten Punkt dürfen auch nicht außer Acht lassen: Der NFL Draft 2012 der Seahawks wurde von vielen Experten extrem schlecht beurteilt. Nach heutigem Stand ist die 2012er-Klasse die beste der Teamgeschichte. In John and Pete we trust!

Nach dem Draft wurden noch einige Spieler als Undrafted Free Agents verpflichtet. Zwei davon möchte ich kurz erwähnen, da hinter ihren Namen interessante Geschichten stecken:

Mit Nate Boyer wurde ein 34-jähriger Long Snapper verpflichtet, der an der University of Texas spielte und anschließend zur Army ging. In den U.S. Army Special Forces war er sowohl in Afghanistan als auch im Irak im Einsatz. Nun erhält er die Chance, seinen Traum von der NFL wahr werden zu lassen. Seine Chancen auf einen Platz im Kader sind gering, aber die Geschichte hinter seiner Verpflichtung ist eine Erwähnung wert.

Mit Keenan Lambert haben wir einen Strong Safety (Norfolk State) verpflichtet. Kam Chancellor und Lambert spielen nicht nur die gleiche Position, sondern kennen sich bereits seit geraumer Zeit. Lambert ist Chancellors Halbbruder – die beiden Athleten sind zusammen aufgewachsen.

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