See A Hawk: Darrell Taylor

Darrell Taylor (Foto: imago)

Nachdem die Seattle Seahawks dieses Jahr nicht in der 1. Runde des NFL Draft per Trade nach unten wanderten, ging es am zweiten Tag der Talentauswahl sogar in die umgekehrte Richtung. Für Defensive End Darrell Taylor von den Tennessee Volunteers haben die Seahawks einen Uptrade gewagt. Ein Blick auf die letzten Uptrades von John Schneider – namentlich Tyler Lockett, Jarran Reed und DK Metcalf – macht Hoffnung. Sollte sich Taylor in diese Riege einreihen, ist er gewiss nicht in schlechtester Gesellschaft. Werfen wir einen genaueren Blick auf den Frischling im Seahawks-Kader.

In der Rubrik „See A Hawk“ stellen wir in unregelmäßigen Abständen Spieler der Seattle Seahawks – oftmals Draft-Neuzugänge – etwas genauer vor.

DE Darrell Taylor

Kurzinfos:

  • College: Tennessee (2015-2019)
  • Alter: 23 Jahre (24. März 1997)
  • Größe: 193 cm
  • Gewicht: 115 kg
  • Armlänge: 84 cm
  • Handgröße: 25 cm
  • Draft: 2. Runde, Pick #48

College-Statistiken (2019):

  • Spiele: 13
  • Sacks: 8,5
  • Tackles (Solo/Gemeinsam): 46 (28/18)
  • Pässe verteidigt: 4
  • Fumbles (Forciert/Erobert): 2 (1/1)

Werdegang

Aufgewachsen ist Darrell Taylor in Hopewell, Virginia. Dies jedoch bei seiner Tante, denn Taylors Mutter hatte immer wieder Probleme mit dem Gesetz und landete schließlich im Gefängis. 2013 verstarb sie an Brustkrebs.

Als ehemaliger Vier-Sterne-Rekrut durchlief Taylor die Universität in fünf Jahren. Ein Jahr davon verbrachte er als sogenannter Redshirt: Er nahm ganz normal am Trainingsbetrieb teil, war aber für die erste Saison nicht spielberechtigt, um sich ein Jahr der vier zugelassenen Jahre Spielberechtigung aufzusparen. Gründe dafür sind Kadertiefe, Eingewöhnungszeit oder bedingt durch den Sprung von der High School ans College Nachholbedarf im physischen Bereich.

Taylors College-Laufbahn war durch einige Ereignisse geprägt, die nicht immer positiv waren. Im Jahr 2017 wurde er für zwei Spiele gesperrt. Die Gründe sind nicht eindeutig geklärt, es sollen aber mehrere gewesen sein. Die Suspendierung war vorerst auf unbestimmte Zeit ausgesprochen worden. Im Oktober 2017 geriet Taylor im Training mit O-Liner Trey Smith aneinander und trat ihm dabei ins Gesicht.

2018 sagte ein namentlich nicht genannter Trainer über Taylor, dass dieser mehr Videostudium betreiben könne und im Training konstanter an sich arbeiten müsse.

Inzwischen scheint bei Taylor ein Reifeprozess eingetreten zu sein. Er sagt über sich selbst, dass er in der Saison 2019 viel härter hätte spielen müssen. Berücksichtigt man, dass Taylor die gesamte Saison 2019 mit einem Ermüdungsbruch spielte, ist das eine verwunderliche Aussage, die aber Hoffnung auf einen gereiften Jungprofi mit Steigerungspotenzial hoffen lässt.

Auch die Trainer hat Taylor nach nicht immer ganz einfachen Jahren versöhnlich gestimmt. Der Defense-Coordinator der Vols etwa attestierte Taylor Führungsstärke. Bleibt zu hoffen, dass Taylor die große Chance NFL ergreift und nutzt.

Videoanalyse

Darrell Taylor ist ein schneller und athletischer Defensive End, eignet sich dadurch vor allem auch als Speed Rusher. Er besitzt einen niedrigen Körperschwerpunkt und kann an der Line of Scrimmage immer wieder gefährlich werden. Taylor ist dabei ein sehr disziplinierter Spieler: Er rennt nicht schnell und blind in die Lücke, für die er verantwortlich ist, sondern wartet in der Laufverteidigung geduldig ab und kann dann den Lauf gezielt stören. Setzt der gegnerische Quarterback zum Wurf an, ist Taylor in der Lage, schnell zum Spielmacher durchzustoßen. Ist er an der Offensive Line vorbei, besitzt er die nötige Geschwindigkeit, um auch schnelle, flinke Quarterbacks nicht entwischen zu lassen. Auch wenn der Spielzug sich von Taylor weg entwickelt – beispielsweise ein Lauf auf die ihm gegenüberliegende Seite –, spielt er die Snaps in der Regel zu Ende und kann trotzdem störend und entscheidend eingreifen.

Taylors Antritt beim Snap ist schwankend. Ist er konzentriert und reagiert nach dem Snap schnell, stoppt ihn kaum jemand. Die Offensive Line kommt nicht in ihren Stand und kann Taylor daher nicht überpowern – zu schnell ist er dann am Gegenspieler vorbei. Riefe Taylor das in großer Regelmäßigkeit ab, wäre er deutlich effektiver.

Denn der stärkste und kräftigste Defensive End ist Taylor nicht. Ist er einmal fest in den Händen der Offensive Line, fällt es ihm schwer, sich aus den Fängen des Gegners zu befreien. Hier bedarf es einen Mix aus mehr Kraft und ausgefeilterer Technik, um in solchen Situationen auch später im Play noch Einfluss auf das die gegnerische Aktion zu nehmen.

Größte Stärke: Taylor (Trikotnummer 19) kommt in folgender Szene schnell aus seinem Drei-Punkt-Stand, landet den ersten guten Schlag gegen den Spieler aus der Offensive Line und kommt damit sofort um ihn herum. Durch seine Schnelligkeit kann er sich endgültig lösen und Jagd auf den Quarterback machen. Den Spielzug bringt Taylor zu Ende, setzt das Tackling sicher und bringt den Quarterback zu Boden, obwohl dieser sich zu lösen versucht. Solche Plays in größerer Regelmäßigkeit (Stichwort: Konstanz) werden auch in der NFL zu einer guten Produktion führen.

Größte Schwäche: In folgendem Video werden die Schwächen von Taylor offenbart. Er kommt als einer der letzten Spieler der Defensive Line aus dem Stand, hat den Zeitpunkt des Snaps verpasst. Die Offensive Line konnte sich bereits sicher positionieren und kommt robust daher. Durch fehlende Kraft kann sich Taylor nun nicht mehr lösen, wird viel mehr vom Offensive-Line-Spieler durch die Gegend bewegt. Er kann zu keinem Zeitpunkt mehr Druck auf den Quarterback aufbauen.

Seahawks-Vergleich: Ein körperlich robusterer Shaquill Griffin, der aber ebenfalls vorzugsweise über Geschwindigkeit statt Kraft und Masse punkten kann.

Fazit

Die Seattle Seahawks haben sich mit Darrell Taylor einen athletischen Defensive End gesichert, der über seine Geschwindigkeit immer wieder gefährlich sein kann. Er hat athletische Fähigkeiten die ihn zu einem guten und produktiven Spieler in der NFL machen können. Sein Entwicklung wird aber maßgeblich davon abhängig sein, wie er seine Pass-Rush-Techniken über die Jahre entwickeln kann. Über die Jahre bedeutet aber auch, dass er – ähnlich wie anderen Defensive Ends, die vom College in die NFL kommen – in seinem Rookie-Jahr noch kein großer Faktor sein könnte. Das hat bei den Seahawks schon fast Tradition, wenn man Spieler wie beispielsweise Frank Clark oder Rasheem Green betrachtet. Wünschenswert wäre aufgrund der aktuellen Personalsituation ein schnelles Einleben in der NFL und eine gute Produktion Taylors ab Woche 1 – mit vollständig verheilten Knochenbrüchen und voller Leistungsfähigkeit.