Seahawks-Draft Check 2023 – Die Edge Rusher-Klasse unter der Lupe

Alabama Crimson Tide Edge Rusher Will Anderson Jr NFL Draft 2023

Foto: Sean Gardner/Getty Images

Edge Rusher bitte melden! Oder „Living on the Edge“ und damit getreu dem Motto: „Nur gucken, nicht anfassen!“ So agierten die Defensive Ends und Outside Linebacker der Seattle Seahawks mehrheitlich in der vergangenen Saison. Daher haben John Schneider und Co. eigentlich einen klaren Auftrag im NFL Draft 2023 (oder in der Free-Agency) – und der kann nur lauten: mehr Sacks, mehr Druck und Unterstützung für Uchenna Nwosu, Darrell Taylor und ihre Defensive Line-Kollegen.

Die Draft-Klasse von 2023 bietet in dieser Positionsgruppe den vermeintlich ersten Nicht-Quarterback-Pick mit Will Anderson Jr. und auch einigen weiteren, spannenden Spielern, die sich aufdrängen. In den ersten beiden Runden könnten die 12s aus dem Mund von NFL-Chef Roger Goodell also den ein oder anderen Namen hören, den wir hier in der Folge auflisten werden. Natürlich handelt es sich dabei um eine rein subjektive Einschätzung und kein offizielles Ranking – los gehts:

Will Anderson Jr. (21), Alabama

Er läuft wie ein Schweizer Uhrwerk: Als Edge Rusher könnte bei jedem Spielzug auf dem Feld stehen und die Coaches würden es nicht bereuen. Von Pro Football Focus (PFF) auf Rang drei geführt und sicherlich der erste „Nicht-Quarterback“ der vom Ladentisch gehen könnte. Will Anderson Jr. ist 1,93 m groß und 107 kg schwer und kommt aus Hampton, Georgia, und damit aus einer Region der USA, in der man weiß, wie Defensive geht. Wobei: in der Highschool wurde Anderson noch als Running- bzw. Fullback aufgestellt. Doch Spieler wie Richard Sherman oder Tariq Woolen zeigten in den vergangenen Jahren im Roster der Seahawks, dass es nicht schaden kann, „beide“ Seiten des Balles zu kennen.

Stärken

Als „wütend“ oder „energisch“ könnte man Andersons Spiel bezeichnen. Sein frühester Förderer war sein Vater, Will Senior, der ihm früh beibrachte „nein deine (vielen) Schwestern kannst du nicht tacklen, deine Gegner schon“ – und das zeigte er seinen Förderern und Trainern zuhauf. 14 und 15 Sacks in den vergangenen beiden College-Saisons im Team von Head Coach Nick Saban sprechen eine deutliche Sprache. Ebenso neun bis elf Hits in einer konstant hohen Anzahl von Spielen und Snaps. Geschwindigkeit und Explosivität, gerade mit den ersten Schritten kennzeichnen seinen Spielstil, der am ehesten in der NFL aktuell mit Von Miller (Buffalo Bills) zu vergleichen ist. Anderson kann mit seinen Fähigkeiten nahezu jede Laufverteidigung der NFL verstärken. Deshalb könnten besonders die Seahawks diese Fähigkeit gut gebrauchen. Seine Rushes zum gegnerischen Quarterback sind bereits legendär:

Schwächen

„Ich sage nicht, dass er keine Schwächen hat. Ich habe nur keine gefunden.“ Kommt nicht von mir, sondern von Andersons ehemaligen Defensive Coordinator Pete Golding (Alabama). Schaut man auf seine Größe, möchte man meinen, er sei etwas zu klein – doch dieses Menetekel wusste er während des Pro-Days mit Tempo zu widerlegen. Dennoch: ein gegnerischer Offensive Tackle, der ihn aus seiner gewohnten Umgebung heraus reißt, kann ihm mit purer Physis gefährlich werden.

Fazit zu Will Anderson Jr.

Der „Terminator“ wird seinem Spitznamen gerecht und dürfte ob seines Talents sicher in den ersten Picks gezogen werden. Seine Kombination aus Geschwindigkeit, Explosivität und Athletik machen ihn als Edge Rusher zu einer sicheren Bank für einen General Manager, der auf der Suche nach mindestens zehn Sacks pro Saison bei Anderson fündig wird.

Tyree Wilson (22), Texas Tech

In Texas geboren und aufgewachsen, lieferte Tyree Wilson bei den Red Raiders der Texas Tech University als Edge Rusher jeweils sieben Sacks in den vergangenen Spielzeiten ab. Mit 1,98 m und 124 kg, startete er seine College-Karriere zunächst bei den Nachbarn der Texas A&M Aggies, ehe er für zwei weitere Jahre zu Texas Tech ging und auf Anhieb eine Stütze des Teams wurde. Insbesondere Tackles stehen bei Wilson zu Buche: 61 in der vergangenen Saison, um genau zu sein.

Stärken

Unmöglich seinen Fängen zu entkommen, denn Tyree Wilson hat eine riesige Spannweite. Doch seine Physis allein ist nicht die einzige große Stärke: die Fähigkeit als Edge Rusher, schnelle Entscheidungen flexibel zu widerrufen und sich während der Bewegung umentschieden zu können, machen ihn zu einem modernen Verteidiger. Das Gesamtpaket, und die Möglichkeit Größe und Geschwindigkeit zu einer enormen Kraft zu verändern sowie seine Agilität befähigen ihn zu mutmaßlich zweitbesten Spieler seiner Klasse im aktuellen Jahrgang.

Schwächen

Wenn Wilson die Hände an den Gegner platziert, heißt es schnell: aus und vorbei. Doch Obacht, bei ihm hat man des Öfteren das Gefühl, wie bei jungen Hunden, die mit all Ihrer Kraft nicht so recht wissen, wie sie diese einsetzen sollen. So wirkt manche Aktion noch etwas ungestüm, doch das lässt sich mit Erfahrung wettmachen. Eine Fußverletzung samt Operation im Herbst letzten Jahres könnten ihn im Draft dazu ein paar Plätze fallen lassen.

Fazit zu Tyree Wilson:

Mit der Auszeichnung zum „All American“, erst der 32. in der Historie der Texas Tech Red Raiders, schloss er eine für sich tolle Saison ab. Eine, die im Vergleich zu Anderson nicht ins Stocken geriet, sondern sich kontinuierlich entwickelte. Seine enorme Physis und Agilität könnte die Chicago Bears an Position neun veranlassen, mit Wilson als Edge Rusher ein neues Kapitel der „Monsters of the Midway“ aufzuschlagen.

Lukas Van Ness (21), Iowa

Der in Illinois geborene Lukas Van Ness ist so etwas wie der ungeschliffene Rohdiamant der Edge Rusher-Klasse. Laut „NextGen-Stats“ von Amazon ist er binnen zwei Jahren bereit für die NFL. Ein Team, welches ihm diese Zeit gibt, erhält auch einen ungemein vielseitigen Defensiv-Spezialisten, denn auch die Position des Defensive Tackles ist Van Ness nicht fremd. Schließlich spielte er diese Position zu Beginn seiner College-Karriere. Dass er überhaupt beim Football landete, war davor so nicht absehbar. Seine Karriere startete er nämlich als Eishockeyspieler und wäre ob seiner physischen Erscheinung (1,96 m groß und 119 kg schwer) und seiner Schnelligkeit ein veritabler Verteidiger geworden, womöglich bei den Chicago Blackhawks …

Stärken

Passend zu seinem Spitznamen „Herkules“ sind es Van Ness’ starke Hände, gepaart mit einer Schnelligkeit, die ihn meistens als Gefahr für das gegnerische Backfield erscheinen lassen und dabei behände in der Lage ist zwischen den Linien zu wechseln. Seine Stärken beim Tackling, noch aus seiner (teilweisen) Zeit als Defensiv Tackle, gewähren ihm dazu eine gewisse Vielseitigkeit.

Schwächen

Die größte Schwäche von „Herkules“ dürfte seine mangelnde Erfahrung auf dem Elite-Level sein. Lediglich zwei Jahre College für den spät berufenen ehemaligen Hockey-Spieler. Daraus resultiert vermutlich auch seine Schwäche, Blocking-Schemata zu lesen und zu erkennen. Über seine vorhandene Kraft und Physis lässt er seine Schwächen auf der Edge Rusher-Position aber buchstäblich klein erscheinen.

Fazit zu Lukas Van Ness

Wer dem in Illinois beheimateten Prospect eine Chance gibt und dabei etwas Geduld, Zeit und Spielpraxis mitbringt, wird in absehbarer Zeit einen, im wahrsten Sinne des Wortes, starken Griff bekommen. Lukas Van Ness dürfte „dank“ eines guten Edge Rusher-Jahrgangs etwa in der Mitte der zweiten Runde vom Markt sein.

Myles Murphy (21), Clemson

Geboren und aufgewachsen in Georgia, dort, wo man weiß, wie Defensive im Football funktioniert, avancierte Myles Murphy gleich nach seinem Stipendium bei Clemson zu einer Stütze seines Teams. 45 Tackles und 6,5 Sacks ließen ihn als Edge Rusher in das „ACC All Star Team“ avancieren und nach den Statistiken von ESPN wird er in der Draft-Reihenfolge auf Position 33 geführt. Und damit an der Schwelle zwischen erster und zweiter Runde, je nachdem, wie das Draftboard eben „fällt“. Dabei wollte auch Murphy zu Highschool-Zeiten mit dem Football aufhören, den er zu jener Zeit nach eigener Aussage „hasste“. Ein Wachstumsschub gewährte ihm jedoch eine neue Perspektive und ungeahnte Möglichkeiten auf dem Feld: so war Football doch wieder eine Option …

Stärken

Nur den nackten Zahlen folgend, wird Konstanz großgeschrieben bei Murphy. In den letzten drei Saisons jeweils über 20 Tackles und eine beständig steigende Anzahl an Snaps. Einmal eine Tüte alles: so oder so ähnlich dürften sich General Manager vorkommen, wenn sie Murphy das Vertrauen schenken und ihn draften, denn mit ihm bekommen sie einen NFL-fertigen Spieler mit einem für ihn typischen „Spin-Move“.

Schwächen

Wie bei jungen Hunden und Tigern üblich, muss man erst lernen, seine Kraft und Stärke auch richtig einzusetzen. Oftmals hat man das Gefühl, dass Myles Murphy seine Reich- und Spannweite mit Händen und Armen zwar greifen, aber eben nicht richtig einsetzen kann. Daran gilt es noch zu arbeiten und diese als Edge Rusher beständig zu entwickeln.

Fazit zu Myles Murphy

Der „Spätentschlossene“ darf sich dank Wachstums- und Entwicklungsschub sicher sein, als Edge Rusher früh im Draft gezogen zu werden und wird bei seinem künftigen Team eine gehörige Portion Einfluss in der Defense haben. Die Frage dürfte nur sein, ob früher – oder eben etwas später.

 Nolan Smith (22), Georgia

1,88 m groß und 107 kg schwer – aus Georgia – für Georgia! Der zweimalige College Football-Champion Nolan Smith kommt mich reichlich Vorschusslorbeeren in die diesjährige Draft-Klasse. Und das, obwohl seine Saison bereits im Oktober verletzungsbedingt endete. Nach dem Spiel gegen die Florida Gators fiel der Edge Rusher, der nach dem Combine die Seahawks zu seinem Lieblingsteam in der NFL erklärte, mit einer Brustmuskelverletzung aus. Seine Saison war somit – rein statistisch gesehen – maximal Durchschnitt. So standen am Ende sieben Tacklings und drei Sacks. Deutlich erholt davon zeigte er sich eben beim diesjährigen NFL Scounting Combine in Indianapolis: 4,39 Sekunden für den 40 Yard-Dash machen ihn zum zweitschnellsten Defensive Lineman seit 2003. Damit ist er übrigens auch noch schneller gelaufen als etwa DeAndre Hopkins oder Saquon Barkley!

Stärken

Smith galt in seinem Team als der geborene Leader, denn all` die Qualitäten, etwa im in puncto Geschwindigkeit, allein reichen natürlich nicht, um erfolgreich für ein NFL-Team zu spielen. Instinktiv, vielseitig und schnell darin, Entscheidungen zugunsten seines Teams zu treffen. Das macht Smith aus und so dürfte man die Folgen seiner Verletzung kaum mehr merken – getreu dem Spruch: Form kommt und geht; Klasse bleibt.

Schwächen

Natürlich bleibt ein gewisses Restrisiko mit Blick auf seine Krankenakte. Denn auch in der Saison 2021, wie eben 2022, verpasste Smith verletzungsbedingt eine Vielzahl an Spielen. Trotz seiner Geschwindigkeit sind seine Statistiken, insbesondere in der Produktion von Sacks, ausbaufähig.

Fazit zu Nolan Smith

Gut, in der Georgia-Defense der letzten Jahre muss nicht jeder alles und vor allem allein machen – dennoch: Man merkte auch dieser starken Einheit an, dass ein Puzzlestück fehlte. In Smith bekommt ein glückliches NFL-Team einen Edge Rusher mit Kraft, Geschwindigkeit und eben Intuition, das Richtige zu tun. Mein Tipp: sicherer Pick für die erste Runde, obgleich er ein oder andere General Manager wegen Smith‘ Verletzungshistorie einen (vermeintlich) gesünderen Spieler holt.

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