Seahawks-Saisonrückblick 2020: Rookies

Jordyn Brooks Rookie-Analyse 2020

Jordyn Brooks (Foto: imago)

Hey Rookies, wie war es denn so? Achtmal durften die Seattle Seahawks sich im NFL Draft 2020 in der Talentauswahl der besten College-Spieler bedienen und ihre Rookies picken. Bis kurz nach dem NFL Scouting Combine war das Leben für die Frischlings-Klasse noch ganz normal, doch dann stellte die Corona-Pandemie ihren Alltag und den der Menschen weltweit auf den Kopf. Es gab nur wenige Pro Days und keine persönlichen Workouts vor Ort in den Traingszentren. Stattdessen hieß es antreten zu virtuellen Zoom-Interviews. Dadurch ergab sich für das Front Office der Seahawks rund um General Manager John Schneider eine außergewöhnliche Situation. Konfrontiert mit einem verschärften Glücksspiel in Sachen Draftpicks, war von den Verantwortlichen des Teams nämlich ein extrem gutes Näschen für Talent gefragt.

Ob das geklappt hat, fragen sich natürlich auch die German Sea Hawkers. Und so versuchen wir in diesem Jahr wieder auf der Website und im Ballhawks-Podcast im großen, mehrteiligen Saisonrückblick Aufklärung zu liefern. Bei der Analyse, wie die Leistungen der Rookies auf dem Feld für Seattle einzuschätzen sind, bedienen wir uns dabei natürlich auch an der Expertise unseres GSH-College-Spezialisten Tobias Weyel.

1. Runde, Pick #27: Jordyn Brooks, LB, Texas Tech

Jedes Jahr stellen sich die 12s vor dem Start des NFL-Drafts dieselbe Frage: Werden die Seahawks ihren First-Round-Pick traden? Auch anno 2020 standen die Chancen gut, doch Schneider und Carroll hatten andere Pläne. Statt sich am ersten Abend der Talentauswahl auf die Couch zu verabschieden, ging es für Seattles General Manager ans Telefon. Am anderen Ende der Leitung: Jordyn Brooks.

Der Linebacker stand auf dem Draft Board des Front Office offenbar so weit oben, das man sich die Chance ihn in den Pacific Northwest zu holen nicht entgehen lassen wollte. Die Gründe für den Pick lagen dabei ziemlich deutlich auf der Hand. Wie sich auch im Laufe seiner Rookie-Saison auf dem Feld zeigte, soll der gebürtige Texaner langsam aber sicher den Staffelstab im Herz der Seahawks-Defense von Bobby Wagner und KJ Wright übernehmen. Dabei stellte sich Brooks offenbar ziemlich ordentlich an. Denn nachdem er von einem der beiden besten Linbacker-Duos der NFL im Training Camp unter die Fittche genommen wurde, wusste er schnell mit seiner Athletik und seiner Geschwindigkeit zu überzeugen. Erste Vergleiche mit seinem Mentor Wagner kamen hier nicht von ungefähr. Schließlich sind beide gleich groß (1,83 Meter) und wiegen fast dasselbe.

Auf dem Feld musste sich der First-Round-Pick aber noch gedulden. Zunächst plagte ihn eine Knieverletzung und dann wollte Wright seinen Starter-Platz als Weak-Side-Linebacker dank starker Leistungen auch nicht so richtig hergeben. Erst in Woche 7 in Arizona durfte der Rookie erstmals in der Startformation ran. Bis zum Playoff-Aus der Seahawks verpasste Jordyn Brooks kein Spiel mehr und war sechs weitere Male von Anfang an am Start. Insgesamt spielte der Top-Rookie der Seahawks 2020 367 Snaps und stand damit fast bei jedem dritten defensiven Spielzug auf dem Rasen. Dabei setzte er zu 60 Tacklings an und verpasste nur drei. In der Passverteidigung ließ Brooks 17 von 25 Pässen für ein Quarterback-Rating von 95,4 ankommen.

Genau hier zeigen sich damit auch seine Stärken und seine Schwächen. Mit einer Laufverteidigungs-Note bei Pro Football Focus (PFF) von 68,6 (aus 100) war Seattles neue Nummer 56 der viertbeste von 16 Rookie-Linebackern, die 2020 mindestens zehn Spiele in der NFL machten. Im Tackling benotete PFF ihn mit 69,6 hier als fünftbesten. In Coverage reihte sich Jordyn Brooks mit einer PFF-Note von 29,8 allerdings auf dem 16. und damit letzten Platz ein.

Analyse

In dieser Szene stehen die San Francisco 49ers mit ihrem gefürchtetem und kreativen Laufspiel nah an der Endzone der Seattle Seahawks. Sie täuschen einen Jet Sweep über den Wide Receiver an, laufen dann aber doch mit Running Back.

Brooks lässt sich vom angetäuschten Jet Sweep nicht aus der Position bringen. Er scannt in aller Ruhe den Ballträger. Sobald er den Ball klar erkennt geht es getreu dem alten Motto „Find Ball, see ball, get all“ mit voller Geschwindigkeit auf den Angreifer. Brooks macht hier einen guten Job, indem er den Blocks der Offensive Line geschickt ausweicht und dann sicher zum Tackling kommt. Er kann den herannahenden Running Back sofort bei Kontakt stoppen.

Note: 2-

2. Runde, Pick #48: Darrell Taylor, DE, Tennessee

Ok, wir nennen den Namen Malik McDowell hier nur ein einziges Mal – versprochen. Denn wer als Seahawks-Fan nach der Saison 2020 mit den Wortkombinationen „Darrell Taylor“ und „Rookie-Pass-Rusher“ konfrontiert wird, der bekommt beim Gedanken an Seattles ersten 2017er-Draft-Pick wieder ein nervöses Zucken in der Augenbraue. Nur das Taylor in der zweiten Runde nicht an 35., sondern 48. Stelle ausgewählt wurde und auch keinen Ausflug mit dem Quad machte. Das Ergebnis war trotzdem das gleiche: Dank eines offenbar ziemlich komplizierten Ermüdungsbruchs im Schienbein spielte der Defensive End bis nach dem Wild-Card-Drama gegen die LA Rams keinen einzigen Snap!

Eine Einschätzung seiner Rookie-Saison ist daher schlicht unmöglich. Im Prinzip bleibt den 12s da nur der Rückblick auf seine letzte Saison bei den Tennessee Volunteers. Hier kam er trotz der oben genannten Verletzung auf 8,5 Sacks sowie zehn Tackles-for-Loss und zeigte, dass er mit seiner unfassbaren Geschwindigkeit nach dem Snap sowie seiner Technik ein echter „Freak-Athlet“ ist. Für General Manager John Schneider waren das offenbar genug Gründe, um mit den New York Jets den 59. Pick (plus einen Drittrundenpick) zu traden und mit Taylor an 48. Stelle eine jungen, hoch veranlagten Quarterback-Jäger ins VMAC zu holen.

Bleibt also nur zu hoffen, dass er sein Talent anders als „Du weißt schon wer“ am Ende auch wirklich für die Seahawks auf dem Rasen zeigt. Am besten schon im Jahr 2021…

Note: –

3. Runde, Pick #69: Damien Lewis, G, LSU

Jaaa, ein Offensive Lineman! Diesem kollektiven Draft-Jubelschrei folgte wahrscheinlich bei vielen 12s die Frage: Aber taugt der Junge was? Und die Antwort bei Damien Lewis ist: Jaaa! Im Rückblick der Saison 2020 könnte man viele Faktoren anmerken, warum der Rookie als Guard in den nächsten Jahren fester Bestandteil der O-Line der Seahawks sein wird. Am besten fasst die Spielzeit von Lewis aber folgendes zusammen: Die Tatsache, dass er von den US-Sportjournalisten ins 2020er All-Rookie-Team der NFL gewählt wurde. Keine Frage also, dass D-Lew damit auch Seattles „Rookie of the Year“ ist.

Was das Trainerteam um Chefcoach Pete Carroll mit dem Drittrundenpick für ein Talent die Kader gesetzt bekam, war von seiner Geschichte her eigentlich klar. Mit den LSU Tigers gewann Damien Lewis 2019 die US-Collegemeisterschaft. Dabei war er Teil einer Offensive, die angeführt von Quarterback Joe Burrow (2020 Nr. 1-Draft-Pick) von Rekord zu Rekord eilte und sich so zum National Champion-Titel dominierte. Die Stärke des 1,88 Meter großen und 148 Kilo schweren Rookies lag dabei ohne Frage im Run-Blocking. So erreichte Lewis am Ende einer Saison, in der er alle 17 Spiele absolvierte und 1.028 Snaps spielte, eine PFF-Note von 83,5 (aus 100). Gut genug für den 6. Rang. Aber nicht unter den Rookies, sondern unter allen Guards (die 2020 mindestens zehn Spiele absolvierten) der NFL! Mit einer Gesamtnote von 71,2 reichte es hier ligaweit für einen geteilten 14. Rang.

Wichtig bei all dem Lob, ist dabei auch die Kritik. Mit einer PFF-Note von 47,0 muss Damien Lewis sich wie zu erwarten war, gerade im Pass-Blocking verbessern. Hier ließ er insgesamt 35 Quarterback-Pressures zu, darunter allerdings nur vier Sacks. Dazu kassierte er mit genau einem Dutzend (12) die meisten Penalties aller Seahawks-Spieler. Vorerst bleiben das Rookie-Fehler, die Lewis in 2021 und darüber hinaus hoffentlich abzustellen weiß.

Analyse

Auch wenn Damien Lewis im Pass-Blocking noch Probleme hatte: Auch in dieser Disziplin hatte er seine Lichtblicke. Im ersten Spiel gegen die San Francisco 49ers hilft Lewis Wilson hier maßgeblich bei der langen Completion auf Wide Receiver DK Metcalf. Lewis, im Video markiert, gelingt es schnell seinen sogenannten Anker zu setzen, kann vom Gegenspieler kaum bewegt werden. Seine massive Kraft im Oberkörper, die ihm auch beim Run-Blocking enorm weiter hilft, setzt er hier gut gegen den Pass-Rush der 49ers ein. Er arbeitet gut mit seinen Händen, kann kräftig zupacken. Der Verteidiger hat keine Chance zum Quarterback vorzustoßen. Werden solche Szenen von der Besonderheit zur Normalität kann man bei Lewis von einem kompletten Guard in der NFL sprechen.

Note: 1-

4. Runde, Pick #133: Colby Parkinson, TE, Stanford

Der nächste Rookie, der nächste Ermüdungsbruch. Im Fall von Colby Parkinson war es der Fuß, der einen Einsatz im Training Camp unmöglich machte. So schlimm wie Taylor erwischte es den Tight End aber nicht. So konnte er in Woche 8 in Seattles 53-Mann-Kader berufen werden, nachdem „Techno-Jesus“ Luke Willson entlassen wurde.

Viel zeigen konnte Parkinson als Rookie in insgesamt sechs Spielen für die Seahawks im Jahr 2020 aber nicht. Auch während der Verletzungspause von Greg Olsen boten sich ihm kaum Möglichkeiten sich zu zeigen. Am Ende der Saison kam er so lediglich auf 51 Snaps in der Offensive. Dabei fing der Rookie zwei von zwei an ihn adressierten Pässen für 16 Yards. Eine Fangquote von 100 Prozent ist in diesem Fall kaum aussagekräftig. Es zeigt aber vielleicht ein bisschen, warum Seattle den gerade einmal 22-Jährigen gedrafted hat. So waren seine extrem sicheren Hände eine von Parkinsons größten Stärken am College. In Kombination mit seiner beeindruckenden Körpergröße von 2,01 Meter könnte ihn das, so hofft es wohl das Seahawks-Front Office, zu einer Red Zone-Waffe für Russell Wilson werden.

In anderen Bereichen außer als großgewachsener Passempfänger dürfte der 2020er-Rookie in seiner zweiten NFL-Saison auch kaum eingesetzt werden. Die größte Schwäche von Colby Parkinson ist nämlich das Pass-Blocking. Hier bedarf es noch einiger Arbeit mit den Coaches, um ihn auf Profiniveau zu bringen.

Note: –

4. Runde, Pick #144: DeeJay Dallas, RB, Miami

Da war er wieder, der Verletzungs-Gremlin im Running Back-Room der Seattle Seahawks. Mitte der Saison 2020 stand das Team nämlich plötzlich wieder ohne Ballträger da, nachdem Chris Carson, Rashaad Penny sowie Carlos Hyde nicht zur Verfügung standen. Und so ergab es sich, dass DeeJay Dallas in Woche 8 plötzlich starten durfte. Gegen die San Francisco 49ers zeigte sich dabei direkt, was der Rookie nicht ist: Eine Running Back-Dampframme, die bei Inside-Runs glänzt. Bei 18 Versuchen erlief er hier 41 Yards und einen von zwei Rushing-Touchdowns seiner Premierensaison. An deren Ende benotete ihn PFF im Laufspiel mit einer ordentlichen Note von 70, 4 (aus 100).

Neben offensichtlichen Schwächen im Pass-Blocking, hat Dallas aber auch eine nicht zu unterschätzende Stärke. Als ehemaliger Wide Receiver am College hat er sehr sichere Hände und bietet sich daher im Offensiv-Schema der Seahawks in Zukunft gerade als Third Down-Back sowie als Returner an. In seiner Rookie-Saison fing er 17 von 20 Pässen für 111 Yards und einen Touchdown. 6,5 Yards pro Catch und eine Fangquote von 85 Prozent sind dabei gute Werte, die am Ende mit einer PFF-Note von 83,3 belohnt wurden.

Note: 4

5. Runde, Pick #148: Alton Robinson, DE, Syracuse

Beeindruckende Physis, exellente Körperbeherrschung und eine angeblich geklaute Geldbörse. Das waren die drei Dinge, die die 12s nach dem Draft über Alton Robinson wussten. Ein Streit mit seiner Freundin, auf den zu High School-Zeiten der Diebstahl gefolgt sein soll, vermasselte dem hochveranlagten Rookie seinen Start am College. Statt zum Powerhouse Texas A&M musste Robinson sich nach der fallengelassenen Anklage über die Mini-Uni Northeastern Oklahoma A&M bis zu einem Stipendium von Syracuse hocharbeiten.

Trotz 19,5 Sacks in drei Jahren im US-Bundesstaat New York fiel Alton Robinson im NFL-Draft 2020 bis in die fünfte Runde, wo Seattle schließlich zuschlug. Dieses Vertrauen zahlte er im Laufe der Saison dann sehr zur Freude der Fans auch auf dem Feld zurück. So war der Rookie fester Bestandteil der Pass Rush-Rotation, die gerade in der zweiten Hälfte der Spielzeit enorm Fahrt aufnahm. Robinson verpasste nur zwei Partien und spielte auf den beiden Defensive End-Positionen am Ende insgesamt 344 Snaps. Dabei produzierte er 22 Tacklings, einen forcierten Fumble und 18 Quarterback-Pressures, darunter 4 Sacks. Zahlen, die ihn zu einem der Top-3 Seahawks-Frischlinge 2020 machten und ihm fast schon einen Kaderplatz in 2021 gesichert haben dürften.

Analyse

Im Spiel gegen das Washington Football Team konnte Alton Robinson die Stärken, die ich ihm Post-Draft schon in meiner Rookieanalyse zusprach, ausspielen. Seine größte Stärke, der enorm schnelle Antritt, zeigt sich in dieser Szene. Robinson schießt aus den Startlöchern. Der Tight End des Washington Football Teams soll ihn in dieser Szene nur kurz Anblocken, um danach als Anspielstation frei zu sein. Robinson schlägt die Hände des Tight Ends schnell nach unten und zieht vorbei. Der Right Tackle des WFT hat nicht den Hauch einer Chance Robinson anschließend zu übernehmen. Dieser spielt seine gesamte Athletik aus, kommt zum Quarterback durch und kann den Fumble forcieren.

Note: 2

6. Runde, Pick #214: Freddie Swain, WR, Florida

Skill-Spieler von Colleges aus Florida stehen in Seattle in den letzten Jahren hoch im Kurs. Nach den Running Backs Travis Homer (2019) und DeeJay Dallas (2020), sicherten sich die Seahawks auch die Dienste von Rookie Freddie Swain. Als wendiger Slot Receiver und Returner, erkämpfte er sich auch direkt einen Kaderplatz für seine Premierensaison im Pacific Northwest. Dazu gab es auch gute Spielzeit für Swain, der vom Ergänzungsspieler nach den Ausfällen von Phillip Dorsett (Verletzung) und Josh Gordon (Sperre) zum Receiver Nr. 4 im Depth Chart wurde.

Entsprechend oft sah der Rookie 2020 das Feld. Er verpasste kein Spiel, profitierte aber im Schatten von Tyler Lockett und DK Metcalf aber gerade in den ersten Partien eher wenig vom „Let Russ Cook“-Mantra. Swains Statistiken am Saisonende: 13 Catches für 159 Yards und zwei Touchdowns. Ob das für einen Platz im Seahawks-Roster für 2021 reicht, bleibt abzuwarten.

Note: 4+

7. Runde, Pick #251: Stephen Sullivan, TE, LSU

Diesen National Champion von LSU wollten die Seattle Seahawks im Draft noch unbedingt haben. Denn drei Picks vor dem Ende, tradete sich John Schneider noch einmal rein in die 2020er Talentauswahl und pickten Stephen Sullivan. Ein Move, den der Tight End offenbar erst für einen Telefonscherz hielt:

Verletzungbedingt fand sich „Sully“ zunächst gar nicht im Kader wieder. Als er aber fit war, wurde er in den Practice Squad berufen. Allerdings nicht als Teil der Offensive, sondern als Verteidiger. Mit einem Gardemaß von 1,96 Meter und einem Gewicht von 114 Kilogramm funktionierte Seattle Sullivan kurzerhand zum Defensive End um. Viel mehr wurde aus der Feel Good-Story des 2020er Drafts aber dann auch leider nicht. In Woche 8 gegen San Francisco machte er sein einziges Saisonspiel für die Seahawks und spielte dabei 22 Snaps. Ob er 2021 ins VMAC zurückkehrt, ist daher mehr als fraglich.

Note: –

Undrafted Rookies

2020 machte es kein Rookie Spielern wie Doug Baldwin oder Poona Ford gleich und schaffte es sich im Kader der Seahawks zu etablieren, nachdem sie nicht im Draft ausgewählt wurden. Nach der Saison stattete Seattle mit Offensive Tackle Tommy Champion, Cornerback Gavin Heslop und Wide Receiver Aaron Fuller aber drei Undrafted Rookies der 2020er-Klasse mit Zukunftsverträgen aus.