Recap: Regular Season 2020 (Week 5) – Vikings @ Seahawks

Recap Week 5, 2020 Minnesota Vikings

In neongrünen Trikots weiterhin ungeschlagen, zum ersten Mal in der Franchise-Geschichte mit 5-0 gestartet und Russell Wilsons Regen-Fluch besiegt. Aber geraaade so. Die Seattle Seahawks haben beim 27:26-Heimerfolg über die Minnesota Vikings gewiss nicht alles richtig gemacht. Doch sie haben am frühen Montagmorgen im CenturyLink Field gezeigt, dass sie auch in wenig aussichtsreichen Situationen die Niederlage nicht einfach so hinnehmen und ihrem Quarterback immer eine Chance geben wollen – und wurden deshalb am Ende mit dem fünften Saisonsieg belohnt.

Dabei hatten sie in Seattle allen Grund zu sagen: „Heute ist einfach nicht unser Tag. Ab in die Bye Week, neu fokussieren und dann zurück auf die Siegerstraße.“ Die Vikings entschärften die Seahawks zu Beginn vor allem mit einer raffinierten Deckungsvariante, bei der sie mit zwei tief positionierten Defensive Backs die tiefen Routen komplett eliminierten. Die Konsequenz waren durch Minnesotas Deckung provozierte Sacks.

Nach einem unterirdischen Start auf beiden Seiten des Balles – die Vikings dominierten die Uhr und die erste Halbzeit nach Belieben (0:13) – kämpften sich die Seahawks im dritten Quarter innerhalb weniger Minuten furios zurück in die Partie. Sie eröffneten so den Schlagabtausch, der bis wenige Sekunden vor Spielende anhalten sollte. Wieder einmal mit dem besseren Ende fürs Heimteam.

Der Spielverlauf:

  • 1. Quarter: Die Vikings passen und laufen sich im ersten Drive direkt auf die Anzeigetafel – und werden von den Seahawks nicht wirklich daran gehindert. Dalvin Cook vollendet aus acht Yards zum 7:0 (PAT eingerechnet). Die Hausherren antworten in ihrem ersten Drive nach ein paar First Downs mit einem False Start, einem 5-Yard-Lauf bei 3rd & 22 und dann einem wunderschönen Punt Michael Dicksons von der gegnerischen 37 an die gegnerische 2. Mit etwas mehr Mut beim Third Down wären die Seahawks vielleicht in Field-Goal-Reichweite gekommen.
  • 2. Quarter: Minnesota melkt weiter munter die Uhr. Die Hälfte des zweiten Viertels geht für einen Drive drauf, der mit einem 52-Yard-Field-Goal von Dan Bailey zum 10:0 endet. Seattle antwortet erneut nur mit einem Punt. Das ist bislang das Gesicht der 2019er-Seahawks. Dann forciert die Defensive der Gastgeber endlich mal ein Three & Out. Einen Tackle for Loss und zwei Sacks später puntet Seattle aber zum dritten Mal. Die Vikings nutzen ihre Chance auf Punkte und verwandeln ein Field Goal aus 46 Yards zum 13:0.
  • 3. Quarter: Three & Outs von beiden Teams eröffnen die zweite Halbzeit. Die Vikings verlieren dabei ihren Leistungsträger Dalvin Cook mit einer Oberschenkelverletzung. Dann schlägt erstmals in diesem Jahr Will Dissly zu und stellt per 19-Yard-Touchdown den Anschluss her. Dann überschlagen sich die Ereignisse. Damontre Moore forciert den Fumble Kirk Cousins‘. Russell Wilson findet DK Metcalf in der Endzone. 14:13. K.J. Wright pflückt einhändig einen Pass von Cousins aus der Luft. Chris Carson dreht und wendet sich seinen Weg in die Endzone. Und plötzlich steht es nach nicht einmal sieben Minuten im dritten Viertel 21:13 für die Seahawks. Die Vikings antworten mit einem langen Drive, den Cousins mit einem 3-Yard-Touchdown-Pass auf Adam Thielen abschließt. Weil die Two-Point Conversion dank Wright und L.J. Collier misslingt, steht’s nun 21:19.
  • 4. Quarter: Nach einem Punt der Seahawks findet am Ende eines weiteren langen Vikings-Drives erneut Thielen die Endzone – diesmal über sechs Yards. Nach dem PAT steht’s 21:26. Seattle bleibt ein halbes Quarter für die Wende, doch dann trifft Russell Wilson eine folgenschwere Entscheidung, die zur Interception von Eric Wilson führt. Im darauffolgenden Drive lassen die Vikings die Uhr bis auf zwei Minuten hinunter tröpfeln, scheitern aber kurz vor der Endzone beim Versuch der Fourth-Down Conversion (sie wollten das Spiel mit einem neuen First Down beenden, um Wilson keine Chance aufs Comeback zu geben). In einem Drive für die Geschichtsbücher führen Wilson und DK Metcalf anschließend die Seahawks zum 27:26-Sieg (Two-Point Conversion misslingt, letzter Drive der Vikings auch).

Die Hauptdarsteller:

QB Russell Wilson: Nichts und niemand bringt den Quarterback der Seahawks in dieser Saison aus der Ruhe. Keine haarsträubende Interception (an der er diesmal komplett selbst schuld war), kein Drop, kein Sack, kein Wind und kein Regen. Zum drölfzigsten Mal zauberte Wilson einen Game-Winning Drive, seinen 30. seit 2012 (laut Seattle Times sogar 34.; unabhängig davon Liga-Bestwert in diesem Zeitraum), auf den Kunstrasen. Seine Stats: 20/32, 217 Yards, drei Touchdowns, eine Interception und vier Sacks für 27 Yards Raumverlust. Dazu auf dem Fußweg fünf Carries für 58 Yards.

WR DK Metcalf: Gute Güte, was für Aktionen waren das im letzten Drive. Erst holt Metcalf im vierten Versuch einen Pass nach 39 Yards an der gegnerischen 38 aus der Luft. Dann geht ein Pass auf ihn incomplete. Danach fängt er einen Slant und trägt ihn über 15 Yards an die gegnerische 6. Dann folgt eine weitere Incompletion in seine Richtung. Anschließend lässt Metcalf sich einen sicheren Touchdown in der Endzone aus den Armen schlagen. Und dann fängt er beim vierten Versuch mit 15 Sekunden auf der Uhr den Touchdown. Russell Wilson vertraut DK Metcalf inzwischen blind. Die gemeinsamen Stunden in der Offseason zahlen sich aus. Das zeigt diese Sequenz, in der sechs von 13 Plays in die Richtung des 22-Jährigen gingen, eindrucksvoll. Ähnlich beeindruckend sind Metcalfs Stats: Sechs Fänge für 93 Yards und zwei Touchdowns bei elf Targets. Damit gehört er nach fünf Spieltagen in mehreren Kategorien zur Liga-Spitze.

Die Nebendarsteller:

Ehrenvolle Erwähnung: DT Jarran Reed fürs Hoffnung geben in der ersten Halbzeit. Er stoppte mehrfach den Lauf, kreierte Pressures hielt so seine Defensive als Ein-Mann-Show halbwegs im Spiel. DT Damontre Moore für den forcierten Kirk-Cousins-Fumble, der die Wende einleitete, ein krachendes Special-Teams-Tackling gegen Ameer Abdullah und das Tackling, das kurz vor dem Two-Minute Warning am Ende des Spiels ein neues First Down für die Vikings verhinderte. P Michael Dickson dafür, dass er die ungeliebten Punts so attraktiv wie nur möglich gestaltet. Wenn Punts Slam Dunks wären, würde der Australier eine 30/30 nach der anderen einkassieren. Good on ya, Mike! LB K.J. Wright für die schönste Interception des Wochenendes. Im Alter von 31 Jahren entdeckt der Veteran seine artistische Ader. DE Benson Mayowa und LB Cody Barton für ihre mit spielentscheidenden Aktionen. Sie waren es, die kurz vor Schluss Viking Alexander Mattison beim vierten Versuch stoppten. Und Mayowa war es, dessen Sack Fumble (nach Cliff Avrils Lehrbuch) die Partie endgültig beendete. Barton führte die Seahawks übrigens gemeinsam mit LB Bobby Wagner bei den Tackles an (beide 14).

Stets bemüht: Alle waren sie bemüht am frühen Montagmorgen – das kann man ihnen nicht absprechen. Und nur deswegen, nur weil die Mannschaft geschlossen an den Sieg und an Russell Wilsons Fähigkeiten glaubte, kam der fünfte Sieg im fünften Spiel doch noch zustande.

Meh: Die O-Line in der ersten Halbzeit. Vier Sacks, ein False Start von RG Damien Lewis, vogelwildes Blocking bei den Screens. Immerhin wurde es nach der Pause deutlich besser. Third-Down Conversions waren bei den Seahawks am frühen Montagmorgen Fehlanzeige. Von sieben Versuchen gelang kein einziger. Komischerweise glückten aber beide Fourth-Down Conversions. Seattles Defensive ist und bleibt ein Problem, das man nicht mehr mit „Bend, don’t break“ wegdiskutieren kann. Und so langsam stellt sich die Frage, ob Defensive Coordinator Ken Norton Jr. die richtigen Worte und Einstellungen findet, um seine Einheit zum Erfolg zu coachen. Nach einem Sieg will man diese Diskussion ungern anstoßen. Aber bei den Atlanta Falcons wurde am Sonntag (Ortszeit) Head Coach Dan Quinn entlassen, der die Seahawks 2013 als Defensive Coordinator in den Super Bowl führte.

Die Highlights:

Cornerback Shaquill Griffin lieferte das wohl einzige Highlight der Seahawks in der ersten Halbzeit. Die Tatsache, dass dieses Highlight sich auf Seiten der Defensive abspielte, spricht Bände. Mit seinem abgewehrten Pass verhinderte Griffin den zweiten Touchdown der Vikings, die stattdessen auf ein Field Goal gingen.

Uff, K.J. Wright! Was für eine elegante Interception.

Der spielentscheidende Touchdown von Quarterback Russell Wilson auf Wide Receiver DK Metcalf. Na klar, was sonst. Na klar, wer sonst. Und na klar, wie sonst. Beim Second Down hatte Metcalf noch den sicher geglaubten Touchdown fallen gelassen (stark verteidigt vom Gegenspieler). Das Third Down ging wie immer an diesem Tag daneben. Aber beim Fourth Down klickte es dann wieder zwischen den zwei guten Freunden.

Die Randnotizen:

  • Was für wilde erste 30 Minuten das waren. Erst zum sechsten Mal in Russell Wilsons NFL-Karriere blieben die Seahawks in der ersten Halbzeit punktlos. Die Scrambles des Quarterbacks sorgten für 35 der insgesamt 66 Seattle-Yards. Seine sieben Pässe brachte Wilson zwar alle an den Mann, aber nur für insgesamt 40 Yards. Zum Vergleich: Durch Sacks verloren die Seahawks im gleichen Zeitraum 27 Yards.
  • DE L.J. Collier feierte im 16. NFL-Spiel endlich seinen ersten Sack.
  • Nur drei Strafen für insgesamt 25 Yards – die Disziplin stimmt bei den Seahawks inzwischen. Nach einer in dieser Hinsicht nahezu fehlerfreien Leistung in Week 4 kassierte Seattle auch an diesem Spieltag kaum gelbe Flaggen.
  • RB Dalvin Cook verletzte sich im dritten Viertel an der Leiste. Rückblende zum Spiel 2019, als der Running Back ebenfalls nach starker erster Halbzeit mit einer Verletzung (Schulter) vom Feld musste. Für die Minnesota Vikings war das auch damals ein entscheidender Verlust. Es ist wohl eine unnötige Diskussion, aber Cook hätte vielleicht die riesengroße Lücke bei der versuchten Fourth-Down Conversion kurz vor Schluss richtig erkannt und das Spiel beendet – im Gegensatz zu seinem Backup Alexander Mattison. Der knackte zwar mit seinen 20 Carries die 100 Yards, traf aber im entscheidenden Moment eine falsche Entscheidung.
  • Davon kann sich zwar niemand etwas kaufen, aber am Ende des ersten Abschnitts waren dann doch noch kurz die Seahawks von 2020 zu sehen. Die von 2019 hätten mit zehn Sekunden bis zur Pause abgekniet, um sich in der Pause zu sammeln. Diese Aggressivität war ein Vorbote für die zweite Halbzeit.
  • Anmerkung des Autors: Ich erzähle meiner Freundin am Montagmorgen jede Woche, wie das Seahawks-Spiel ausgegangen ist. Oft fallen dabei Sätze wie: „Du glaubst nicht, was passiert ist.“ Oder: „Das habe ich noch nie gesehen, komplett verrückt.“ Ich habe das Gefühl, ich wiederhole mich. Ich glaube, sie nimmt mir das inzwischen nicht mehr ab und hält mich für einen Schwätzer, der permanent übertreibt. Aber liegt es wirklich an mir oder machen die Seahawks einfach Spieltag für Spieltag eine neue Wundertüte auf?
  • TE Will Dissly fing im dritten Quarter seinen ersten Touchdown der Saison. Nach Patellasehnenriss. Nach Achillessehenriss. Die lange Leidensgeschichte des Tight Ends und sein mühsamer Weg zurück in den Kader – all das macht diesen Touchdown zu so viel mehr als einer blanken Zahl.

Die Verletzten:

Cornerback Quinton Dunbar (Knie) war lange fraglich, konnte dann aber tatsächlich spielen. Für Left Guard Mike Iupati (Knie/Rücken) lief Jordan Simmons auf, für Linebacker Jordyn Brooks (Knie) war Cody Barton im Einsatz. Die Safetys Lano Hill (Rücken) und Jamal Adams (Leiste) kehren erst nach der Bye Week zurück.

Defensive Tackle Anthony Rush verließ das Spielfeld in der ersten Halbzeit mit einer Knieverletzung und kehrte nicht zurück. Quinton Dunbar musste im dritten Viertel mit Krämpfen raus, kam aber Anfang des vierten Quarters wieder zurück. Ähnlich erging es wenig später auch Cornerback Shaquill Griffin, der ebenfalls von Krämpfen geplagt pausieren musste. Diese Ermüdungserscheinungen zeigen: Die Defense kam den ganzen Abend nicht vom Feld, weil die Minnesota Vikings ihre Drives sehr zeitintensiv gestalteten.

Das Zitat:

„Mein Vater hat ein Monster geschaffen.“ -Wide Receiver DK Metcalf über seine Willensstärke und physische Spielweise

Der Tweet:

Nuff said.

Das Fazit:

Konservativ bei den Punt-Entscheidungen. Durchlässig in der Defensive. Unterirdisch bei den Third Downs. Und trotzdem haben sich die Seattle Seahawks einmal mehr als Sieger über die Ziellinie gerettet. Weil ihre Defensive im entscheidenden Moment die Minnesota Vikings gestoppt und Ballverluste forciert hat. Weil sie einen Head Coach haben, der ihnen die positive Einstellung jeden Tag vorlebt. Und weil Russell Wilson und DK Metcalf in der Offseason endlose Stunden an ihrem Zusammenspiel gearbeitet haben.

Die Seahawks sind noch lange nicht auf dem Zenit ihrer Leistungsfähigkeit angekommen. Man stelle sich vor, die Defense halte Gegner besser von der eigenen Endzone fern. Man stelle sich vor, Seattle habe nicht immer wieder diese kleinen (oder diesmal auch größeren) Schwächephasen in der Offensive. Nach der Saison 2019 sprachen viele Experten – auch Autoren unserer Redaktion – von der Regression, die die Seahawks in diesem Jahr heimsuchen würde. Zu viele Siege waren in engen Spielen durchaus auch glücklich zustande gekommen. 2020 haben wir bislang nahezu ausschließlich knappe Spiele des Teams aus dem Pacific Northwest gesehen – allesamt Siege. Man kommt deshalb nicht drumrum, ein Sieger-Gen festzustellen, das den Seahawks in engen Duellen einen Vorteil gibt.

Und den 12s Woche für Woche einen Herzinfarkt. Die Pause, sie kommt für Fans und Spieler nun sehr gelegen.

Ausblick: Am 6. Spieltag können die Seahawks entspannt zuschauen, denn sie haben Bye Week.