Free Agents 2021

Chris Carson Free Agents 2021

Chris Carson (Foto: Seattle Seahawks)

Es ist ein Bild, wie die NFL es schon seit Jahren kennt: Am Tag nach dem bitteren Ausscheiden der Seattle Seahawks gegen die Los Angeles Rams kamen die Spieler ein letztes Mal im Virginia Mason Athletic Center zusammen, um letzte Meetings abzuhalten – und vor allem, um ihre Koffer zu packen. Der 53-Mann-Kader der Seahawks steht vor einem gewaltigen Umbruch, denn insgesamt 29 Spieler gehen in die Free Agency. Klar ist schon jetzt, dass der Kader der Seahawks aus der  NFL-Saison 2020 in dieser Form wohl nie wieder zusammenspielen wird.

Bei den Seahawks werden 25 Spieler sogenannte Unrestricted Free Agents. Ihre Verträge enden mit Beginn des neuen Liga-Jahres am 17. März. Sie können Vertragsverhandlungen mit anderen Teams führen – und wenn sie dort unterschreiben, hat ihr bisheriges Team keine Möglichkeit, sie zu halten. Die Alternative wäre, dass sie bereits vor Ablauf des Liga-Jahres ihren Vertrag verlängern. Doch nur wenige Spieler tun das in der Regel, da sie zunächst die Free Agency austesten und so ihren Wert bestimmen wollen.

  • LB K.J. Wright
  • TE Greg Olsen
  • LEO Bruce Irvin
  • TE Jacob Hollister
  • DE Benson Mayowa
  • RB Carlos Hyde
  • G Mike Iupati
  • T Cedric Ogbuehi
  • CB Quinton Dunbar
  • QB Geno Smith
  • CB Neiko Thorpe
  • C Ethan Pocic
  • FB Nick Bellore
  • DE Branden Jackson
  • WR Phillip Dorsett
  • WR Josh Gordon
  • S Damarious Randall
  • DE Damontre Moore
  • WR David Moore
  • CB Shaquill Griffin
  • S Lano Hill
  • CB Jayson Stanley
  • RB Chris Carson
  • TE Luke Willson
  • DT Jonathan Bullard (UFA)

Ausnehmen kann man aus dieser Liste eigentlich nur Josh Gordon, der nach der wiederholten Sperre wegen Drogenmissbrauchs wohl nie mehr bei den Seahawks spielen wird. Unter den UFAs finden sich insgesamt fünf Starter der Defense sowie fünf Starter der Offense. Leider wird in dieser Saison der Cap Space aufgrund der Corona-Pandemie leicht absinken, Over The Cap bescheinigt den Seahawks aktuell zudem nur 15 Millionen US-Dollar freies Gehalt. Erwartbar ist also, dass einige schmerzhafte Entscheidungen oder Einbußen vorgenommen werden müssen, um Starter zu ersetzen oder zu binden.

Priorität dürften für Head Coach Pete Carroll und General Manager John Schneider vor allem die Running Backs, die Cornerbacks sowie die Offensive Line haben. Hier kann es am meisten Bewegung im Kader geben. Auch ein Blick auf die Situation der Linebacker lohnt sich.

Running Backs

Chris Carson, etatmäßiger Starter als Running Back der vergangenen drei Jahre, wird seinen ersten dicken Vertrag unterschreiben wollen und sicherlich zuerst seinen Marktwert bestimmen. Es lässt sich nicht leicht vorhersagen, wie dieser ausfällt. Zwischen David Johnson (13 Mio. pro Jahr) und Austin Ekeler (6,125 Mio. pro Jahr) scheint vieles möglich. Ob diese Spähren aus Sicht des Teams sinnvoll sind, ist eine andere Frage.

Carson ist schon seine gesamte Karriere über immer wieder von Verletzungen gebeutelt. Allerdings sprechen seine Leistungen (wenn gesund) für sich: Das Laufspiel der Seahawks funktionierte in den letzten Jahren immer dann besonders gut, wenn Carson dabei war. Die etatmäßigen Vertreter Carlos Hyde und Rashaad Penny konnten ihn nie gleichwertig ersetzen.

Auch deswegen hat Hyde vermutlich keine Zukunft in Seattle. Sein Vertrag ist zu teuer für das, was er in diesem Jahr gezeigt hat. Penny hat den Vorteil, dass er noch auf seinem Rookie-Vertrag spielt, dasselbe gilt für den erst 2020 gedrafteten DeeJay Dallas. Beide werden dem Kader im nächsten Jahr wohl weiterhin angehören. Ob das reicht, ist unklar. Penny fehlte große Teile der Saison 2020 noch wegen eines Kreuzbandrisses aus 2019. Dallas zeigte zumindest vielversprechende Ansätze. Nichtsdestotrotz werden Carroll und Schneider wohl nicht nur mit diesen beiden Running Backs in die Saison starten.

Fullback Nick Bellore hatte wie schon in den vergangenen Jahren wenig Spielanteile. Er spielte in der Offensive seine Rolle als Vorblocker, mehr aber auch nicht. Wichtiger war er in den Special Teams. Ein Vertrag in der jetzigen Höhe muss dennoch das Maximum bleiben. Vielleicht findet sich aber auch ein günstigerer Fullback in der Free Agency.

Cornerbacks

Die Verträge von Shaquill Griffin und Quinton Dunbar laufen aus. Von den Cornerback-Startern auf der Außenbahn in dieser Saison haben also nur noch Tre Flowers und D.J. Reed Vertrag. Dunbar zeigte gute Ansätze, konnte sich aufgrund der schwierigen Situation in der Offseason und mehrerer Verletzungen aber nie richtig festspielen. Griffin zeigte ein ordentliches Jahr, rechtfertigte aber auch keinen Kontrakt in der Dimension eines Xavien Howard oder Byron Jones. Es ist fraglich, ob er sich mit einem Vertrag um 10 Millionen US-Dollar (Top 15 unter den Cornerbacks) zufrieden gibt. Ansonsten ist es gut möglich, dass er sich einem neuen Team mit mehr verfügbarem Cap Space anschließt. Auch hier ist es aber wohl undenkbar, dass Carroll und Schneider allein auf Flowers und Reed vertrauen. Entweder wird eine der beiden Vertragsverlängerungen erreicht oder ein neuer Cornerback erreicht Seattle per Trade oder per Draft.

Auch die Verträge von Neiko Thorpe (Special Teams Captain), Damarious Randall, Delano Hill und Jayson Stanley enden. Eine Verlängerung von Neiko Thorpe wäre allein für das Teamgefüge schon wichtig, in der Vergangenheit war er zudem im Special Team einer der besten Gunner der Liga. Aufgrund seines Alters und der Verletzungen in der vergangenen Saison wird er allerdings Gehaltseinbußen hinnehmen oder einem jüngeren Special Teamer weichen müssen. Die drei anderen Defensive Backs spielten nur eine untergeordnete Rolle. Ob sie es wieder in den Kader schaffen, hängt auch von den Training Camps im Sommer ab.

Offensive Line

Die nächste Baustelle offenbart sich in der Offensive Line: Center Ethan Pocic und Left Guard Mike Iupati werden beide Free Agents. Beide zeigten immer wieder Schwächen in der Verteidigung gegnerischer Pass Rusher, machten ihre Jobs aber im Run Blocking gut. Bei Iupati macht sich das Alter immer mehr bemerkbar, Verletzungen machten ihm zu schaffen und er konnte nicht mehr die Leistung vergangener Tage abrufen. Ein Vertrag mit Veteran Minimum ist wohl das höchste der Gefühle, was Seattle ihm anbieten kann. Gut möglich aber auch, dass er sich einem anderen Team anschließt. Mit Pocic wird wohl verlängert werden, wenn sich per Trade, Free Agency oder Draft kein mindestens gleichwertiger Ersatz verpflichten lässt.

Auch Cedric Ogbuehi half in der Saison immer wieder aus, wenn Spieler in der Line ausfielen. Für seinen recht hohen Verdienst (mehr als Pocic, kaum weniger als Iupati) zeigte er dabei zu wenig. Vermutlich wird er Seattle verlassen oder zumindest Gehaltseinbußen hinnehmen müssen. Gerade in den vergangenen Spielen zeigte sich zudem, dass die Line besonders in der Mitte nicht gut genug besetzt ist. Eigentlich müssten hier für Pocic und/oder Iupati Upgrades gefunden werden (die wiederum auch entsprechend bezahlt werden wollen).

Linebacker

Bei den Linebackern fing das Werben um neue Verträge schon direkt nach der Saison an: K.J. Wright machte im Interview deutlich, dass er gern bleiben würde – nicht aber um jeden Preis. Und erhielt sofort Rückendeckung von seinem Linebacker-Buddy Bobby Wagner. Keine Frage: Wright hat 2020 eines seiner besten Jahre im Seahawks-Jersey gehabt. Doch mit Jordyn Brooks scheint die Zukunft bereits gefunden zu sein und Wright verdiente ein fürstliches Salär (rund 10 Mio.). Denkbar wäre eine Verlängerung nur, wenn er sich mit deutlich weniger Gehalt zufrieden gibt. Die Angebote auf dem Markt werden nach der Saison vermutlich gut sein – die Zeichen stehen daher zumindest momentan eher auf Abschied als auf Vertragsverlängerung.

Unklar ist auch die Situation bei Bruce Irvin, der verletzungsbedingt nur wenig Spielanteile hatte. Kurz nach der Saison unterzog er sich einer zweiten Operation zur Behandlung seines gerissenen Kreuzbands. Wie seine Verletzungsprognose ist, lässt sich kaum sagen. Im für Footballer fast schon biblischen Alter von 33 Jahren und mit mehr als nur einer Verletzung in der Vergangenheit kann auch die Football-Rente der nächste Schritt sein. Falls er allerdings doch auf den Platz zurückkehren kann, dann wohl auch nur in Form des Mindestgehalts.

Pass Rush

Im Pass Rush konnte Irvin schon unter der Saison durch den Trade für Carlos Dunlap sportlich ersetzt werden. Dort steht nun auch die Vertragsverlängerung von Benson Mayowa an, der eine gute Rolle spielte und viele Snaps auf dem Platz sah. Sein Abgang würde ein großes Loch in den gerade erst wiedererstarkten Pass Rush reißen. Sein Vertrag dürfte also hohe Priorität im Front Office genießen. Branden Jackson, Damontre Moore und Jonathan Bullard spielten nur eine untergeordnete Rolle als Backups. Bei beiden hängt ein Verbleib von der Verletzungssituation und den offenen Kaderplätzen ab.

Receiver/Tight Ends

Bleiben zuletzt noch die Passempfänger der Seahawks. Greg Olsen verkündete bereits sein Karriereende, Josh Gordon wird wie schon erwähnt keine Rolle mehr in Seattle spielen. Wie allerdings mit den Verträgen von Jacob Hollister, Philipp Dorsett, Luke Willson und David Moore umgegangen wird, ist aktuell noch wenig vorhersehbar. Die immer wieder geforderte dritte starke Anspielstation ist bisher keiner der drei. Dorsett spielte bisher verletzungsbedingt noch keine Sekunde für die Seahawks, Hollister und Moore machten zu selten wirklich auf sich aufmerksam. Gerade Hollister wurde für seinen 3,5-Millionen-Vertrag zu selten eingesetzt.

Quarterback

Geno Smith war auch in dieser Saison zum Glück nie ernsthaft gefragt, denn Russell Wilson konnte alle wichtigen Snaps spielen. Lediglich im schon entschiedenen Spiel gegen die New York Jets übernahm Smith für ein paar Minuten. Wie es für ihn in Seattle weitergeht, hängt vor allem davon ab, wie sich Alex McGough und Danny Etling machen. Beide waren in der Practice Squad und wurden von den Seahawks mit Förderverträgen ausgestattet.

Weitere Free Agents

Neben den UFAs gibt es weitere Free-Agent-Kategorien. Ein Restricted Free Agent (RFA) kann von seinem Team mit einem sogenannten Tender belegt werden. Das heißt grundsätzlich, die Seahawks haben bei all ihren RFAs das Vorrecht auf einen Deal. Es gibt drei Tender-Arten: einen First-Round Tender, einen Second-Round Tender oder einen Tender in der Höhe des ursprünglichen Picks (Runde), mit dem der Spieler im NFL Draft ausgewählt wurde. Basierend auf dem Tender ist das Gehaltsangebot für den Spieler festgelegt (First Round – 4,6 Millionen US-Dollar; Second Round – 3,2 Mio.; Original Round – 2,1 Mio.).

Dann kann der RFA aber mit anderen Teams verhandeln. Falls er sich mit einem neuen Team auf einen höher dotierten Vertrag einigt, hat das bisherige Team die Chance, mit diesem Angebot gleichzuziehen. Geschieht das, muss der Spieler bei seinem bisherigen Team bleiben. Passiert das nicht, erhält das bisherige Team als Kompensation einen Pick vom neuen Team des Spielers. Die Höhe dieses Picks richtet sich nach der Tender-Kategorie.

Bei den Seahawks sind 2020 folgende drei Spieler Restricted Free Agents:

  • C Kyle Fuller
  • LB Shaquem Griffin
  • DT Poona Ford

Poona Ford ist hier der wichtigste Kandidat. Unser Defensive Tackle hat sich in der Laufverteidigung schon ligaweit einen Namen gemacht und wurde diese Saison auch im Pass Rush besser. Die Avancen anderer Teams werden sehr sicher da sein, Seattle sollte ihn unbedingt halten. Aufgrund seiner besonderen Geschichte spielt sicherlich auch Shaquem Griffin eine Rolle in den Vertragsverhandlungen. Ob es für ihn in Seattle weiter geht? Die Leistungen auf dem Platz waren in dieser Saison leider zu selten überzeugend.

Die Kategorie Exclusive Rights Free Agent (ERFA) ist die, in der die Franchise die volle Kontrolle hat. Spieler dieser Kategorie haben maximal zwei Spielzeiten in der NFL absolviert und können nur dann wechseln, wenn ihr bisheriges Team sie ausdrücklich nicht mehr haben möchte. Bietet das Team ihnen einen Einjahresvertrag zu den günstigsten Konditionen an, müssen sie diesen Vertrag annehmen.

Seattle muss hier 2021 in Bezug auf fünf Perspektivspieler Entscheidungen treffen:

  • G Jordan Simmons
  • DT Bryan Mone
  • CB Ryan Neal
  • S Linden Stephens
  • RB Patrick Carr

Neal wurde in Abwesenheit von Strong Safety Jamal Adams direkt zur wichtigen Figur: Mit starker Coverage und guter Antizipation beim Abfangen von Bällen spielte er sich in die Herzen der Fans und auch unserer Redaktion. Er sollte seinen Kaderplatz für nächste Saison bekommen. Auch Simmons spielte einige Snaps auf Guard, genauso wie Mone nach seiner Verletzung auf Defensive Tackle. Beide werden vermutlich in Seattle bleiben.