Fischadleraugen: Keine Rose für Flowers

Tre Flowers

Tre Flowers (Foto: imago)

Die Saison ist vorbei. Die Seattle Seahawks haben ihr Spiel in der Divisional Round gegen die Green Bay Packers verloren und sind somit aus den Playoffs ausgeschieden. Gründe gibt es dafür mehrere: eine spät startende Offense, fragwürdiges Play Calling und einige individuelle Aussetzer. Die Fischadleraugen sind heute auf die defensive Seite des Balles und dort insbesondere auf Cornerback Tre Flowers gelegt.

Die Defensive der Seahawks war in dieser Saison alles andere als sattelfest. Um den mittlerweile mehr als ausgelutschten Begriff nochmals zu verwenden: Die Legion of Boom ist Geschichte. In dieser Aussage steckt etwas Wahres. Das defensive Konzept, maßgeblich vorgegeben von Head Coach Pete Carroll, ist seit Jahren das selbe – ein Cover-3 mit einem Single High Safety (einem einzelnen Defensive Back, der die Tiefe des Feldes abdeckt). Diese Aufstellung sieht man auf dem Feld bei den meisten Snaps. Das liegt auch daran, dass Seattle weiterhin an der starren Base-Formation (drei Linebacker sind auf dem Feld; in der Nickel-Formation würde einer von ihnen mit einem zusätzlichen Cornerback ausgetauscht) festhält.

Nach namhaften Abgängen in den vergangenen Jahren muss man sagen, dass das einst so erfolgreiche Konzept zum jetzigen Zeitpunkt mit dem aktuellen Personal nicht ideal ist. Zwar hat die Trade-Verpflichtung von Safety Quandre Diggs unter der Saison die Defensive erstmal stabilisiert. Diggs hatte einen direkten Impact auf das Spiel der Seahawks. Doch man muss abschließend sagen, dass das Personal nicht gut genug ist, um das vorhersehbare Schema der Defensive durch individuelle Klasse erfolgreich aufzuwerten.

Hier einmal das typische Aussehen einer Cover-3-Formation mit dem angesprochenen Single High Safety. In der Mitte des Feldes steht Free Safety Quandre Diggs tief. Er muss von Seitenlinie zu Seitenlinie decken und den Cornerbacks auf den Außenbahnen helfen. Die beiden Cornerbacks Tre Flowers und Shaquill Griffin decken jeweils eine Seite des Spielfeldes. Diese Zonen sind ebenfalls gelb markiert. Grün markiert sind die drei Linebacker, die bei diesem Snap auf dem Feld stehen – Bobby Wagner, K.J. Wright und Cody Barton. Man sieht: Die Seahawks befinden sich wieder in der Base-Defense. Rot markiert ist Bradley McDougald, der seit der Verpflichtung von Diggs die Rolle des Strong Safety einnimmt. Damit ist er als Defensive Back immer nah an der Line of Scrimmage zu finden.

Neben der fehlenden Flexibiliät in dieser Formation fällt vor allem eins auf: Die Verteidigung hat eine personelle Sollbruchstelle, die immer wieder von gegnerischen Teams – am Sonntag waren es mehrfach die Green Bay Packers — attackiert wird. Die Rede ist von Tre Flowers, dem Pendant zu Shaquill Griffin, der eine gute Saison absolvierte. Flowers lässt sich in großer Regelmäßigkeit düpieren, ist individuell den Gegenspielern unterlegen. Und hier kommt die Schwäche des Cover-3 ins Spiel: In dieser Formation ist ein Cornerback auch mal allein auf deiner Insel, muss also den Wide Receiver im Eins-gegen-Eins verteidigen können. Das gelingt Flowers nicht, wie das Spiel bei den Packers im Lambeau Field zeigte.

Davante Adams, Green Bays Nummer-eins-Receiver, ist hier auf der linken Seite gegen Flowers aufgestellt. Durch das einfache Andeuten eines Slants, um dann doch die tiefe Go-Route zu suchen (sogenannte „Sluggo“-Route), ist Flowers geschlagen und Adams kann einen für NFL-Verhältnisse einfachen Touchdown erzielen. Zudem verlässt sich Flowers in dieser Situation darauf, dass Ugochukwu Amadi, der hier aufgestellte Nickel-Cornerback, die Route mit Adams weiter läuft, während Flowers dessen Gegenspieler übernimmt. Ein einfacher Absprachefehler, der vielleicht nicht passiert wäre, wenn Amadi als dritter Cornerback früh in der Saison auf Basis seiner guten Leistungen mehr Spielzeit bekommen hätte.

Eine weitere Szene, die symbolisch für die Seahawks-Defense vor allem in der ersten Hälfte der Partie stand: Den Packers gelang es immer wieder, die Defense per Crossing-Route vor Probleme zu stellen. Bei einer Crossing-Route läuft der Spieler eine Drag-Route (kurz geradeaus und dann um 90 Grad gecuttet) oder eine Slant-Route (der Cut erfolgt um 45 Grad) einmal quer über das Spielfeld. Hier startet Adams die Route direkt aus dem Slot und obwohl Flowers in enger Deckung in der Nähe der Line of Scrimmage steht, gelingt es ihm nicht, vor dem Catch auch nur annähernd an Adams heran zu kommen.

Auch in der dritten Spielszene suchen die Packers das Matchup zwischen Adams und Flowers. Adams ist wieder auf der linken Seite aufgestellt, geht kurz in Motion und startet aus der Bewegung im Slot eine Route, die erst über die Mitte des Feldes verläuft, dann durch einen harten Cut wieder Richtung linke Ecke der Endzone geht. Packers-Quarterback Aaron Rodgers führt dabei eine Play Action aus. Er deutet kurz an, nach rechts raus zu rollen und bringt dann den Pass an.

Das Spielzug-Design baut darauf auf, die rechte Seite zu überladen. Alle Routen verlaufen zunächst auf diese Seite, bis Adams den Cut macht, um auf der linken Seite das bevorzugte Matchup zu erhalten. Flowers ist davon völlig überrascht, lässt sich denkbar einfach verladen und macht Adams den Weg in der Mitte frei. Auch den weiter oben im Text noch gelobten Safety Quandre Diggs kann man in diesem Play nicht aus der Kritik nehmen: Er lässt sich zu einfach aus der Mitte des Feldes treiben und macht wie Flowers durch die zu frühe Bewegung Richtung Seitenlinie Adams den Weg in die Endzone frei.

Eine weitere Thematik, die sich wie Kaugummi durch die gesamte Saison zog: Die Base-Formation an sich. Wie bereits beschrieben, stehen die Seahawks im Großteil ihrer Snaps mit drei Linebackern auf dem Feld. Das ist so, weil die verantwortlichen Trainer eigenen Aussagen nach den Deckungsfähigkeiten der einzelnen Linebacker vertrauen (was wiederum für wenig Vertrauen in die Optionen auf Nickel spricht). Dass es ein recht schwerer Linebacker gegen einen leichten, wendigen Receiver aber immer wieder schwer haben würde, war die gesamte Saison über zu beobachten.

So kam es, wie es kommen musste: Auch am vergangenen Sonntag tappten die Seahawks damit in die Matchup-Falle. Nach einfacher Bewegung vor dem Snap und Play Action rollt Rodgers auf die linke Seite. Adams startet diesmal von der rechten Seite aus im Slot. Er läuft wieder eine Crossing-Route, die er mit mehreren Verzögerung schmückt. Das ist zu viel für K.J. Wright, der in dieser Situation für den Wide Receiver zuständig ist. Auch hier kann Rodgers den Pass ohne große Mühe anbringen.

Um einen versöhnlichen Abschluss nach einer schwächeren Saison der Seahawks-Defense zu finden, kommen hier noch zwei positive Aktionen. Angefangen mit dem Tackle für Raumverlust von Defensive End Jadeveon Clowney. Der Neuzugang zeigte neben dem Druck auf den Quarterback, den er als einziger Seahawk konstant machte, dass er ein ausgezeichneter Verteidiger gegen den Lauf ist. In der obigen Szene liest er direkt bei der Ballübergabe den Spielzug, sieht sofort, dass keine Play Action folgt und tackelt Running Back Aaron Jones im Backfield der Packers.

Das emotionale Highlight, das noch dazu im Spiel eine extrem wichtige Aktion war: der erste Karriere-Sack von Shaquem Griffin. Griffins Rolle ab etwa Mitte der Saison war die des Speed Rushers. Er wurde vor allem bei 3rd & Long als Defensive End aufgestellt. Waren seine ersten Versuche, zum Quarterback zu gelangen, noch recht stumpf, verbesserte sich Griffin stetig. Von Woche zu Woche war zu erkennen, wie er sich steigerte, Pressures erzeugte und in seiner zweiten Saison in diese neue Rolle hineinfand.

Wie kam der Sack in diesem Spielzug zustande? Shaquem Griffin startet außen auf der linken Defensive-End-Position. Er läuft dann aber einen Stunt nach innen, auf den die Offensive Line der Packers nicht schnell genug reagieren kann. Der Right Guard doppelt gemeinsam mit dem Right Tackle – unbeabsichtigt – Defensive Tackle Jarran Reed. Griffin kann nun die Lücke in der Mitte nutzen und befindet sich auf dem direkten Weg zum Quarterback.

Sein Bruder Shaquill Griffin hat in der Szene die Aufgabe, aus der Secondary zu blitzen – der sogenannte Corner-Blitz. Hierbei stellt sich der Cornerback erst auf, als würde er wie gewohnt in der Deckung verbleiben. Nach dem Snap sucht aber auch er den direkten Weg zum Quarterback, seine Zone wird von einem anderen Spieler übernommen. In diesem Play lässt sich Safety Bradley McDougald in Griffins Zone fallen. Und getreu dem Motto „Triff mich beim Quarterback!“ erreichen die Zwillinge fast zum gleichen Zeitpunkt Aaron Rodgers. Sie stoppen den Drive der Packers und geben der Offensive die Chance, das Spiel endgültig zu drehen.