12 Fragen an… Julius Kühn

12 Fragen an Julius Kühn

Als Julius Kühn Ende Januar 2016 in Polen das Flugzeug gen deutsche Heimat bestieg, war er erstens Handball-Europameister und zweitens sichtlich müde von einer durchfeierten Nacht. Was aber nur wenigen Leuten auffiel: Der 23-jährige Nationalspieler und Profi des VfL Gummersbach trug ein T-Shirt der Seattle Seahawks und outete sich so als Fan des Teams aus dem Pacific Northwest. Im Interview spricht er über Gemeinsamkeiten von Bad Boys und Legion of Boom, seine Football-Fähigkeiten und Sport als Kopfsache.

Julius, sowohl beim Handball als auch beim American Football spielt das Werfen eine enorm wichtige Rolle. Handballer oder Quarterback – wer wirft besser?
Es ist schwierig, diese beiden Sportarten zu vergleichen, da beim Football der Quarterback beim Passen antizipieren muss und der Handballer doch etwas grobmotorischer ist.

Deine harten und präzisen Würfe aus dem linken Rückraum sind in der Bundesliga und auch international gefürchtet. Wäre Quarterback die Position von Julius Kühn, wenn er Footballer wäre?
Als Quarterback würde ich mich rein von den Maßen her vermutlich ganz gut machen. Insgesamt denke ich aber, dass die Position des Tight Ends schon eher meine wäre, denn als Handballer mag ich das physische Spiel. Jedoch müsste ich als Tight End noch einige Kilo drauf packen.

Bei den Seattle Seahawks ist Russell Wilson der Spielmacher. Er hat einen ähnlich starken Wurfarm wie Du. Ist er folglich Dein Lieblingsspieler?
Nein, das ist bei den Seahawks eindeutig Cornerback Richard Sherman. Ich mag es einfach, wie er immer hart am Limit spielt und es ständig schafft, seine Gegenspieler zur Verzweiflung zu bringen.

Aktuell gehst Du für den VfL Gummersbach auf Torejagd. Bei Heimspielen in der Schwalbe-Arena peitscht eine blaue Wand das Team nach vorne. Wie schneidet der 8. Mann im Vergleich mit den 12s in Seattle ab?
Bei uns in der Arena herrscht auch eine gute Stimmung. Gerade bei Spielen, in denen bis zum Ende hin offen ist, wer die Platte als Sieger verlässt, hilft es doch sehr, wenn die ganze Halle hinter einem steht.

War es die blaue Vereinsfarbe, die Dich als Gummersbacher zum Seahawks-Fan gemacht hat oder wie kam es dazu? Gab es ein Schlüsselerlebnis?
Ich beschäftige mich erst seit ein paar Jahren mit der NFL und bin direkt Seattle-Fan geworden, da mich die Seahawks-Defense unheimlich inspiriert hat. Ein weiterer Faktor war Marshawn Lynch. Unglaublich, was er teilweise für Spiele gemacht hat.

Für die Spieler in Seattle war das Jahr 2014 mit dem Super-Bowl-Titel das absolute Highlight. Dir wird es mit dem Jahr 2016 so gehen. Neben Bronze bei Olympia in Rio de Janeiro gewannst Du mit der deutschen Nationalmannschaft den Titel bei der Europameisterschaft in Polen. Kannst Du Dir erklären, warum das EM-Endspiel gegen Spanien eine ähnlich eindeutige Angelegenheit wie Super Bowl XLVIII war?
Das ist schwer zu sagen. Meinem Empfinden nach waren wir eine Einheit, die sich durch nichts aus der Bahn werfen lassen hat. Dieser unglaubliche Teamgeist, den wir hatten, hat uns ein Gefühl der Unbesiegbarkeit gegeben.

Die Zeitung Welt bezeichnete Dich in einem Artikel als “Urgewalt”. Bei den Seahawks ist Kam “The Enforcer” Chancellor ebenfalls diese Urgewalt. Siehst Du Parallelen bei Euren Spielweisen?
Da müsste man jetzt mein Abwehrverhalten in den Fokus rücken – und das ist nicht unbedingt meine Stärke. Da kann ich mir noch einiges von Kam Chancellor abschauen.

Die deutsche Handball-Legende Stefan Kretzschmar gehört schon seit 2009 zur deutschen Football-Fangemeinde. Gibt es noch andere Handballer, mit denen Du über die NFL fachsimpeln kannst?
Auf jeden Fall, gerade in die vergangenen zwei bis drei Jahre hat die NFL in Deutschland einen extremen Aufschwung erlebt. Daher ist sie auch bei uns in der Kabine immer wieder ein Thema.

Bei den Seahawks war bis zur Offseason Stephen Hauschka der Kicker. Die Diskussionen um seine Person nach einer durchwachsenen Saison 2016 hast Du ja sicher mitbekommen. Kannst Du als Profisportler Dich in seine Lage hineinversetzen? Was passiert im Kopf, wenn man ein, zwei Kicks im Football oder freie Würfe im Handball versemmelt hat?
Das kann ich sehr gut nachvollziehen, denn bei mir ist es ähnlich. Für mich ist es sehr wichtig, dass die ersten Würfe direkt reingehen, sodass ich ein gutes Gefühl bekomme. Wenn es mal nicht so läuft, versucht man oft, die Dinge zu erzwingen. Das geht dann aber leider meist nach hinten los.

Die Seahawks waren zuletzt bekannt für ihre dominante Defense und dafür, vielen Undrafted Free Agents eine Chance zu geben und diese behutsam zu Stars zu entwickeln. Inwiefern erinnert Dich das an die deutsche Handball-Nationalmannschaft und vielmehr den Bad-Boys-Begriff?
Da gibt es definitiv Parallelen. Wir sind letztes Jahr auch eine Mannschaft gewesen, die ohne einen wirklichen Star angetreten ist. Stattdessen hatten wir einen extremen Zusammenhalt und haben immer an ein Ziel geglaubt.

Matthew Stafford, Quarterback der Detroit Lions, ist so ziemlich der einzige Footballer, der ab und an den Unterarm-Wurf auspackt. Welchen speziellen Handball-Move würdest Du von NFL-Spielern gerne öfter sehen und wo können sich Handballer noch etwas von den Footballern abschauen?
Ein spezieller Handball-Move fällt mir da jetzt nicht ein, aber obwohl das Handballspiel in den vergangenen Jahren sehr viel physischer geworden ist, kann man sich in Sachen Athletik immer noch was von den NFL-Spielern abschauen. Beim Blick auf die Statistiken vom diesjährigen NFL Scouting Combine lässt sich beispielsweise gut nachvollziehen, in welch guter Verfassung alle Spieler sind.

Abschließend hast Du noch die Qual der Wahl…
Harz oder Receiver-Handschuhe?
Pete Carroll oder Dagur Sigurdsson? Das ist sehr schwer zu sagen.
Super Bowl XLIX: Lauf über Marshawn Lynch oder Pass von Russell Wilson? Eindeutig: Lauf über Lynch.
Rheinische Küche oder Fast Food?
Bad Boys oder Legion of Boom? Die Legion of Boom von den Bad Boys. ;)
CenturyLink Field oder Schwalbe-Arena?
Hallenboden oder Kunstrasen?
Kölsch oder Craft Beer?

Julius, wir danken Dir für das Gespräch!

 

Über die Rubrik

„12 Fragen an…“ ist eine Rubrik, in der regelmäßig Interviews unserer Redaktion mit Persönlichkeiten veröffentlicht werden, die in einer Beziehung zur deutschsprachigen Fangemeinde und den Seattle Seahawks stehen. In den Gesprächen geht es um Zusammenhänge zwischen den Interviewpartnern und unserem Lieblingsteam, Erlebnisse und Erfahrungen im American Football und persönliche Geschichten. Alle bisher erschienenen Interviews aus der Serie gibt’s hier zum Nachlesen.