Prognose: Lynch kehrt nicht zurück nach Seattle

Marshawn Lynch

Marshawn Lynch (Foto: imago)

Vergangene Woche köchelte es in der Gerüchteküche rund um Marshawn Lynch wieder einmal kräftig. Grund waren indirekte Aussagen mehrerer (ehemaliger) Teamkameraden des (ehemaligen) Running Backs, Lynch könne sich eine Rückkehr aufs Spielfeld vorstellen. Ob dieser Satz so jemals gefallen ist, bleibt fraglich. Richard Sherman wurde lediglich zitiert, Beast Mode sei unberechenbar.

Im Grunde ist es aber auch nicht wichtig, wer welche schwammigen Vermutungen über die Rückkehr Marshawn Lynchs geäußert hat. Mit Ausnahme der glasklare Antwort von Seattle Seahawks-Head Coach Pete Carroll, der auf die Frage, ob er an ein Comeback glaube, kurz und eindeutig mit „Nein“ antwortete.

ESPN-Reporter Shell Kapadia führte Frage und Antwort in einem Beitrag am Wochenende weiter aus. Er teilte die Fragestellung zu Lynchs Rückkehr auf in zwei Fragen, die hier erläutert und beantwortet werden:

1) Ist es möglich, dass Marshawn Lynch seine Meinung ändert und wieder American Football spielen will?

Die endgültige Antwort kennt nur er selbst – vielleicht aber im Moment auch noch nicht. Betrachtet man Lynchs Offseason rückblickend, dann fällt auf, dass er sich um seine Football-Karriere bislang keinen großen Kopf gemacht hat. Er ritt in Ägypten auf einem Kamel, während er für das American Football Without Barriere-Programm seine Sportart bewarb. Er reiste mit seinem ehemaligen Teamkollegen Cliff Avril nach Haiti, um dort (mit eigenen Händen) eine Grundschule zu bauen. Er eröffnete einen Flagship Store seiner Marke „Beast Mode Apparel“ in seiner Heimatstadt Oakland und verbrachte an gleicher Stelle Zeit mit dem ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton.

Diese Aktionen zeigen, dass Lynch keine Eile hatte, sich mit den Fragen rund um seine Karriere auf dem Gridiron zu beschäftigen. Vielmehr, so schreibt Kapadia, hatte er eine To-Do-Liste mit Dingen, die er nach der Saison abarbeiten wollte.

Wer weiß, was passiert, wenn die Liste abgearbeitet ist, langsam das Training Camp heran rollt und das Interesse am American Football spürbar wächst. Vielleicht juckt es dann auch Marshawn Lynch wieder in den Füßen.

2) Sollte Lynch wieder spielen wollen, wird er zu den Seattle Seahawks zurückkehren?

Um diese Frage zu beantworten, sollte man zunächst die Gegebenheiten kennen. Die Seahawks haben die Rechte an Marshawn Lynch bis Ende 2017. Wenn er sich für eine Rückkehr aufs Spielfeld entscheiden würde, hätte Seattle vier Möglichkeiten:

  • $9 Millionen Gehalt bezahlen für 2016
  • Gehaltskürzung verhandeln
  • Trade
  • Release

Lynch ist 30 Jahre alt und verpasste vergangene Saison neun Spiele aufgrund von Verletzungen. Spielte er, erlief er im Schnitt 3,76 Yards pro Carry (Rang 37 in der NFL). Zieht man Vergleiche, erkennt man, dass Thomas Rawls die Liga vergangene Saison mit 5,65 Yards pro Carry anführte und die Rolle als Nummer eins-Running Back der Seahawks sehr ordentlich ausübte. Angenommen er kehrt vollkommen gesund von seiner Knöchelverletzung zurück, sollte er in der Lage sein, die tragende Rolle im Laufspiel von Seattle zu übernehmen.

Außerdem haben die Seahawks im NFL Draft 2016 gleich drei Picks für Running Backs verwendet und zudem Christine Michael mit einem neuen Vertrag ausgestattet. Was bedeutet das? Es bedeutet, in Seattle hat man sich mit dem Gedanken abgefunden, dass Marshawn Lynch seine Karriere beendet hat. Die Seahawks sind in die Post-Marshawn Lynch-Zeit vorangeschritten.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Seattle Lynch unter den gegebenen Vertragsbedingungen ein weiteres Jahr im Kader behält, ist äußerst gering, sofern überhaupt vorhanden. Der Sinn hinter einer Restrukturierung des Deals ist ebenfalls zu hinterfragen, jetzt wo der vorläufige Kader mit sechs Running Backs bestückt ist.

https://twitter.com/DougBaldwinJr/status/726548974857916416

Lynch hat viele Freunde in Seattle. Das erkennt man an Aussagen wie der von Wide Receiver Doug Baldwin. Freunde äußern sich gelegentlich zu einem Freund. Und natürlich würden alle (ehemaligen) Mitspieler Beast Mode mit offenen Armen auf dem Trainingsgelände empfangen. Die Tatsache aber ist, dass es nicht Lynchs Freunde sind, die hier die Entscheidung treffen. Zunächst ist es der Spieler selbst. Und dann sind es General Manager John Schneider und Head Coach Pete Carroll. Beide waren und sind ebenfalls riesige Fans des Running Backs. Und dennoch sind sie bekannt dafür, eine Beziehung nicht zwischen sich und eine Entscheidung kommen zu lassen. Denn die beiden Verantwortlichen sind immer darauf aus, den bestmöglichen Kader für ihr Team aufzustellen. Darin spielt Lynch keine Rolle mehr.

Was sagt uns das alles? Dass wir Marshawn Lynch nochmals im Trikot der Seattle Seahawks auflaufen sehen werden, ist so gut wie ausgeschlossen. Der Herd in dieser Gerüchteküche kann abgestellt werden.

Ob und, falls ja, wo Lynch eventuell nochmals die Schuhe schnürt, darüber kann spekuliert werden. Seine Heimatstadt Oakland liegt ihm am Herzen und liegt daher nahe. Und in der Ferne (beispielsweise im Osten der USA) fühlt sich Beast Mode nicht unbedingt so wohl (siehe Buffalo), als dass er für einen dicken Gehaltsscheck in Oakland alles stehen und liegen lassen würde.

Ursprünglicher Beitrag bei ESPN.com