Auf Wiedersehen, Michael Bennett!

Die Redaktion hat sich Gedanken gemacht zum Abschied von Michael Bennett und ein paar Erinnerungen an die Zeit mit dem Defensive End hervorgekramt. Über eine ungewöhnliche Fahrradtour, kontroversen Aktivismus und obszöne Hüftbewegungen.

Pump It: An Michael Bennett in Seattle habe ich viele schöne Erinnerungen – und das trotz der vielen Flaggen (Offside) oder auch Undiszipliniertheit (schlechter Verlierer) auf dem Feld. Er war bei nahezu jedem Snap eine Gefahr für die gegnerische Offensive. Schaffte er es, den Quarterback zu Boden zu bringen, brachte er mich immer wieder zum Lachen. Nicht durch seinen Sack, sondern durch das, was danach kam: der Tanz. Falls man das überhaupt so nennen kann. Bennett verschränkte die Arme hinter dem Kopf und machte mit der Hüfte kreisende oder stoßende Bewegungen, im Englischen später bekannt als „Pumps“. Als die NFL ihre Schiedsrichter 2016 das Jubeln besonders hart bestrafen ließ und die Liga selbst auch noch zusätzlich Geldstrafen verteilte, war natürlich auch bei Bennett die Frage, wie viele Pumps, also Hüftstöße, er nach einem Sack wohl machen darf. Diese Frage konnte der Spieler auf einer Pressekonferenz nicht beantworten: „Ich weiß nicht, was in der NFL bestraft wird und was nicht“, sagte er, „aber ich weiß: mit zwei Pumps macht man ein Baby, mit drei bekommt man eine Strafe.“ Ich werde die Flaggen, die Michael Bennett verursacht hat, nicht wirklich vermissen, aber der besondere Spieler, der sich selbst nicht zu ernst genommen hat, wird mir fehlen. Ich wünsche ihm viel Erfolg bei seiner nächsten Station. Jannis Wiese

I Want To Ride Your Bicycle: Es war Diebstahl, aber die Polizei schaute ganz entspannt zu. Ja, die Polizisten lachten sogar, als sie Michael Bennett hinterher blickten, wie er mit dem Fahrrad des Seattle Police Department durchs CenturyLink Field rollte. Es waren die Minuten nach einem unfassbaren NFC Championship Game im Januar 2015, das die Seattle Seahawks gegen die Green Bay Packers wie durch ein Wunder gewonnen hatten. Bennett stibitzte, okay lieh, sich anschließend einen Drahtesel der Einsatzkräfte und radelte den 12s winkend durchs Stadion. Lustig sah das aus, wie sich der 1,93 Meter große und 124 Kilogramm schwere Defensive End auf einem für etwas kleinere Menschen ausgelegten Zweirad fortbewegte. Möglicherweise, das ist nicht so genau überliefert, fuhr er damit bis nach Phoenix, Arizona, wo er zwei Wochen später im Super Bowl XLIX spielte – oder wie die Polizei von Seattle es auf Twitter ausdrückte: grandiose Eule. Maximilian Länge

Laut und stark: Er erfand Black Santa, weil er eine Alternative zum weißen Weihnachtsmann suchte. Er ist die Säule der Verteidigung, obwohl seine Schulterpads kaum den Namen verdient haben. Er feiert seine Sacks mit einer verruchten Hüftbewegung. Er ist ein Spieler, der gerne seine Meinung kundtut und damit aneckt. Michael Bennett sorgt dafür, dass es im Pacific Northwest nie langweilig wird. Wir stellen den Verteidiger der Seattle Seahawks in einer dreiteiligen Serie vor – als Aktivisten und Profi-Sportler. Laut und stark. Fabian Günkel

Um den eigenen Ruf gebracht: Ich kann verstehen, dass Leute – auch Fans der Seattle Seahawks – Michael Bennett nicht mögen. Nicht, weil sie sich durch seinen Aktivismus verletzt fühlen. Nicht, weil sie sich über seine Offside-Strafen aufregen. Beides ist völlig legitim. Spieler dürfen politische Haltung zeigen wie jeder andere Mensch auch. Ihre Bekanntheit ist ihre Plattform. Und Offside-Strafen sind ein Nebeneffekt, wenn man an der Line of Scrimmage so aggressiv spekuliert und auf die Millisekunde genau den Snap attackiert wie der Defensive End und damit oft erfolgreich ist. Aber: Wer seine Plattform so nutzt wie Bennett, als Aktivist, Sportler, Charity-Initiator – der sollte das Bild, das er von sich selbst geschaffen hat, nicht durch unüberlegte Aktionen zerstören. Erstes Beispiel: Bennett ist ein verdammt schlechter Verlierer. Das bewies er in Super Bowl XLIX, als es nach der entscheidenden Interception von Russell Wilson beim Abknien Tom Bradys zur Auseinandersetzung kam. Das bewies er beim Auswärtsspiel gegen Jacksonville im Dezember 2017, als er einem Gegenspieler nach dem Snap in die Beine sprang. Unsportlichkeiten, die er selbst in Vergangenheit laut anprangerte und nun selbst beging. Das passt nicht zusammen. Dass dieser manchmal übertriebene Ehrgeiz die Seahawks zu einem erfolgreichen Team gemacht hat, möchte ich nicht gelten lassen. Ein echter Profi kann Aggressivität im Spiel von Fairness nach dem Spiel trennen. Zweites Beispiel: Nachdem Bennett im August 2017 in Las Vegas von der Polizei bei einem falschen Alarm festgehalten wurde, wandte er sich an die Öffentlichkeit, um den Beamten in der Glücksspiel-Stadt Gewalt und Rassismus vorzuwerfen. Sowohl Bennett als auch die Einsatzkräfte befanden sich an besagtem Abend in einer Ausnahmesituation, die traumatisch war. Das zeigen die Videoaufnahmen. Was sie nicht zeigen: Was in der von Bennett in einem offenen Brief beschriebenen Situation tatsächlich passiert war und ob Rassismus ein Grund für seine Verhaftung war. Was sie zeigen: Die Polizei erklärte Bennett ihr vorgehen und entschuldigte sich für die harte Gangart. Sowohl der Spieler als auch die Beamten haben Fehler gemacht. Wäre es deshalb nicht sinnvoller gewesen, sich anschließend zusammenzusetzen und den Dialog zu suchen, um solche Situationen in Zukunft besser zu lösen? Mit diesem wenig durchdachten Verhalten torpedierte Michael Bennett zuletzt sein eigenes Handeln als Aktivist. Maximilian Länge