12 Fragen an… Christian Tiffert

12 Fragen an Christian Tiffert

Fußballprofi Christian Tiffert spielt aktuell für den FC Erzgebirge Aue in der 3. Liga. In seiner langen und erfolgreichen Karriere hat der 34-Jährige bereits für zahlreiche Teams – unter anderem den VfB Stuttgart und den 1. FC Kaiserslautern – gegen das runde Leder getreten. Doch nicht nur in Deutschland war Tiffert am Ball. 2012 heuerte er in der nordamerikanischem Major League Soccer beim Seattle Sounders FC an. Im Interview mit den German Sea Hawkers spricht der Mittelfeldspieler über seine Zeit in der Emerald City, Fußball in den USA und die Aufstiegschancen mit den Veilchen im Spätherbst seiner Karriere.

Christian, wenn Du die Wahl hättest, welche Farbe würde Dein Lieblingstrikot haben? Weiß mit rotem Brustring, teuflisches Rot, Rave Green oder doch lieber Veilchenlila?
Ich glaube, dass mir Lila am besten steht. So sagen es meine Tochter, meine Frau und mein Sohn. Und daran halte ich mich.

Diese Farbe spielt aktuell eine wichtige Rolle in Deinem Leben. Du stehst mit dem FC Erzgebirge Aue auf einem Aufstiegsplatz in der 3. Liga. Doch lass uns zunächst zurückblicken. Nach einer erfolgreichen Karriere bei Vereinen wie dem VfB Stuttgart und dem 1. FC Kaiserslautern hast du 2012 beim Seattle Sounders FC in der US-amerikanischen Major League Soccer unterschrieben. Wie kam es dazu?
Damals war ich 30 Jahre alt und hatte einen Vertrag in Kaiserslautern. Man wollte mich gehen lassen oder auch nicht, das war nicht ganz klar. Aber ich  hatte das Gefühl, dass der Verein nichts dagegen hatte, wenn ich mir einen neuen Verein suche. So habe ich mir etwas neues gesucht und dann kam die Anfrage aus Seattle. Ich fühlte mich in einem Alter, in dem ich durchaus mal ein Abenteuer wagen konnte. Die Sounders haben mich dann für ein paar Tage nach Seattle eingeladen, ich habe mir alles angeschaut und war begeistert. Nach reiflicher Überlegung – lässt sich das mit Familie und Kindern machen – haben wir uns entschieden, das Abenteuer zu wagen. Es war eine schöne Sache.

Für die Sounders hast Du 16 Spiele gemacht. Dann wurdest Du mehr oder weniger vor die Tür gesetzt, ohne davon in Kenntnis gesetzt zu werden. Würdest Du aus heutiger Sicht den Schritt nach Seattle als Fehler bezeichnen?
Auf keinen Fall. Ich glaube, in dem Jahr, in dem ich in Seattle spielte, sind die Sounders so weit gekommen wie zuletzt nicht mehr. Ich habe auch nicht ganz verstanden, warum ich gehen musste. Wir hatten eine sehr gute Mannschaft. Aber das muss man vorher wissen, wenn man in die USA geht. Dass man von einem auf den anderen Tag nicht mehr zum Team gehört, ist dort ja nicht nur im Fußball die Praxis, sondern auch in anderen Sportarten. Übertrieben gesagt hat man am Mittwoch das Trikot eines Vereins an und am Donnerstag das des nächsten, alles ist sehr schnelllebig. Erklärt hat mir aber niemand, warum ich nicht mehr zum Team gehörte, aber ich bin auch nicht böse auf die Verantwortlichen. Seattle war für mich eine Erfahrung.

Du hast es thematisiert: Fußball und die großen Teamsportarten sind in den USA als Geschäftsmodell anders aufgebaut als in den europäischen Top-Ligen. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendeine Transaktion über die Bühne geht. Begriffe wie Salary Cap und Designated Player Rule sind in der MLS sehr präsent. Wird deshalb anders mit Spielern umgegangen?
Ja, und man kann das so oder so sehen. Ich bin der Meinung, als Spieler sollte man nicht nachtragend sein, vor allem nicht in diesem schnelllebigen Sport. Es gibt Profis, die sind über den Trainer verärgert, der sie nicht mehr haben will, und lassen sich dann öffentlich über ihn aus. Zwei Jahre später spielen sie dann wieder für ihn. Mit solchen Aktionen schneidet man sich immer ins eigene Fleisch. Ich glaube, es gibt gewisse Prinzipien und Regeln im Berufssport, an die man sich einfach gewöhnen muss. Das ist völlig normal.

Gewöhnungsbedürftig war es mit Sicherheit auch, permanent auf Kunstrasen spielen zu müssen, nachdem Du jahrelang in Deutschland auf natürlichem Grün gekickt hattest. War das eine große Umstellung?
Für mich nicht, denn in Seattle hatten sie einen wirklich guten Kunstrasen. Das Stadion wird ja bekanntlich hauptsächlich für American Football verwendet. Die Teams legen deshalb Wert darauf, dass der Untergrund nicht zu hart ist, denn die Spieler knallen beim Football ja häufiger auf den Boden. Und auch für uns Fußballer war der Kunstrasen gut bespielbar, ich hatte keine Probleme.

Anders als im Fußball wird in der NFL bei vielen Teams schon lange auf den künstlichen Untergrund gesetzt. Die Seahawks, Seattles Stolz und unser Lieblingsteam, spielen im gleichen Stadion wie die Sounders. Warst Du während Deiner Zeit im Pacific Northwest mal bei einem NFL-Spiel im CenturyLink Field?
Leider gibt es für die einzelnen Spiele auf dem freien Markt gefühlt noch fünf Karten zu kaufen, weil alle anderen Plätze durch Dauerkarteninhaber belegt sind. Das Vergnügen hatte ich leider nicht. Für mich wäre das ein Traum gewesen, weil es ja das lauteste Stadion der Welt ist.

Der Februar 2013 ist für alle Seahawks-Fans das Highlight der Franchise-Geschichte. Mit einem 43:8-Sieg über die Denver Broncos hat Seattle seinen ersten Super Bowl-Titel überhaupt gewonnen. Hast Du das Spiel verfolgt?
Das Spiel habe ich gesehen. Ich schaue generell sehr viel NFL. Ich bin ein absoluter Fan, aber das war ich auch schon vor meiner Zeit in Seattle.
Fußball hat in den USA im Vergleich zu American Football immer eine untergeordnete Rolle gespielt. Doch in den vergangenen Jahren wuchs das Interesse spürbar.

Denkst Du, das runde Leder hat eine Chance, den großen vier Ligen NFL, NBA, MLB und NHL auf Dauer Konkurrenz zu machen?
Das glaube ich nicht unbedingt, aber der Fußball kann sich zumindest etablieren. Ich kann da auch nur von meiner Zeit in Seattle sprechen, wir hatten im Playoff-Halbfinale gegen Los Angeles Galaxy auch 60.000 Zuschauer im Stadion. Im Schnitt sahen in der Saison 40.000 Zuschauer unsere Spiele. Seattle ist vielleicht die fußballverrückteste Stadt in den USA. Das Interesse ist durchaus da, doch Konkurrenz kann der Fußball den anderen Ligen glaube ich trotzdem nicht machen.

Der 12. Mann spielt in Seattle eine ganz besondere Rolle – nicht nur in Bezug auf American Football. Sounders-Anhänger sind stolze Fußballfans, die vor jedem Spiel aus dem Stadtzentrum zum Stadion pilgern und damit ein wenig die Märsche der europäischen Szene imitieren. Welche Kontaktpunkte gab es zwischen Dir und dieser Fankultur?
Wir Spieler hatten nicht so viele Events, bei denen wir direkten Kontakt mit den Fans hatten und ich war auch nicht lange genug in Seattle, um da viel vorweisen zu können. Aber meine Frau und meine Kinder haben diesen legendären Fußmarsch vor dem Spiel einmal mitgemacht. Das ist eine ganz andere, sehr herzliche Atmosphäre. Das soll jetzt nicht böse klingen, aber man hat nicht das Gefühl, dass die Fans ihr letztes Hemd für den Fußball geben würden, so wie das in Deutschland vielleicht der Fall ist. Man schaut in den USA auf eine andere Art Fußball, aber Stimmung gibt es definitiv auch dort in den Stadien.

Es gibt einige Profifußballer aus der Bundesliga, die zum Ende ihrer Karriere in die USA wechseln. Basierend auf Deinen Erfahrungen in Seattle, würdest Du heute noch zu diesem Schritt raten?
Durchaus. Ich sage ganz gerne, dass die MLS jetzt keine Liga ist, die man mal schnell im Vorbeigehen mitnimmt. Es ist eine physisch sehr starke Liga. Und durch die Nähe zu Südamerika gibt es auch viele gut ausgebildete und technisch versierte Spieler. Das darf man nicht unterschätzen als Europäer. Außerdem muss man sich daran gewöhnen an einem Spieltag bei 30 Grad Celsius zu spielen und am nächsten bei -10 Grad. Und man fliegt viel hin und her quer durch ein großes Land. Das sind alles Dinge, die für einen Europäer ungewohnt sind. Ich habe mich schnell eingelebt, aber es gibt bestimmt Spieler, die brauchen ein bisschen länger. Das sind Erfahrungen, die man macht. Für mich war das eine tolle Geschichte.

Deine Karriere schien 2014 zu Ende zu sein, doch dann hast Du beim FC Erzgebirge Aue einen Vertrag unterschrieben und in der 3. Liga nochmals einen Angriff gewagt. Aktuell stehst Du mit Deinem Team auf dem 2. Platz, der Vorsprung auf den Relegationsplatz beträgt zwei Spieltage vor Saisonende vier Punkte. Durch seid Ihr noch nicht ganz, oder?
Meine Karriere war nicht fast zu Ende – ich würde sagen, Sie war zu Ende (lacht). Da kann man ruhig das “fast” streichen. Ganz ehrlich, weder der FC Erzgebirge noch Christian Tiffert noch meine Frau noch meine Kinder haben damit gerechnet, dass ich jetzt doch nochmals so viele Spiele zustande bekomme. Es muss alles passen, ich denke, das ist hier der Fall. Das Drumherum und die Fans, der Verein, die Mannschaft. Und dieses Jahr passt sehr viel. Mit konzentrierter Arbeit müssen wir jetzt den Deckel drauf machen und uns für eine tolle Saison belohnen. Es liegt alles bei uns, wir haben sehr gute Chancen.

NFL-Quarterback Peyton Manning hat vor wenigen Monaten seine Karriere am Höhepunkt beendet – als Super Bowl-Champion. Wie würde der Aufstieg in die 2. Bundesliga Deine weitere Planung beeinflussen?
Ehrlich gesagt habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. In meinem Alter sollte man das auch nicht unbedingt weit im Voraus tun, zumindest was das Fußballerische betrifft. So lang mich meine Füße tragen und ich nicht von der Mannschaft durch die Saison geschleift werden muss, ist viel möglich. Aber die Zukunft ist nicht das, worüber  ich mir momentan Gedanken mache.

Christian, wir danken Dir für das Gespräch!

Über die Rubrik

„12 Fragen an…“ ist eine Rubrik, in der regelmäßig Interviews unserer Redaktion mit Persönlichkeiten veröffentlicht werden, die in einer Beziehung zur deutschsprachigen Fangemeinde und den Seattle Seahawks stehen. In den Gesprächen geht es um Zusammenhänge zwischen den Interviewpartnern und unserem Lieblingsteam, Erlebnisse und Erfahrungen im American Football und persönliche Geschichten. Alle bisher erschienenen Interviews aus der Serie gibt’s hier zum Nachlesen.